Wie lassen sich Auslauf, Weide und Ferkelgesundheit in der Bio-Schweinehaltung optimal organisieren, um Leistung und Tierwohl von Ferkeln, Sauen und Mastschweinen zu verbessern? Darüber tauschten sich Mitte November 2021 etwa 70 Fachleute aus Wissenschaft, Praxis und Beratung in einem Online-Workshop aus. Vorgestellt wurden Studienergebnisse aus dem europäischen Projekt POWER, in dem Ansätze für mehr Tierwohl und Resilienz in der Bio-Schweinehaltung entwickelt werden.
Cäcilia Wimmler von der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) stellte das Potenzial von Duschen zur Abkühlung für Schweine im Auslauf vor. Versuche mit Wärmebildern hätten gezeigt, dass mit Außenduschen ein Kühleffekt von durchschnittlich zwei Grad Celsius erreicht werden kann. "Dieser Effekt hält aber nur etwa 20 Minuten an", sagte Wimmler.
Grundsätzlich könnten Duschen also zum thermischen Wohlbefinden der Tiere beitragen und verringerten zudem die Verschmutzung. Je länger die Duschzeit, desto geringer war der Grad der Verschmutzung in den Versuchen. Ob eine längere Duschaktivierung auch zu einer besseren Kühlwirkung führt, ließ sich mit den ermittelten Daten nicht eindeutig belegen.
Wie ein optimales Wühlareal im Auslauf aussehen sollte, stellte Mirjam Holinger vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz vor. Grundsätzlich ist Wühlen laut Holinger ein zentrales Verhalten von Schweinen. Ein entsprechend eingerichteter Bereich sei deshalb ein wichtiger Beitrag für das Tierwohl. "Wühlareale machen den Auslauf auf jeden Fall attraktiver", sagte Holinger. Eine Überdachung und eine gute Entmistbarkeit des Wühlbereichs ist nach Ansicht der Expertin zwingend notwendig, da die Tiere hier auch urinieren und koten und Niederschläge zu einer stärkeren Verschmutzung führen.
Für die Anlage seien erdähnliche Materialien wie Kompost, Torf oder Erde besonders geeignet. Weniger gut angenommen würden dagegen Hobelspäne, Stroh oder Sand. Im Idealfall sollte das Material verschiedene Strukturen enthalten und kau- oder essbar sein. In Versuchen führte das Ablegen von Maiswürfeln im Wühlareal dazu, dass sich deutlich mehr Tiere einer Gruppe in diesem Bereich aufhielten. Während ohne Maisgabe im Schnitt 20 Prozent der Tiere den Bereich aufsuchten, waren es mit Mais 30 Prozent. Anders als erhofft verhinderte die Futtergabe jedoch nicht, dass die Tiere hier genauso viel Kot und Urin ausschieden wie ohne Futtergabe.
Lisa Baldinger vom Thünen-Institut in Trenthorst stellte die Ergebnisse aus zwei Versuchen zur Eisenversorgung von Ferkeln vor. Grundsätzlich bestehe bei Ferkeln ein hohes Risiko für eine Anämie ab dem sechsten bis siebten Lebenstag, da die Muttermilch den Eisen-Bedarf von Ferkeln nur zu zehn Prozent deckt. Alternativ müsse deshalb Eisen ergänzt werden.
Versuche im Rahmen des POWER-Projekts in Frankreich zum Absetzen nach sechs Wochen hätten gezeigt, dass Ferkel bei Freilandhaltung zu diesem Zeitpunkt auch ohne Ergänzung bis zum Absetzen ausreichend mit Eisen versorgt sind. "Bei guter Bio-Verfügbarkeit könnte man also in der Freilandhaltung auf eine zusätzliche Eisengabe verzichten", sagte Baldinger. In weiteren Versuchen in französischen Betrieben mit Stallhaltung erwiesen sich Sedimente aus dem Fluss Briére als effiziente Alternative zu einer Eiseninjektion. Erde aus dem Betrieb habe dagegen nicht als Ersatz funktioniert.
