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Viehloser Ökolandbau: Wie wirtschaftlich ist das?

05.09.2022

Die Flächenentwicklung des Ökolandbaus war in den letzten Jahren durchweg positiv. Die Ursachen dafür waren vielfältig. Unter anderem trugen die gesellschaftlichen Erwartungen, politische Anreize, klimatische Herausforderungen und ackerbauliche Probleme durch Resistenzen, Auflagen und Wirkstoffverluste dazu bei.

Vor allem zwischen 2016 und 2019 stellten viele Betriebe auf eine ökologische Bewirtschaftung um. Im Jahr 2020 wurde 10,3 % der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet. Die Vorzüglichkeit des Ökolandbaus beschränkt sich dabei längst nicht mehr nur auf Grünland- und Extensivstandorte. Auch in typischen Ackerbauregionen stellt sich immer häufiger die Frage, ob Ökolandbau eine (ökonomisch) interessante Alternative sein kann. Vor diesem Hintergrund wurde am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft im Rahmen einer Masterarbeit die Rentabilität einer Umstellung reiner Ackerbaubetriebe an Hochertragsstandorten untersucht. Die wesentlichen Schlussfolgerungen werden nachfolgend mit Blick auf die Praxis wiedergegeben.

Standortspezifisches Ertragspotenzial

Dass durch eine Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft in Mitteleuropa ein Ertragsrückgang eintritt, ist kein Geheimnis. Wissenschaftliche belastbare Untersuchungen dazu sind aufgrund der starken Standortabhängigkeit leider selten. Folgende Grundsätze haben allerdings Bestand:

  • Auf ertragsschwachen Sand-Standorten fällt der Ertragsrückgang durch eine Umstellung auf ökologische Landbewirtschaftung geringer aus, da Produktionsverfahren bereits konventionell eher extensiv sind.
  • Auf niederschlagsarmen Standorten gilt häufig die Wasserverfügbarkeit als ertragslimitierend, seltener dagegen ein knappes Nährstoffangebot, Krankheiten und Schädlinge. Dadurch sind in Trockengebieten die Ertragsrückgänge vergleichsweise gering.
  • Kühle, niederschlagsreiche (Küsten‑) Regionen sind im Ökolandbau - verglichen mit konventionellen Ackerbaubetrieben - ertragsschwächer. Eine mögliche N-Verlagerung im Winter, die späte Stickstoffverfügbarkeit im Frühjahr und eine notwendigerweise frühe Herbstbestellung erschweren die ökologische Produktion. Mittels Mineraldünger und chemischem Pflanzenschutz können genannte Nachteile kompensiert werden.
  • Auf tiefgründigen, fruchtbaren Böden sind die Erträge im Ökolandbau vorrangig durch das Nährstoffangebot begrenzt. Mit einer angemessenen Zufuhr lassen sich auch im ökologischen Anbau vergleichsweise hohe Erträge generieren.

Aufgrund dieser Unterschiede sind standortangepasste Bewirtschaftungsformen und Fruchtfolgen notwendig, um erfolgreich ökologisch zu wirtschaften. Ertragsdefizite können im Getreideanbau zwischen 20 und 60 % liegen, wobei ertragsstarke konventionelle Standorte nicht zwangsläufig durch besonders große Ertragsrückgänge auffallen müssen. Auch liegen Ertragsrückgänge bei Sommerungen, wie Kartoffeln, Zuckerrüben, Ackerbohnen oder Körnermais, in der Regel deutlich unter 50 % gegenüber dem konventionellen Anbau. In Hinblick auf das Ertragsniveau der Gesamtfruchtfolge ist zu berücksichtigen, dass häufig zwischen 10 und 20 % der Fläche für den Kleegrasanbau aus der Produktion fallen.

