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Wie nachhaltig sind Schaf- und Ziegenbetriebe?

18.11.2021

Insgesamt wurden zehn Themengebiete zur Nachhaltigkeit mit jeweils vier bis sechs Einzelindikatoren in den Betrieben erfasst und ausgewertet. Die insgesamt 46 Einzelindikatoren decken alle drei Bereiche der Nachhaltigkeit Ökologie, Ökonomie und Soziales ab. Für alle Einzelindikatoren werden durch Vergleich und Verrechnung der erfassten Betriebsdaten Werte von 0 bis 100 berechnet und für jeden Themenbereich zu einem Mittelwert zusammengefasst, dem Themenwert. Die Ergebnisse sind in Grafik 1 dargestellt.

In den Grafiken 1, 2 und 3 werden sowohl alle Themenwerte als auch die Ergebnisse für jeden einzelnen Indikator als Punkte auf dem jeweiligen Themenstrahl angezeigt. So wird sichtbar gemacht, welche Themenbereiche und Indikatoren bei der Analyse gute Ergebnisse erzielt haben, zu finden im äußeren grünen Ring mit Punktzahlen von 67 bis 100, und in welchen Bereichen und Unterthemen Handlungsbedarf besteht, in gelb oder rot dargestellt. Zusammen mit den Betriebsleitern oder der Betriebsleiterin können so die Stärken und Schwächen identifiziert und Ansatzpunkte zur Verbesserung der Nachhaltigkeit herausgearbeitet werden.


Ergebnisse der Ziegenbetriebe

Aufgrund der geringen Anzahl von vier erfassten Betrieben, der Individualität der Ergebnisse und dem Einfluss weiterer Betriebszweige wie dem Ackerbau können bei der Auswertung keine allgemeinen Rückschlüsse auf den Stand der Nachhaltigkeit der Milchziegenhaltung in NRW gezogen werden. In Grafik 1 und 2 sind zur Veranschaulichung die Daten zweier Ziegenbetrieben abgebildet.  

Folgende Themenbereiche waren in den Projektbetrieben sehr ähnlich bewertet: Alle Betriebe zeigten gute Ergebnisse in den vier Themenbereichen Tierhaltung, Bodennutzung, Wassernutzung und Betriebsführung. In dem Bereich Tierhaltung erreichten alle Betrieben mit fast allen Einzelindikatoren, wie Management in der Tierproduktion, Lebensbedingungen, Möglichkeiten zu artgerechtem Verhalten der Tiere und Tiergesundheit gute Ergebnisse. Bei zwei Betrieben befand sich der Einzelindikator Produktivität in der Tierproduktion mit 50 und 65 Punkten im Überprüfungsbereich. Im Bereich Betriebsführung zeigten die Betriebe ein durchdachtes Risikomanagement mit angepassten Betriebszielen und Strategien, verfügten über vielfältige Informationen und Kenntnisse und waren zufrieden mit der Zusammenarbeit mit den Berufskollegen.

Die restlichen sechs Themenwerte der vier analysierten Betriebe befanden sich fast alle im Überprüfungsbereich; bei einem Betrieb lag ein einziger Themenwert - Wirtschaftlichkeit - im problematischen, roten Bereich.

Grundsätzlich konnte innerhalb der einzelnen Themenbereiche eine große Streubreite der Indikatorwerte festgestellt werden. Einzelne Indikatoren wiesen optimale Werte auf, während andere Indikatoren noch einen unbefriedigenden Nachhaltigkeitsstand und damit Handlungsbedarf aufzeigten. Dadurch werden differenziert einzelne Schwachpunkte identifiziert und können individuell bearbeitet werden.


Schäfereibetriebe mit mehr als 50 Mutterschafen

Die Ergebnisse von zwölf Betrieben mit reiner Schafhaltung ohne weitere Betriebszweige zeigt Grafik 3. Auch hier zeigten sich Unterschiede zwischen den einzelnen Betrieben hinsichtlich der Themenwerte und der Einzelindikatoren, dennoch sind auch Tendenzen zu erkennen.

Alle Betriebe wiesen in den Bereichen Bodennutzung, Wassernutzung und Betriebsmittel und Umweltschutz positive Ergebnisse in der Nachhaltigkeitsbewertung auf. Elf von zwölf Betrieben zeigten gute bis sehr gute Ergebnisse in dem Bereich Tierhaltung. In dem Themenbereich Betriebsführung waren neun Betriebe mit positiven Ergebnissen.

Am schlechtesten schnitten die Bereiche Wirtschaftlichkeit und Arbeitsbedingungen ab. In dem Bereich Wirtschaftlichkeit wurden die Indikatoren Liquidität, Rentabilität, Stabilität, Verschuldung und Existenzsicherung ausgewertet. Nur ein Nebenerwerbsbetrieb erreichte mit 69 Punkten knapp eine wirtschaftliche Nachhaltigkeit, acht Betriebe lagen im Überprüfungsbereich und drei Betriebe wurden als wirtschaftlich nicht nachhaltig eingestuft.

