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Öko-Ebermast: Problem oder Chance?

02.04.2021

Katharina Heidbüchel forscht am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau in Trenthorst und hat sich in ihrer Arbeit mit dem Einfluss der Fütterung auf das Auftreten von Ebergeruch beschäftigt. Da sich im Gegensatz zum Androstenongehalt der Skatolgehalt über die Fütterung beeinflussen lässt, prüfte Heidbüchel, ob Kleegras als Raufutter im Vergleich zu einer Kontrolle mit Stroh Einfluss auf den Skatolgehalt hat.

Stroh liefert den Mikroorganismen im Dickdarm Energie, um die Aminosäure Tryptophan zu verstoffwechseln, aus der Skatol gebildet werden kann. In beiden Versuchsvarianten unterschritten die Schlachtkörper mit einem Anteil von 72 % die Grenzwerte von 1 000 Nanogramm (ng) Androstenon und 250 ng Skatol, wobei 1 ng für 1 Milliardstel Gramm steht. „Damit sind die Gehalte der Stoffe, die zum Ebergeruch führen, niedrig, aber die Auswirkungen der Kleegrasfütterung sind nicht zuverlässig genug“, erklärte Heidbüchel. Erfreulich sei aber das niedrige Niveau problematischer Befunde bei den Bonitierungen, wie beispielsweise der hohe Anteil 90 % unverletzter Penisspitzen.

Kartoffelstärke im Test

Den Einfluss von 10 % Kartoffelstärke in der Endmast ab 95 kg bei den Endstufenherkünften Pietrain und Dänischer Duroc, jeweils gekreuzt mit DE x DL, untersuchte Daniela Werner, die ebenfalls am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau tätig ist. „Die Androstenongehalte waren bei der Rasse Duroc höher, was an dem früheren Eintritt in die Pubertät liegen könnte“, vermutete Werner. Ein vermindernder Effekt der Kartoffelstärke auf den Skatolgehalt war nur bei Tieren der Endstufenherkunft Pietrain zu beobachten, wobei die Skatolgehalte in beiden Gruppen relativ niedrig lagen. Auch in diesem Versuch traten nur selten Verletzungen an den Tieren auf.

Management anpassen

Ein in der Entwicklung stehendes Konzept für die Erzeugung, Schlachtung und Verarbeitung ökologisch erzeugter Eber entlang der gesamten Wertschöpfungskette stellte Ulrike Westenhorst von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen vor. Die Erprobung fand auf fünf Praxisbetrieben in Zusammenarbeit mit zwei Vermarktern statt. Dabei zeigte sich, dass bei ökologischer Haltung keine Gefahr für erhöhte Verletzungsraten bei den Ebern besteht und dass die Stroheinstreu möglicherweise auch zum Schutz vor Penisverletzungen beiträgt. „Mit 1,44 % hatten wir zudem einen geringeren Anteil geruchsauffälliger Eber“, berichtete Westenhorst weiter. Mit betriebseigenem Futter erzielten die Eber in der Regel schlechtere Mastleistungen bei höherem Muskelfleischanteil. Nach Umstellung auf ein höherwertiges Testfutter mit höheren Aminosäurengehalten konnten auf einem Betrieb bessere Leistungen erzielt werden, wohingegen diese bei einem anderen Betrieb ausblieben. „Neben der Fütterung spielen insbesondere die Haltung der Jungeber und das betriebliche Management eine wichtige Rolle für die Tierleistungen“, erklärte Westenhorst diese Unterschiede.

Imagefrage im Blick

Ausgangspunkt des Forschungsansatzes von Jeanette Lange, Universität Kiel, war die Befürchtung, dass häufige Geruchsabweichungen und erhöhte Raten verletzter Tiere die gesamte Branche in Verruf bringen könnten. Wie bei der Untersuchung von Westenhorst zeigte sich, dass die ökologische Haltung die Verletzungsgefahr deutlich minimiert. „Wir beobachteten beispielsweise keine Penisverletzungen in den Betrieben mit reichlich Einstreu in allen Funktionsbereichen, wohingegen ein Betrieb mit geringem Stroheinsatz 26 Prozent Penisverletzungen aufwies“, berichtete Lange. Wurden weibliche Tiere in der Nachbarbucht gehalten, verdoppelten sich Kämpfe und das Aufreiten. Ein Einfluss auf den Androstenongehalt war messbar, aber nur gering. Das Aufstallen gemischtgeschlechtlicher Gruppen sei nicht sinnvoll, weil Bio-Schweine etwas langsamer wachsen würden.

Neue Impfstrategie

Eine neue Impfstrategie gegen Ebergeruch prüfte Daniela Werner vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau. „Unsere Überlegung war, die Impfung gegen Ebergeruch in den Workflow des Ferkelerzeugers zu integrieren und damit die erste Impfung mit der dritten Woche und die zweite Impfung mit der siebten Woche zu verabreichen“, erklärte Werner. Dazu wurden 55 Ferkel mit einem Lebendgewicht von 6,6 kg beziehungsweise 16,4 kg geimpft und anschließend gemästet. Hinsichtlich Verletzungen und Kratzern wurde keine Unterschiede im Vergleich zu einer späteren Impfung festgestellt. Mast- und Schlachtleistungen sowie der Muskelfleischanteil waren ebenfalls ähnlich. 7 % der früh geimpften Eber wiesen erhöhte Androstenongehalte im Rückenfett auf. „Damit kann die Improvacimpfung im Ferkelalter eine Alternative zur chirurgischen Kastration sein, um bereits im frühen Stadium Ebergeruch zu vermeiden“, fasste Werne ihre Ergebnisse zusammen und ergänzte einschränkend: „Geruchsabweichungen lassen sich so aber nicht vollständig ausschließen.“

Gut gewürzt?