 


Stabilere Absatzpreise

In den letzten Jahren wurden die Ertragsrückgänge in der Regel durch das höhere Preisniveau mehr als ausgeglichen. Sowohl Buchführungsergebnisse von Ackerbaubetrieben aus dem Testbetriebsnetz des BMEL als auch Veröffentlichungen der AMI wiesen zwischen 2015 und 2020 Preisaufschläge von 110 bis 150 % für Öko-Getreide und Öko-Ackerbohnen gegenüber konventioneller Ware aus. Für Kartoffeln betrugen die Preisaufschläge 130 bis 210 %.

Weiterhin ist den Preisnotierungen zu entnehmen, dass die Preisschwankungen für die meisten ökologischen Erzeugnisse niedriger waren als die vergleichbarer konventioneller Erzeugnisse. Eine Ausnahme bildeten Öko-Kartoffeln. Diese unterlagen größeren Preisschwankungen als konventionelle Ware. Betriebsübergreifende Vergleiche der Absatzpreise deuten darauf hin, dass die Preise zwischen den Ökobetrieben stärker variieren. Zurückzuführen ist dies auf einen regionaleren Markt, individuelle Handelspartner und höhere Erzeugerpreise bei einer Verbandszugehörigkeit.

Die geringere Abhängigkeit vom Weltmarkt begrenzt gleichzeitig die Kapazität des Öko-Marktes. Zusammen mit einer risikoreicheren Produktion wird daher trotz der insgesamt stabileren Preise empfohlen, sich über eine breite Fruchtfolge abzusichern.

Notwendige Anpassungen der Fruchtfolge

In der Tabelle wird am Beispiel eines typischen Ackerbaubetriebs dargestellt, wie die Fruchtfolge nach einer Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung umgesetzt werden könnte. Der modellierte konventionelle Betrieb mit 150 ha Ackerland zeichnet sich durch Zuckerrüben- und Rapsanbau aus. Der Getreideanteil beträgt 60 % der Fruchtfolge.

Der daraus abgeleitete Bio-Betrieb hat den Anspruch, der Produktionsintensität des konventionellen Betriebs zu entsprechen. Anpassungen in der Fruchtfolge sind dennoch notwendig. Der Ökobetrieb hebt sich durch den Anbau von Leguminosen vom konventionellen Vergleichsbetrieb ab. Kleegras, Ackerbohnen sowie Zuckerrüben tragen zu einer vielfältigen und gesunden Fruchtfolge mit nur 50 % Getreideanteil bei. Die der Kalkulation zugrundeliegenden Ertragsannahmen sind ebenfalls in der Tabelle dargestellt. Sie beruhen auf statistischen Erhebungen und wurden mit Landwirten abgestimmt. Sowohl die Fruchtfolge als auch die Erträge repräsentieren Betriebe im Raum Südniedersachsen.


Kostenstruktur und Rentabilität

Im Mittel der Fruchtfolge sind die Direktkosten im Ökolandbau etwa 150 €/ha geringer als im konventionellen Landbau. Ein häufigerer Zwischenfruchtanbau, höhere Aussaatmengen und höhere Saatgutpreise im Ökolandbau führen zwar zu rund 100 €/ha höheren Saatgutkosten der Ökobetriebe. Dem stehen jedoch Einsparungen beim Pflanzenschutz von 200 €/ha gegenüber. Das niedrigere Ertragsniveau sowie eine teilweise Kreislaufwirtschaft führen gleichzeitig zu geringeren Düngemittelkosten.

Die sonstigen variablen Kosten des Ökobetriebs sind mit knapp 690 €/ha mehr als doppelt so hoch wie im konventionellen Betrieb. Ursachen dafür sind ein höherer Dieselverbrauch durch einen intensiveren Maschineneinsatz einerseits und die Handhackstunden in den Zuckerrüben andererseits. Der höhere Maschineneinsatz zur vorbeugenden und mechanischen Unkrautregulierung im Ökobetrieb führt weiterhin zu höheren fixen Kosten als der chemische Ansatz im konventionellen Betrieb. Besonders die vergleichsweise aufwändige mechanische Unkrautregulierung in den Hackkulturen Ackerbohnen und Zuckerrüben erweist sich als eine maßgebliche Ursache für rund 80 €/ha höhere fixe Kosten.

