Am 8. März drehte sich für 22 Landwirte und Landwirtinnen alles um die Frage, ob „Jetzt umstellen auf Ökolandbau - Eine Chance auch für meinen Betrieb?“ bietet. Auch wenn der Umstellertag der Landwirtschaftskammer NRW unter dem genannten Motto zum zweiten Mal nur virtuell stattfinden und sich die Biolandwirte in Spe lediglich via Zoom mit den Beraterinnen und Beratern sowie den Marktpartnern austauschen konnten, zogen die Veranstalter am Ende des Tages ein positives Fazit.
Betriebe, die vor einer langfristigen Weichenstellung stehen, sollten die Optionen des Ökolandbaus prüfen. Dabei stellen sich aber etliche Fragen: Welche Chancen und Risiken sind mit einer Umstellung verbunden? Wie kann die Umstellung konkret bewerkstelligt werden und was gilt es zu beachten? Worin unterscheidet sich die tägliche Praxis von der bisherigen Bewirtschaftung? Welche Abnehmer für Bioprodukte gibt es in NRW? Alle diese Themen standen am 8. März auf der Agenda.
Interessant: Die Hälfte der gut 22 Landwirte, die an der Tagung teilgenommen haben, bewirtschaftet einen Acker- und Gemüsebaubetrieb, weitere wenige einen Obstbau- oder Gemischtbetrieb, die Minderheit der Teilnehmer hat eine Geflügelhaltung auf dem heimischen Hof. Die Anzahl der angemeldeten Schweinebetriebe war sehr überschaubar: Hier gab es eine Anmeldung, ein Milchviehbetrieb war nicht unter den Teilnehmern.
Diese Tendenz spiegelt die Realität recht gut wieder, wie aus dem Begrüßungsvortrag von Dr. Karl Kempkens, Leiter des Referates für ökologischen Land- und Gartenbau bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, deutlich wurde. „Im vergangenen Jahr hat die Landwirtschaftskammer 70 Betriebschecks vorgenommen, sprich, einer ersten Prüfung dahingehend unterzogen, ob der Betrieb umstellungsfähig ist. Das ist mehr als in den unmittelbaren Jahren davor“, empfing er die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Bildschirmen. Dabei liege das Verhältnis der umgestellten Flächen in NRW derzeit bei etwa zwei Dritteln Grünland zu einem Drittel Acker. „Die Tendenz beim Acker in NRW und bundesweit ist aber aktuell deutlich steigend, bundesweit liegen Grünland- und Ackerflächen im Umstellungsanteil nahezu gleichauf.“
Ute Rönnebeck, Demeter, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Bioanbauverbände und lobte das breite Themenspektrum, das auf dem Umstellertag geboten werde. „Es hat sich in den vergangenen Jahren bewährt, den umstellungswilligen Landwirten einen guten Überblick zu bieten. Nicht von ungefähr haben wir kontinuierliche Flächenzuwächse und steigende Umsätze im Biolandbau“, betonte Ute Rönnebeck. Stand 31. Oktober 2021 kommt NRW auf 2 250 Ökobetriebe, 96 000 ha werden ökologisch bewirtschaftet. Ein langer Weg bis zu den politisch gewünschten 20 % bis 2030 - der auch durch das Zutun der Bioverbände geebnet würde, die sich immer wieder neu für die Gestaltung politischer Maßgaben ebenso wie für die auskömmliche finanzielle Ausstattung einsetzen würden. „60 % der nordrhein-westfälischen Biobetriebe sind verbandsgebunden. Je mehr es werden, desto stärker können wir die Interessen der Biolandwirtschaft in NRW vertreten!“, ermunterte Rönnebeck zum Verbandsbeitritt.
Einen Bericht über seine Erfahrungen vor, während und just nach der Umstellung bot Christoph Pott seinen Berufskolleginnen und -kollegen. Der Landwirt aus Hückelhoven hat den historischen Marienhof, einen Familien-Gemischtbetrieb mit 70 ha Acker, 10 ha Grünland und einer Mutterkuhherde, auf dem seit 2010 auch eine 190 kW Bio-Biogasanlage ihre Dienste tut, vor zwei Jahren umgestellt und wirtschaftet seitdem unter dem Bioland-Siegel.