Der Indikator Existenzsicherung zeigte auf, dass nur ein Betrieb in der Lage war, über die Betriebseinnahmen seine ökonomische Existenz nachhaltig zu sichern, bei neun Betrieben wurde die Situation als problematisch bewertet. Rund 50 % der Betriebe wiesen keine nachhaltige Rentabilität auf. Sie konnten mit den erwirtschafteten Mitteln ihre finanziellen Verpflichtungen nur schwer erfüllen und erwirtschafteten keinen ausreichenden Gewinn, um Investitionen zu tätigen und das investierte Eigenkapital ausreichend zu verzinsen. Nur drei der Betriebe gelang dies.

Im Themenbereich Arbeitsbedingungen lagen alle Betriebe im Überprüfungsbereich, die Indikatoren zeigten aber eine extreme Streuung der Einzelergebnisse. Drei Betriebe erreichten ein Lohn- und Einkommensniveau, das ihnen ein Existenzminimum sicherte, bei den restlichen neuen Betriebe lag das Lohn- und Einkommensniveau unter dem Existenzminimum. 80 % der Betriebe hatten nicht genügend arbeitsfreie Zeit, um sich körperlich und psychisch zu erholen, und so auch langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben. Häufig gab es für die Betriebsleitung lange Arbeitstage und kaum einen freien Tag.

Die Indikatoren Arbeitssicherheit und Personalmanagement erreichten bei allen Betrieben positive Werte. Hier macht sich die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sowohl für Angestellte als auch Betriebsleiter positiv bemerkbar. Die Lebensqualität lag bei fast allen Betrieben kompakt mit den meisten Indikatoren im guten Bereich oder Überprüfungsbereich. Die Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen äußerten sich überwiegend zufrieden mit ihrer Lebensqualität und ihrem Lebensstandard, nicht aber mit ihrem aktuellen Verdienst.

Grundsätzlich hat die Haltung von Wiederkäuern und dem damit verbundenen Ausstoß von Methan eine negative Bewertung der Nachhaltigkeit in dem Themenbereich Energie und Klima zur Folge. In der Analyse konnten die viele Schäfereibetriebe diese negative Bewertung der Treibhausgasbilanz durch eine extensive Tier- und Pflanzenproduktion verringern. Ein geringer Tierbesatz je ha, überwiegend Weidehaltung und damit geringer Anfall an Mist/Gülle, geringer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, ein geringer Einsatz von Düngemitteln und eine niedrige Energieintensität sind die Gründe für eine positive Wertung in diesem Themenbereich. Hier lag kein Betrieb im problematischen Bereich, sieben Betriebe konnten positive Ergebnisse aufweisen.

Bei der Auswertung des Themenbereiches Biodiversität erreichten drei der Betriebe gute Gesamtergebnisse, alle anderen Betriebe lagen mit mindestens 50 Punkten bereits in der oberen Hälfte des Überprüfungsbereichs. Für die Biodiversität in der Agrarlandschaft spielen sowohl der Strukturreichtum der Landschaft als auch die Bewirtschaftung eine wichtige Rolle. Die Biodiversität wird in der Untersuchung indirekt über die Vielfalt der wilden und genutzten Pflanzen und Tiere auf dem Betrieb und die ökologische Qualität der Landschaft bewertet. Beispiele für die indirekten Indikatoren sind der Anteil ökologisch wertvollen Flächen, die Anzahl der Kulturarten,-Sorten und Tierrassen und die Förderung regionaltypischer Rassen und Sorten.

Fünf der ausgewerteten Schäfereibetriebe hielten Bienenvölker auf ihren Flächen, zehn Betriebe hielten mindestens zwei Schafrassen und sieben Betriebe mindestens eine gefährdete alte Haustierrasse. Dies alles sind positive Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität. Gleichfalls positiv wirkten die geringe Intensität der landwirtschaftlichen Produktion aller schafhaltenden Betriebe und eine gute Verteilung der ökologischen Infrastrukturen. Bei 67% der Betriebe waren die vorhandenen ökologisch wertvollen Strukturelemente in der Landschaft gut vernetzt.

Der Anteil der Flächen mit hoher ökologischer Qualität hat sich zwischen den Betrieben deutlich unterschieden. Während bereits fünf Betriebe (42 %) ein optimales Ergebnis aufwiesen (17 % Fläche mit extensiver Bewirtschaftung oder ökologische Strukturelemente oder Landschaftselementen), gab es auch fünf Betriebe, die nur wenige Flächen mit hohem Biodiversitätspotenzial aufwiesen. Diese Betriebe beweideten mit ihren Schafen teilweise extensive Vertragsnaturschutzflächen mit hoher ökologischer Qualität; diese Flächen wurden aber wegen kurzer Vertragsdauer und geringer Einflussmöglichkeiten durch den Betriebsleiter nicht in die Auswertung miteinbezogen.