Zusätzlich steigt der Managementaufwand beispielsweise für häufigere Bestandsbonituren sowie die Vermarktung und Dokumentation an. Üblicherweise wird eine Zunahme der hierfür benötigten Arbeitszeit um 40 % angenommen. Unter Berücksichtigung einer geringfügig höheren Feldarbeitszeit im Ökolandbau sind die Kosten für die Betriebsführung und Festangestellte im Ökolandbau mit knapp 190 €/ha um 46 % höher.

In Summe steigen die Kosten durch die Umstellung auf Ökolandbau in dem betrachteten Modellbetrieb um etwa 340 €/ha. Im Mittel des Zeitraums 2014 bis 2020 konnte dieser Kostenanstieg trotz des geringeren Ertragsniveaus durch eine 290 €/ha höhere Marktleistung im Mittel der Fruchtfolge sowie der Ökoprämie von 273 €/ha mehr als kompensiert werden. Somit belief sich der Vorteil für den ökologisch bewirtschafteten Betrieb bei der Direkt- und arbeitserledigungskostenfreien Leistung (DAKfL) auf 223 €/ha im Mittel der Fruchtfolge.

In der Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um dieses Ergebnis zu erreichen. Dazu zählt beispielsweise, dass eigene Lagerkapazitäten im Ökolandbau essenziell sind, da die Erfasser nur bedingt über Lagerraum verfügen. Auch müssen die Betriebe finanziell in der Lage sein, Mindererträge, ein niedriges Preisniveau und Lernkosten während der Umstellung aufzufangen sowie Investitionen zu tätigen. Gelten auch diese Voraussetzungen als erfüllt, kann der Ökolandbau auch in ertragsstarken Regionen eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Alternative sein.

Zur Einordnung des Ergebnisses ist weiterhin von Bedeutung, dass die DAKfL des Ökolandbaus auf dem Hochertragsstandort auf das Niveau des konventionellen Landbaus absinkt, wenn die Marktleistung um 10 % abfällt. Auslöser kann sowohl ein höheres Ertragsausfallrisiko als auch ein Überangebot bestimmter Rohwaren sein. Derartige Risiken können folglich nur zum Teil durch die Ökoprämie abgesichert werden.


Ökoprämien einbeziehen

Die grundsätzlich positiven Ergebnisse des Ökolandbaus in der Vergangenheit decken sich mit den Buchführungsergebnissen aus Ackerbaubetrieben des Testbetriebsnetzes des BMEL, wie aus der Grafik 1 zu sehen. In dieser wird ersichtlich, dass die Einkommen je AK im ökologischen Landbau zuletzt nahezu 15 000 €/AK über den Einkommen konventioneller Ackerbaubetriebe lagen. In der Abbildung ist ebenfalls die Bedeutung der Ökoprämie für die Einkommen ersichtlich. Seit dem WJ 2016/17 erreichten ökologisch bewirtschaftete Marktfruchtbaubetriebe allerdings bereits ohne Ökoprämie das Einkommen vergleichbarer konventioneller Betriebe. Demnach sind andere Standorte für den Ökolandbau nochmals vorzüglicher als der im Modell beschriebene Hochertragsstandort.


Schwankende Agrarmärkte

Aufgrund des Krieges in der Ukraine sind die Agrarmärkte zurzeit von starken Unsicherheiten geprägt. Prognosen zur Preisentwicklung über die neue Ernte hinaus lassen sich kaum treffen. Dennoch wird nachfolgend in einer Szenarioanalyse abgeschätzt, inwiefern sich eine mittelfristige Stabilisierung der Marktpreise in der derzeitigen Höhe auf die Wirtschaftlichkeit der beschriebenen Marktfruchtbaubetriebe auswirken würde. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Ergebnisse nur bedingt auf die Praxis zu übertragen sind, da sich eine Mehrzahl der konventionellen Betriebe bereits zu deutlich früheren Zeitpunkten über erste Kontrakte abgesichert hat. Außerdem gilt sowohl für konventionelle als auch für ökologische Waren, dass hinter den aktuell erhobenen Preisen nur geringe gehandelte Mengen stehen.