„Warum wollten wir unseren Betrieb umstellen? Die Beweggründe sind ja meistens am interessantesten“, so Christoph Pott, der anfangs die wunderbare Ausgangslage seines Hofes mit arrondierten Flächen im Eigentum und einem eigenen, in Folge der beiden Trockensommer 2018 und 2019 gebauten Beregnungsbrunnen klarstellte. Der Hauptgrund sei die eigene Vermarktung der Tiere gewesen. „Wir hatten schon 2010 einen Strohstall gebaut, der den Anforderungen der Ökorichtlinien entsprach. Jetzt ging es uns darum, die Absetzer nicht in die konventionelle Mast zu geben, sondern selber großzuziehen und das Fleisch zu vermarkten. Warum dann nicht gleich als Bio-Fleisch?“, nannte Pott den wesentlichen Punkt der Tierhaltung, um darauf als zweiten Grund die in seinen Augen viel zu enge Fruchtfolge anzusprechen. „Um ackerbaulich und ertraglich mithalten zu können und wirtschaftlich zu sein, haben wir aus unseren Böden alles rausgeholt. Aber: Enge Fruchtfolgen sind endlich! Also haben wir beschlossen, den Anbau zu verändern. Warum dann nicht gleich das ganze Anbausystem?“ Das habe ihn und seine Frau zu weiteren Gedankenspielen die Nachhaltigkeit und Zukunftssicherung des Betriebes betreffend veranlasst. „Die beiden Dürresommer haben uns gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann. Wir wollten es anders, besser machen - auch für unsere drei Kinder. Und wir wollten den Betrieb von innen heraus wachsen lassen, denn flächenmäßig war und ist in unserer Region nichts mehr zu holen.“
Wichtig waren die Abwägung der Stärken und Schwächen des Betriebs. „Diese Überlegungen sollte man in jedem Fall einer Umstellung voranstellen, um herauszufinden, was einen die Umstellung kosten wird, an Nerven, Kraft, aber natürlich auch an Geld!“, empfahl Christoph Pott. Eine gute Betriebsstruktur, moderne, artgerechte Ställe, die Beregnung und ein umfangreicher Maschinenpark sowie die Verfügbarkeit organischer Dünger durch die Viehhaltung seien in seinem Fall eindeutig eine gute Grundlage gewesen. „Der echte Knackpunkt war - und ist es bis heute - die Biogasanlage, da die Substratkosten für eine Ökogasanlage steigen und die Substratbeschaffung schwieriger werden, da die Anlage mit mindestens 60 % Bio-Input gefüttert werden muss“, nannte Pott die größte Herausforderung.
Nachdem die Entscheidung für die Umstellung gefallen war, haben Christoph Pott und seine Familie die Beratung der Landwirtschaftskammer hinzugezogen und sich parallel dazu von den Ökoanbauverbänden beraten lassen. „Durch die Augen Dritter lässt sich der Ist-Zustand viel klarer herausarbeiten; dann kann man eindeutiger formulieren, wohin man will und auf welchem Wege das erreicht werden soll.“ Elementar für die eigene Entscheidungsfindung sei auch der Besuch von anderen, schon bestehenden Biobetrieben gewesen. Da habe er direkt fragen können, wie andere die Umstellung angegangen sind und woran es gehakt hat. „Diese persönlichen, engen Kontakte zu den Berufskollegen sind bis heute wertvoll und werden weiter gepflegt!"
Einen sehr wichtigen Rat hatte Christoph Pott am Ende noch: „Wer die Ackerflächen umstellen möchte, sollte nicht bis zum letztmöglichen Termin am konventionellen Anbau kleben. Lieber die Fungizidbehandlung im Weizen sausen lassen und nicht mehr noch den höchsten Ertrag im letzten konventionellen Jahr mitnehmen, sondern schon früher auf Maßnahmen verzichten. Dann lassen sich die Flächen deutlich schneller und unproblematischer umstellen.“ In jedem Fall mache es ihm großen Spaß, seine Bewirtschaftung neu anzupacken und vieles anders zu machen. „Ich frage mich heute: Warum haben wir das erst jetzt und nicht schon vor zehn Jahren angepackt“, schloss der frisch gebackene Biolandwirt.
Georg Pohl, der sowohl die Biobetriebe als auch diejenigen konventionellen, die eine Umstellung planen, betriebswirtschaftlich bei der Landwirtschaftskammer NRW berät, fasste kurz und knapp die Anhaltspunkte zusammen, die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter unbedingt im Vorhinein in ihre Umstellungsüberlegungen mit einbeziehen oder diesen am besten voranstellen sollten. „Umstellen ohne Plan geht nicht. Und umstellen ohne Liquidität übrigens auch nicht“, so die einführenden Worte des Beraters. „Wer erfolgreich umstellen möchte, braucht als erstes einen Marktpartner, den er oder sie unbedingt vorher kontaktieren sollte, um die Produktion beziehungsweise die Abnahme der Erzeugnisse abzusprechen“, betonte Pohl einen elementaren Schritt. Den (weiteren) Umstellungsfahrplan solle man am besten zusammen mit der Beratung absprechen. Außerdem sei es vorteilhaft, eine Kontrollstelle zu haben und - idealerweise - die Ökoförderung in Anspruch nehmen. „Last but not least erweist es sich immer wieder neu als vorteilhaft, Mitglied in einem der NRW-Ökoverbände zu werden“, zählte Georg Pohl weiter auf.