Die Verarbeitungseignung und die Konsumentenakzeptanz von Eberfleisch waren Gegenstand mehrerer Forschungsarbeiten. Maike Hölscher von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe prüfte unter anderem, welche Fleischzubereitungen sich für Eberfleisch eignen und ob eine Maskierung, sprich das Überdecken von Ebergeruch beziehungsweise -geschmack möglich ist. Während beispielsweise verschiedene Rohwürste und Würstchen mit erhöhten Androstenon- und Skatolgehalten von ungeschulten und teilweise auch von geschulten Personen nicht erkannt wurden, scheint sich Kochschinken aus geruchsbelastetem Eberfleisch nicht für den Verzehr zu eignen, weil der Ebergeruch und -geschmack nicht zu maskieren waren. Beim Lachssteak gelang es mit BBQ- und Kräuter-Knoblauch-Marinade, die Abweichungen gut zu maskieren, während dies bei Nackensteaks und Bauchfleisch weniger der Fall war. Entsprechend fiel auch das Fazit von Hölscher aus: „Ungeschulte Personen erkennen oft keine Unterschiede oder können diese nicht einordnen. Sehr sensible Personen bemerken aber auch bei niedrigen Androstenon- und Skatolgehalten die Abweichungen in Geruch und Geschmack.“

Sanda Warmuth von der Hochschule Anhalt testete im Rahmen ihrer Arbeit zahlreiche Rezepturen zur Maskierung von Ebergeruch und -geschmack und nutzte für ihre Untersuchungen ausschließlich etwas ältere Eber, damit die Schwellenwerte auch überschritten wurden. Neben Flüssigrauch kamen verschiedene Gewürze wie Rosmarin, Muskat, Oregano und Majoran zum Einsatz. Letztlich zeigte sich, dass der Erfolg der Maskierung von den Androstenon- und Skatolbelastungen abhängig ist.

Geschmäcker sind verschieden

Prof. Dr. Daniel Mörlein, Universität Göttingen, plädierte dafür, trainierte Prüfer nur für objektive Tests einzusetzen. Mit ihnen könne man konsequent detektieren und sortieren, um anschließend wertschöpfend zu verarbeiten. „Sensorische Akzeptanztests hingegen sollte man ausschließlich mit Konsumenten machen, denn nicht jede Geruchsabweichung führt auch zur Ablehnung des Verzehrs“, meinte Mörlein und ergänzte: „Wenn Ebermast gewollt ist, muss man sortieren. Letztlich sind aber nur Konsumententestes geeignet, um Sortiergrenzen und Maskierungsstrategien zu entwickeln.“ Mörlein sieht die Möglichkeiten einer Maskierung von belastetem Eberfleisch als begrenzt an und plädiert bei Verarbeitungsfleisch für eine Verdünnung mit unbelastetem Fleisch. Anhand eines Beispiels mit erwärmten Frankfurter Würstchen zeigte Mörlein das Vorgehen auf. „Wenn auf einer neunstufigen Skala mit verdünntem Fleisch eine Verschlechterung um 0,5 Punkte akzeptiert wird, könnte man etwa zwei Drittel Eberfleisch einsetzen.“ Allerdings zeigte sich in den Versuchen auch, dass eine kleine Minderheit den Verzehr ablehnte. Hier kam die Diskussion auf, dass man so einen Teil der Verbraucher verliere, denn man könne es nicht verhindern, dass zumindest einzelne Verbraucher Eberfleisch als sehr unangenehm wahrnehmen würden.

Akzeptanz der Immunokastration

In einem zweiten Vortrag betrachtete Mörlein die Kommunikation und Akzeptanz der Immunokastration bei den Verbrauchern. „Verbraucher wissen wenig über Kastration und wollen damit auch nichts zu tun haben“, betonte Mörlein. Das Thema werde ebenso wie die Schlachtung von den Verbrauchern ausgeblendet. „Wird das komplexe Verfahren Immunokastration verkürzt dargestellt, kommt es leicht zu schwerwiegenden Missverständnissen. Ein Gesprächskonzept, das die Begrifflichkeiten ausklammert und so wenig konkrete Informationen wie möglich liefert, hat den größten Erfolg bei den Verbrauchern“, erklärte Mörlein. Dies treffe im Wesentlichen auch auf Bio-Kunden zu. Dabei erschiene der Begriff Impfung verständlicher als Immunokastration.

Was sagt die Bio-Branche?

Die Immunokastration wird in der Bio-Branche unterschiedlich bewertet. In der Diskussion wurde vor allem der starke Leistungsanstieg nach der zweiten Impfung kritisch bewertet, während Befürworter den Verzicht auf den chirurgischen Eingriff ins Feld führen. Gegenwärtig ist die Immunokastration in Bio-Betrieben ohnehin nicht zulässig, denn die EU-Kommission sieht ihren Einsatz als nicht konform mit der neuen EU-Bio-Verordnung 2018/848 an, wonach die „Verwendung … von Hormonen und ähnlichen Stoffen zur Kontrolle der Fortpflanzung und zu anderen Zwecken … verboten“ ist.

Christian Wucherpfennig,

Landwirtschaftskammer NRW

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