Bei einem Exaktversuch im Thünen-Institut für Ökologischen Landbau konnte gezeigt werden, dass eine einmalige Injektion von 200 Milligramm Eisendextran am dritten Lebenstag den Eisenbedarf der Ferkel nicht ausreichend deckt. Erst eine zweite Injektion im Alter von zwei Wochen führte zu einer optimalen Versorgung der Ferkel. Eine dritte Injektion habe dagegen zu keiner weiteren Verbesserung geführt. Deshalb seien zwei Injektionen empfehlenswert.
Christine Leeb vom BOKU berichtete über Versuche zur Wirkung von Stall- und Freilandhaltung auf Tierwohl und Umwelt. Für das Tierwohl hätten sich dabei deutliche Vorteile für die reine Freilandhaltung auf geeigneten Standorten gezeigt. Berücksichtige man jedoch zusätzlich die Umweltwirkung, sei eine Kombination aus Stall- und Freilandhaltung eine vielversprechende Lösung, bei der die Sauen im Freiland gehalten werden und die Mast im Stall stattfindet.
Denn während sich hinsichtlich der Treibhausgasemissionen keine Unterschiede gezeigt hätten, schnitt eine Kombihaltung in Bezug auf eine Versauerung von Gewässern und Böden und der Freisetzung von Nährstoffen besser ab als die beiden anderen Systeme. Das liegt laut Leeb daran, dass bei der Kombilösung weniger Wirtschaftsdünger unkontrolliert in die Umwelt freigesetzt wird.
Dass sich eine kombinierte Stall-Freilandhaltung in der Praxis gut umsetzen lässt, bestätigte auch Katharina Heidbüchel vom Thünen-Institut in Trenthorst. Sie stellte das Haltungskonzept des institutseigenen Versuchsgutes vor. Etwa 50 Sauen werden hier von April bis November auf Kleegras im zweiten Jahr gehalten, das Teil einer sechsgliedrigen Fruchtfolge ist. In den Wintermonaten bleiben die Tiere in einem Stall in "aufgelöster Bauweise", einem Haltungssystem ohne feste Gebäude, dass sich in einen überdachten Einzelfressplatz pro Sau, den nicht überdachten Auslauf und eine isolierte Liegehütte gliedert. Die Ferkel werden in Zwei-Klimazonen-Ställen mit Auslauf á 30 Tieren gehalten, die Mast erfolgt in Zwei-Flächen-Buchten in BAT-Kistenställen.
Eine vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) finanzierte Datenerhebung zum Tierwohl habe gezeigt, dass die meisten Tiere gesund sind und nur wenig Probleme auftreten. Vereinzelt gebe es Lahmheiten oder Sonnenbrand bei Sauen und saisonal würden einige Saugferkel in den ersten Lebenstagen infektionsbedingt ihre Schwänze verlieren.
"Insgesamt erweist sich die kombinierte Stall- und Freilandhaltung auf schweren Böden als sehr gut geeignet, da ein ganzjähriger Weidegang oft nicht möglich ist", sagte Heidbüchel. Dabei sei es sinnvoll, den Weidegang in die Fruchtfolge einzubauen, um Hygieneprobleme zu vermeiden. Zudem habe es sich bewährt, Kraftfuttergroßpellets großzügig auf täglich wechselnden Futterplätzen zu verteilen. Das schone die Vegetation und vermeide unnötige Bodenverdichtungen sowie Bereiche mit sehr hohen Nährstoffeinträgen.
Anna Jenni vom FiBL Schweiz stellte ein innovatives Haltungskonzept aus Dänemark vor. Der Betrieb arbeitet mit mobilen Ställen mit 180 Quadratmetern Auslauf und einer Hütte. Ein bis zwei Mal am Tag werden die Hütten mithilfe eines selbstentwickelten Kettenfahrwerks umgesetzt. Insgesamt gibt es drei Hütten, zwei mit je 150 Tieren zur Mast und eine für Absetzer.
Laut Jenni hat der Betrieb bisher sehr gute Erfahrungen mit dem System gemacht. Durch den häufigen Wechsel der Flächen wird die Nährstoffauswaschung minimiert und die Grasnarbe kann sich schnell erholen. Im Stall gibt es nur eine geringe Verschmutzung. Auch der Parasitendruck ist gering. Die Tageszunahmen liegen im Schnitt bei knapp 900 Gramm pro Tier und Tag. Aufgrund des großen logistischen Aufwands sind die Kosten allerdings vergleichbar mit denen der Stallhaltung.
Jürgen Beckhoff