Die Chancen für eine Umstellung stünden derzeit recht gut, so Pohl. „Der Ökomarkt ist ganz allgemein ein Wachstumsmarkt und das Image der Produkte bei den Konsumenten hoch, unterstützt durch politische Imageförderung nach dem Motto „Alle wollen Öko!“. Daher sucht der Handel nach regionaler (Öko-)Ware und bevorzugt sie in der Regel auch bei entsprechender Qualität“, machte Pohl Mut. Die Marktpartner für Bioerzeugnisse hätten allermeistens ein großes Interesse an einer langfristigen, vertrauensvollen Zusammenarbeit und würden in der Regel höhere Erzeugerpreise zahlen.
Natürlich sei eine Umstellung aber auch mit Risiken behaftet. So seien zum Beispiel das Ertragsrisiko höher und die Erträge zumeist deutlich geringer als im konventionellen Landbau. Auch die Qualitätsrisiken können steigen. „Wir sehen zurzeit auch noch eine verbesserungswürdige Verwertung der ackerbaulich notwendigen und sinnvollen Leguminosen - hier bewegt sich aber gerade sehr viel zum Positiven!“, meinte Pohl.
Auch im Ökomarkt seien die Preise zum Teil recht volatil und da der Markt vergleichsweise klein sei, könnten größere Veränderungen erhebliche Auswirkungen auf die Erzeugerpreise haben. „Letzten Endes kommt es auf jeden oder jede einzelne und ganz betriebsindividuell darauf an, ob und wie sich die Umstellung erfolgreich gestalten lässt“, schloss der Berater.
Den ganzen Vortrag von Rachel Fischer über die Ökomdellregionen finden Sie hier.
Mit den Vertretern fünf verschiedener Marktpartner gaben diese Unternehmen Einblicke in ihre Verarbeitungs-, Bündler- und Vermarktungskonzepte, die sie für Ökolandwirte und solche, die es werden möchten, interessant machen könnten. Allen gemein war die Aussage, dass der Ökolandbau an sich Zukunft hat, wächst und der Biomarkt Perspektiven biete. Welche Erzeugnisse mittel- und längerfristig gefragt sind und wie sich der Markt entwickelt, sei nicht ganz klar vorhersehbar, dennoch seien neue Erzeuger grundsätzlich sehr willkommen, vor allem regionale Bioprodukte würden gesucht. Diese Unternehmen stellten sich vor:
Alle potenziellen Marktpartner für Bio-Landwirte in NRW werden in Einzelportraits hier ausführlich vorgestellt.
Am Ende des Umstellertages fasste Dr. Karl Kempkens noch einmal zusammen, welche Schritte in welcher Reihenfolge für eine erfolgreiche Umstellung zu gehen seien. „Ich kann in jedem Fall empfehlen, die Beratung der Landwirtschaftskammer und der Anbauverbände zu nutzen und früh schon persönliche Kontakte zu anderen Biolandwirten und Beraterinnen, Beratern und Marktpartner zu knüpfen, so, wie es Christoph Pott gemacht hat. Mit dieser Draufsicht von außen und Einsicht in eventuell vergleichbare Betriebsstrukturen ist jeder und jede bestens beraten“, machte Kempkens den Umstellungsinteressierten Mut, die ersten Schritte zu wagen.
Meike Siebel,
Landwirtschaftskammer NRW
Wer mehr zur Umstellung auf den ökologischen Landbau wissen möchte und Kontakte zu den jeweiligen Beraterinnen und Beratern bei der Landwirtschaftskammer NRW sowie bei den vier in NRW aktiven Bioverbänden sucht, kann sich im Ökoportal umschauen: Unter Ökolandbau NRW: Beratung finden sich die entsprechenden Kategorien und Kontaktadressen. Die Marktpartner finden Sie in der Kategorie Markt/Marktpartner. Die einfachste Möglichkeit, zumindest schon einmal auf dem Laufenden zu bleiben, was sich in NRW „ökologisch“ tut, ist der Bezug des Newsletters, hier zu bestellen.