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Offen für Chancen und Risiken

26.06.2019

Peter Zumahr zeigt den Berufskollegen und Biolandwirten in spe bei einer Feldbegehung, was er im ersten Jahr der Umstellung auf den Flächen getan beziehungsweise vielmehr weggelassen hat. "Beim Striegeln werden wir auf Anraten der Beratung im nächsten Jahr ein Kontrollfenster anlegen, für das wir den Striegel einige Meter anheben. Dieses Ausprobieren hilft bei der Maschineneinstellung und hilft, ein Gefühl für die mechanische Unkrautbekämpfung zu entwickeln", ist sich der Landwirt sicher. Fotos: Meike Siebel

Peter Zumahr hat ein Jahr der Umstellungsphase zum Ökolandbau hinter sich. Grund genug für die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, gemeinsam mit den Ökoverbänden NRW auf den Ackerbaubetrieb in Titz zum Umstellertag einzuladen. In dessen Verlauf sollten die rund 15 Teilnehmer Klarheit darüber finden, ob der ökologische Acker- und Feldgemüsebau auch in den eigenen Betrieben funktionieren würde.

Peter Zumahr hat seinen Betrieb gemeinsam mit zwei Kollegen 2018 umgestellt, zusammen bewirtschaften die drei Ackerbauern 240 ha Drusch- und Hackfrüchte sowie Gemüse, wie Möhren und Zwiebeln. "Im Vorlauf haben wir untereinander diskutiert und gemeinsam herauszufinden versucht, was "Bio" eigentlich ist, wie es funktioniert - und sind dabei mit zahlreichen verwirrenden Fragen konfrontiert worden. Da war es sehr hilfreich, die Beratung der Kammer in Anspruch zu nehmen und sich mit weiteren Berufskollegen zum Beispiel auf dem Umstellertag in Düsse auszutauschen. Was aber vor allem immer sinnvoll ist und uns weitergebracht hat in unserer Entscheidung: Wir haben Betriebe besucht und angeschaut. Im direkten Gespräch mit Biolandwirten über die Chancen und Risiken einer Umstellung hat sich schon vieles geklärt", berichtet Peter Zumahr rückblickend.

Die Essenz aus allen Überlegungen sei gewesen, dass die persönliche Überzeugung stimmen muss. "Man darf nicht nur den kurz- oder mittelfristigen ökonomischen Nutzen aus höheren Preisen für Bioprodukte sehen. Der Erfolg ist nicht garantiert, wenn man nicht auch mit Herz und Seele bei der Öko-Sache ist!", mahnt Zumahr und betont, dass bei ihm als Ackerbauer ein Aspekt besonders deutlich geworden sei: "Mein Umdenken hat ganz klar dazu geführt, den Boden im Mittelpunkt allen Handelns zu stellen. Ich muss als Ökolandwirt noch präziser die Abläufe im Kopf haben. Was mache ich zum Beispiel im nächsten Jahr, wenn ich heute pflüge? Macht eine Gründüngung Sinn? Und welche passt am besten?", nennt Zumahr ein Beispiel für dieses Umdenken. Ebenso kritisch habe er die Düngung hinterfragt. "Man muss sich von den ganz großen Weizenerträgen verabschieden und überlegen: Was braucht ein Weizen, um 6 bis 7 t Ertrag zu bringen? Die ebenso schlichte wie nachvollziehbare Antwort lautet: Eigentlich nichts, wenn die Bodenfruchtbarkeit stimmt und die Mineralisation passt."

Die Sommergerste nach der Vorfrucht Weizen (Vor-Vorfrucht Raps) wurde nicht gedüngt und einmal gestriegelt. „Wir möchten aus diesem Jahr lernen, indem wir nichts düngen und schauen, was passiert“, so Zumahr.

Die Zukunft im Blick

Mehr Liebe zum Detail und vor allem eine ruhigere Hand empfiehlt Peter Zumahr seinen umstellungswilligen Kollegen auch bei der Vermarktung. "Ganz wichtig ist es, zu überlegen, was man längerfristig nach der Umstellungszeit machen möchte. Dazu ist es enorm wichtig, den Markt genau zu beobachten und nicht mit der Naivität an den Biolandbau heranzugehen, einfach einmal drauf los zu produzieren, man werde seine Erzeugnisse schon los. Die Abnehmer stehen keineswegs Schlange. Man muss bei Biomilch genauso wissen, wo ein Markt für das Produkt ist, wie beim Anbau von Getreide oder Sonderkulturen, wie eben Zwiebeln und Möhren", macht Zumahr deutlich. Um den Ökolandbau gut vorbereitet zu beginnen, sei es sinnvoll, sich auch in Vermarktungsfragen gut beraten zu lassen.