Die Nachhaltigkeitsanalyse im Bereich Biodiversität hat auch gezeigt, dass sich sieben Betriebe bereits mit einem systematischen Vorgehen und Aktivitäten zu Artenschutz und Biodiversität beschäftigt haben, fünf Betriebe hatten sich noch weniger mit diesem Thema auseinandergesetzt.

Die Auswertung der Nachhaltigkeitsanalysen der Schäferei- und Milchziegenbetriebe hat gezeigt, dass die Ergebnisse der Themenbereiche der allermeisten Betriebe mindestens im mittleren Wertebereich lagen. Das bedeutet eine gute Ausgangsposition für eine weitere nachhaltige Entwicklung der Betriebe. Die beiden Bereiche Wirtschaftlichkeit und Arbeitsbedingungen wiesen die geringsten Werte und damit das größte Verbesserungspotenzial auf. Diese Problembereiche werden in dem Projekt gesondert untersucht und detailliert ausgewertet. Gemeinsam mit den Betrieben werden Konzepte zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und damit auch der Nachhaltigkeit erarbeitet, die Ergebnisse in einem Handbuch zusammengefasst und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.


Schäfereibetriebe mit weniger als 50 Mutterschafen

Bei neun schafhaltenden Betrieben mit weniger als 50 Tieren wurden aus den drei Gebieten Soziales, Ökologie und Ökonomie insgesamt zwölf Themenfelder erfasst, siehe Grafik 4. Mit Fragen zu konkreten Maßnahmen im Betrieb und einer Selbsteinschätzung zu dem jeweiligen Themenfeld wurde das eigene Nachhaltigkeitsmanagement bewusstgemacht und bewertet. Fragen waren zum Beispiel „Wie nachhaltig handle ich? Was tue ich für ein nachhaltiges Wirtschaften?“. In der Grafik bilden die Punkte im Netz einzelne Betriebe mit ihrer persönlichen Einschätzung ab und zeigen an, ob sie das jeweilige Teilziel erfüllen von „Ich stimme zu“ bis „Ich stimme nicht zu“. Daraus ergab sich eine Punktevergabe zwischen einem und vier Punkten.

Diese Analyse liefert qualitative, betriebsindividuelle Ergebnisse. Zu einzelnen Themenbereichen sollen beispielhaft Antworten aufgeführt werden:

  • Abfall und Emissionen: Der Einsatz von Silofolien wird als nicht nachhaltig angesehen und führt zu einer schlechten Selbsteinschätzung.
  • Produktsicherheit und Qualität: Wird aufgrund eigener Kontrollen, Fremdaudits und einem positiven Kundenfeedback als hoch eingeschätzt.
  • Geschäftsverhalten: Wird aufgrund kleiner Strukturen (kleine Betriebe) und enger Partnerschaft mit Lieferanten und Kunden als positiv eingeschätzt.
  • Zukunftsorientierung: eine ungeklärte Nachfolge wird negativ bewertet. Neue Produkte und Ausrichtung hin zu Direktvermarktung werden positiv bewertet.

Die Ergebnisse des Landservice-Nachhaltigkeitschecks können als Entscheidungshilfe dienen, wo und wie nachhaltiges Handeln im Betrieb intensiviert und auch kommuniziert werden kann.

Fides Marie Lenz, Claudia Hitzler-Colsman, Florian Rösler

Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

Weitere Informationen

Wie wurde untersucht?

Im Rahmen des EIP- Projekts InnoSchaZie, das steht für „Entwicklung eines innovativen Konzeptes für eine zukunftsfähige Schaf- und Ziegenhaltung in Nordrhein-Westfalen unter der Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Situation und der Vermarktungswege“, wurden die Projektbetriebe auch auf deren Nachhaltigkeit untersucht. Für Betriebe mit über 50 Muttertieren wurde mit dem Bewertungssystem RISE (Response-Inducing Sustainability Evaluation), entwickelt an der Schweizer Hochschule für Agrar, Forst- und Lebensmittelwirtschaft (HAFL), gearbeitet. Von 27 infrage kommenden Betrieben nahmen 23 Betriebe das Angebot, an der Analyse teilzunehmen, an. Gegenstand der Datenerhebung war die landwirtschaftliche Produktion der Betriebe in dem Kalenderjahr 2019 beziehungsweise Wirtschaftsjahr 2018/19. Ergänzt wurden die Datenerfassung durch Betriebsbegehungen und Tierwohlbeurteilungen.

Betriebe mit weniger als 50 Tieren wurden mithilfe des vom Landservice der Landwirtschaftskammer NRW entwickelten Selbsteinschätzungsbogens zur Nachhaltigkeit analysiert.

Am Projekt beteiligt sind die Landwirtschaftskammer NRW (Leadpartner), der Schafzuchtverband NRW, der Landeskontrollverband Sachsen-Anhalt, der Landesverband der Ziegenzüchter Westfalen-Lippe, der Landesverband Rheinischer Ziergenzüchter, sowie der Ziegenbetrieb Carina Lohmann und der Schafbetrieb Michael Stücke. Das Projekt läuft bis Ende 2022.

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