Für konventionelles Getreide haben sich die aktuell gebotenen Preise gegenüber dem mehrjährigen Mittel von 17 €/dt verdoppelt. Die Rapspreise sind von 38 €/dt auf zurzeit 83 €/dt angestiegen. Damit verdoppelt sich auch die Marktleistung des konventionellen Modellbetriebs annähernd, ausgebremst durch vergleichsweise unattraktive Zuckerrübenpreise, deren Anpassung nicht auszuschließen ist. Die Verdopplung des Dieselpreises, der P- und K-Preise sowie die Vervierfachung der Harnstoffkosten stehen den angestiegenen Getreidepreisen gegenüber und führen zu einem deutlichen Anstieg der Direktkosten, siehe dazu die Grafik 2.

Für Ökobetriebe steigen die Direktkosten durch zunehmende (Transport‑) Kosten für Düngemittel an, teils resultiert ein Preisanstieg auch aus einer zunehmenden Konkurrenz um organische Düngemittel mit konventionellen Betrieben. Parallel dazu sind die Absatzpreise einer aktuellen Erhebung zufolge für Getreide bisher nur um etwa ein Drittel angestiegen. Kontrakte für die neue Ernte werden bisher kaum angeboten. Zusammen mit einem geringeren Hebel der ansteigenden Erzeugerpreise durch ein niedrigeres Ertragsniveau ist der Zuwachs der Marktleistung im Ökobetrieb deutlich geringer.

Das aktuelle Erzeugerpreisniveau macht den konventionellen Landbau derzeit sehr attraktiv, es kann bisher jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die aktuelle Marktsituation längerfristig auf diesem Niveau stabilisiert. Derzeit würde die DAKfL eines konventionellen Marktfruchtbaubetriebes etwa 230 €/ha über einem vergleichbaren Öko-Betrieb liegen. Dass dieser Effekt in der Praxis aufgrund von Vorkontrakten deutlich geringer ist, wurde bereits festgestellt. Ist eine Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung aus den eingangs genannten Gründen ins Auge gefasst, bietet sich auch in der derzeitigen Situation eine Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung an. Sofern Liquiditätsengpässe eine Umstellung bisher verhindert haben, können folgende Sachverhalte die Liquidität und Planbarkeit während der zweijährigen Umstellungsphase positiv beeinflussen:

  • Die hohen konventionellen Preise stützen die Preise für Umstellungsware
  • Eine hohe Nachfrage nach heimischem Getreide und Körnerleguminosen, auch aus Umstellungsbetrieben. Das Angebot ist durch den Rückgang ukrainischer Exporte nochmals knapper.
  • Einsparungen bei den aktuell teuren Düngemitteln.

Dr. Thomas de Witte und Marcel Dehler, Thünen-Institut für Betriebswirtschaft

Julius Heise, Beratung Naturland

 

Weitere Informationen

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Umstellung auf Ökolandbau auch an Hochertragsstandorten in den letzten Jahren sehr rentabel war. Momentan zeigt sich, dass konventionelle Ackerbaubetriebe auf Hochertragsstandorten vom hohen Ertragsniveau und aktuell hohen Absatzpreisen stärker profitieren. Ökobetriebe sind hingegen durch eine geringere Abhängigkeit von zugekauften Nährstoffen weniger stark vom Anstieg der Düngemittelpreise betroffen. Der regionale Absatz der Erzeugnisse bedingt jedoch gleichzeitig, dass die momentane Preisspitze, ausgelöst durch Unruhen auf dem Weltmarkt, auf den Ökobetrieben derzeit noch nicht ankommt. Vor dem Hintergrund, dass für eine Umstellung eine Vielzahl betriebsspezifischer Merkmale zu berücksichtigen sind, sollten die Ökoverbände und Landesbehörden als Ansprechpartner eingebunden werden, um individuelle Strategien zu erarbeiten.

 

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