Das unterstreicht auch Stephan Gehrendes, Bioland NRW: "Die Bioverbände vermarkten zwar keine Produkte, beraten aber in Sachen Anbau und Vermarktung. Für alle Verbände gilt gleichermaßen die Empfehlung: Es wird kein Saatgut bestellt, bevor kein Abnahmevertrag besteht. Welche Abnehmer es für die Produkte gibt, muss man auf jeden Fall vorher checken!" Dazu müsse man wissen, dass sich die Strukturen bei den Abnehmern und Verarbeitern im Ökolandbau deutlich vom konventionellen Landbau unterschieden. "Die Ökovermarkter können während der Ernte die Erntemengen aus Getreide und Leguminosen nicht von allen Anbauern einlagern. Es stehen dafür nicht genügend Lagerkapazitäten bei den Vermarktern zur Verfügung. Das bedeutet auch, dass der Ackerbaubetrieb zunächst selber entsprechend viel Lagerkapazität und bei Bedarf auch eine Aufbereitung vorhalten muss."

Der Triticale steht nach Weizen als Vorfrucht. Auf die Fläche wurde vorher Champost gefahren. "Das Stroh geht nach der Ernte in einen Champignonbetrieb – und wir bekommen neue Champignonerde zur Düngung retour“, erläutert Zumahr die Kooperation mit einem Bio-Pilzbetrieb.

Ganz oder gar nicht

Peter Zumahr ist mit seinem Betrieb Mitglied im Bioland-Verband, ebenso seine beiden Kooperationspartner. "Wir wollten keine Teilflächenumstellung, sondern hatten von Anfang an vor, alle Flächen komplett umzustellen. EU-Bio reichte uns dafür nicht. Ich denke, dass ein deutsches Verbandslabel auf Bioprodukten die Glaubhaftigkeit für die Verbraucher deutlich erhöht. Die trauen EU-Bio häufig nicht - ebenso wenig wie wir", bricht der Landwirt eine Lanze für Verbands-Bio. Zu schätzen wüssten seine Kollegen und er, dass die deutschen Bioverbände bei Anbau und Vermarktung beraten und unterstützen. "Die Berater haben einen Blick dafür entwickelt, was geht und was keinen Sinn macht", meint Zumahr, der zusammen mit seinen beiden Partnern eine Richtung für die Zukunft finden möchte, was wie in die Betriebe passt, und dabei die Unterstützung von Kammer und Bioland weiter in Anspruch nehmen möchte.

"Wir suchen noch nach einer Futter-Mist-Kooperation. Dann werden wir sicher Kleegras anbauen. Und wir streben eine sechsgliedrige Fruchtfolge an, eventuell mit Zuckerrüben, Kartoffeln, Feldgemüse, etwas Getreide. Und Ackerbohnen - das ist zumindest so geplant, auch wenn wir dafür zunächst den Absatz planen müssen", fasst Zumahr die nähere Zukunft zusammen, überzeugt davon, dass sich ohnehin alles stetig verändert. Nach dem ersten Jahr Biolandbau könne er jedoch mit Bestimmtheit sagen: "Ich habe dieses Jahr mit Freuden gearbeitet, Bio macht Spaß!"

Dieser Mais wurde am 3. Mai ausgesät, nach Wickroggen als Winterzwischenfrucht. "Wir haben hier bislang zweimal gestriegelt - das war’s. Der Bestand ist sauber", meint Peter Zumahr.


Ökolandbau - eine Perspektive

Thomas Bollig, Wachtberg-Villip

"In unserer Familie steht die Betriebsübergabe kurz bevor. Im Zuge dessen möchten wir den Betrieb auf Bio umstellen - wir sind schon ziemlich weit mit unseren Überlegungen und möchten das bis Ende Juni entscheiden und die restlichen Details abklären. Wir haben Ackerbau, Mastgeflügel und Schweine und vermarkten unsere Produkte direkt ab Hofladen. Der Ackerbau soll noch in diesem Herbst umgestellt werden, die Tierhaltung dann im nächsten Jahr. Wir sind just dabei, einen neuen Schweinestall zu bauen, mit Auslauf und Strohhhaltung, da passt das gut. Da wir sehr kritische Kunden haben, die viel nachfragen und sich eine gläserne Produktion wünschen, sehe ich den Biolandbau in unserem Falle als klaren Pluspunkt und Vorteil für die Direktvermarktung. Und mit Bioschweinen wären wir dann der einzige Betrieb in der Region!"

Jürgen Henschel, Kerpen

"Wir haben einen Ackerbaubetrieb mit unter anderem Kartoffeln, Erbsen, Hybridrapsvermehrung. Bei mir entstand das Interesse am Ökolandbau aus dem Bauchgefühl heraus - nichtsdestotrotz weiß ich, dass ich immer erst eine Risikoanalyse machen würde, bevor ich meinen Betrieb umstelle. Der Biomarkt entwickelt sich zunehmend von einem Käufer- zu einem Verkäufermarkt und es gibt zu viele verschiedene Prognosen, als dass ich mich auf eine Richtung verlassen könnte. Nichtsdestotrotz wäre es schon eine Herausforderung für mich, im Biolandbau einer von den guten zu sein und die kleineren Vermarktungsstrukturen optimal zu nutzen. In jedem Falle würde ich meinen Betrieb anders aufstellen und mich noch mehr auf Gemüsekulturen spezialisieren."

Bernd Lemm aus Bedburg/Erft

"Wir setzen uns seit nunmehr drei Jahren mit dem Gedanken auseinander, unseren Ackerbaubetrieb auf ökologischen Landbau umzustellen. Mich stört am meisten der Einsatz von Chemie in den Ackerkulturen - ich möchte das nicht mehr! Abgesehen davon werden wir bei den chemischen Pflanzenschutzmaßnahmen ohnehin immer mehr eingeschränkt, da stelle ich mich besser früher als später auf andere Maßnahmen ein. Und da wir Möhren und Kartoffeln an Lidl liefern und bei beiden Kulturen schon sehr nah am Bioanbau dran sind, könnte das unsere Vermarktungschancen nochmals sichern. Ich bin dafür, immer mal wieder über den Tellerrand in andere Produktionsweisen zu schauen, das kann nur helfen."

Bernd Lienemann und Ludger Limberg-Hecking, Dorsten

"Wir bewirtschaften Gemischtbetriebe mit Acker- und Gemüsebau, Mastbullen und Schweinen in einer Kooperation. Die Betriebe laufen beide gut. Aber was wird in zehn Jahren sein? Im Kreis Recklinghausen sind die Nährstoff-Überschüsse aus der Veredlung ein Riesenproblem - und wir fragen uns tatsächlich schon länger, ob das alles noch so richtig ist. Aber auch wegen der Gemüsekulturen - unter anderem Spinat - interessieren wir uns für eine Umstellung auf Biolandbau. Da wir Kulturen mit nur geringem Pflanzenschutzeinsatz haben, sind wir schon nah dran; insofern interessiert uns vor allem die Hacktechnik in Gemüse- und anderen Reihenkulturen", so Bernd Lienemann.

"Als schwierig haben wir bislang die Diskrepanz zwischen Ackerbau und Tierhaltung angesehen. Die Tierhaltung wächst in einem immensen Tempo, dazu würde eine dreijährige Umstellungszeit nicht passen. Wir haben uns also entschieden, Bullen und Schweine abzuschaffen und stattdessen Bio-Geflügel zu halten. Und den gesamten Betrieb dann auf einmal umzustellen, nicht häppchenweise erst Teilflächen oder die Tierhaltung im Nachgang. Entweder ganz oder gar nicht", ergänzt Ludger Limberg-Hecking, der auch eine Chance darin sieht, dass es in den Kreisen Recklinghausen und Borken bislang nur wenige Biobetriebe gebe. "Da das Thema hoch komplex ist, haben wir die Umstellungsberatung der Landwirtschaftskammer gerne in Anspruch genommen.  Hilfreich ist es aber auf jeden Fall auch, zu zweit zu sein. Da kann man sich besser austauschen, Synergieeffekte nutzen und gemeinsam besser argumentieren, wenn wir uns mit Kritikern oder Zweiflern an unseren Plänen auseinandersetzen müssen!"

Markus Mandt, Alfter

"Wir bauen Obst und Gemüse in den Hanglagen des Vorgebirges an. Gerade bei der Direktvermarktung wird das Thema „Bio“ immer präsenter, die Kunden - und da vor allem die jüngeren Familien - fragen ständig danach. Dem können wir uns nicht verschließen. Deshalb überlegen wir, den Betrieb umzustellen. Wir halten 1 500 Legehennen - wenn wir umstellen, könnten wir den Mist nutzen und Kreisläufe schließen. Für mich persönlich steht nämlich weniger der chemische Pflanzenschutz, den wir ohnehin kaum einsetzen, sondern eher die Nährstoff-Problematik, also Nitrat im Grundwasser, im Vordergrund. Kohl ist zum Beispiel eine sehr N-intensive Kultur. Deshalb würde ich sehr gerne weg von den mineralischen Stickstoffdüngern.“


Quelle: Meike Siebel, LZ Rheinland 24/2019, 13. Juni 2019

Weitere Informationen


Betriebsspiegel Peter Zumahr

75 ha Ackerfläche
Bodenpunkte: 70 bis 90, Lößlehm

Jahresniederschlagsmenge: 670 mm

Anbau (aktuell in der Umstellung):

  • 13 ha Ackerbohnen
  • 11 ha Silomais
  • 10 ha Triticale
  • 41 ha Winterweizen

Nach der Umstellung ist folgende sechs-
gliedrige Gemüse-Fruchtfolge geplant:

  • Kleegras
  • Zuckerrüben/ Kartoffeln
  • Möhren
  • Zwiebeln
  • Ackerbohnen

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