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“Systemwechsel einleiten/ Bio zum Umbau der Tierhaltung nutzen“

04.09.2020

Bund und Länder müssen jetzt Ergebnisse der Borchert-Kommission umsetzen

"Das freiwillige Label zur Tierhaltung, das Bundesministerin Klöckner vorschlägt, löst die Herausforderungen der Nutztierhaltung in Deutschland nicht. Wenn sich Julia Klöckner jetzt auf ein Label konzentriert, zäumt sie das Pferd von hinten auf. Die verantwortliche Bundesministerin konterkariert damit, was die Borchert-Kommission und der wissenschaftliche Beirat ihrem Haus empfehlen. Nämlich die wesentliche Frage danach, wie der Systemwechsel gelingt", kommentiert Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) die Sonderagrarministerkonferenz von Bund und Ländern zur Tierhaltung. Denn nur, wenn grundsätzlich umgebaut würde, könne ein Riegel vor die Nitrat-Überlastung im Grundwasser oder Schlachthofprobleme geschoben, Tiere artgerecht gehalten und Tierhaltern eine nachhaltige Perspektive gegeben werden.

Die Ergebnisse der Borchert-Kommission zeigen: Umbau kostet, eine enkeltaugliche Tierhaltung will finanziert sein. "Warum tut Klöckner jetzt nicht als erstes alles, um die Empfehlungen der eigenen Berater umzusetzen?", fragt der BÖLW-Vorsitzende. "Die Zeit eilt, die Tierhalter können nicht länger warten und brauchen einen Fahrplan für ihre Zukunft."

"Klöckner lässt die Landwirtschaft mit ihrem Vorgehen weiterhin in der Schusslinie einer Diskussion, die Bäuerinnen und Bauern so dringend hinter sich lassen wollen", gibt der BÖLW-Vorsitzende zu bedenken. "Bund und Länder müssen jetzt die Ergebnisse der Borchert-Kommission in einen Plan fassen, den das Parlament noch in dieser Legislaturperiode beschließen kann." Erst dann wird unter all den Instrumenten, die zu seiner Umsetzung erforderlich sind, auch eine Kennzeichnung gebraucht. Aber eine, die für alle Marktteilnehmer verpflichtend ist und die auch Bio als eigene Qualitätsstufe einschließt.

Löwenstein: "Öko muss beim Umbau der Tierhaltung eine führende Rolle spielen. Denn Bio schlägt dank höchster Standards gleich viele Fliegen mit einer Klappe. Das Tierwohl wird verpflichtend angehoben. Es kommen nur so viele Tiere auf die Fläche, wie Boden und Wasser vertragen. Weil die Kunden wissen, was sie mit Bio an Qualität bekommen, sind sie auch bereit, mehr Geld auszugeben. Und weil Bio-Fleisch, -Milch oder -Eier mehr kosten, konsumieren Öko-Kunden im Schnitt auch weniger tierische Produkte, was wiederum Gesundheit und Klima guttut."

Was die Kennzeichnung von Fleisch angeht: Was Klöckner jetzt vorlegt, entspricht in der untersten Stufe noch nicht einmal dem gesetzlichen Standard. Und ist für Öko, und damit den höchsten gesetzlichen Standard der Tierhaltung, besonders kritisch. Laut Klöckners Labelvorschlag soll Bio keine eigene Stufe haben. Also nicht so, wie das bei der Eierkennzeichnung angelegt und von den Verbrauchern gelernt ist. Löwenstein: "Öko-Fleisch mit der jetzt höchsten Stufe der konventionellen Produktion in einen Topf zu werfen, bedeutet nicht Tierwohl, sondern Wettbewerbsverzerrung." Weil Bio-Tierhalter zusätzlich zu ihren höheren Haltungs-Anforderungen ja noch Bio-Futtermittel einsetzen und damit höhere Kosten haben. "Die weite Kritik am Tierwohllabel ignoriert die Ministerin nach wie vor. Und gefährdet damit ausgerechnet die Betriebe, die es schon in der Breite besser machen mit der Tierhaltung und denen es bereits gelungen ist, für ihre Produkte einen eigenen Markt aufzubauen", kritisiert Felix Löwenstein.

Bio-Schweine haben 50 % mehr Platz im Stall, bekommen Bio-Futter und die Ferkel trinken länger Muttermilch als es die höchste Stufe des Klöckner-Labels vorsieht. Vor allem aber schützen Bio-Bauern mit der Bio-Futterproduktion, die ohne Pestizide auskommt, auch Wildtiere wie Insekten, Feldhamster und Rebhuhn!

Hintergrund zum Tierwohllabel

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat einen Entwurf für ein "Tierwohllabel" vorgelegt. Der BÖLW ordnet ein:

  • Fast alle Punkte des Labels, die sich auf Schlachtung und Transport beziehen, konkretisieren lediglich die Umsetzung des bestehenden gesetzlichen Mindeststandards, werden vom BMEL aber als Fortschritt gepriesen.
  • Mit dem Labelsystem wird nur für einen Bruchteil des Fleisches erfasst. Fleisch, das nach dem gesetzlichen Mindeststandard produziert wird, erfasst das System nicht - obwohl es das Gros der Produkte in den Läden ausmacht.
  • Es ist nicht vorgesehen, bessere gesetzliche Mindeststandards für die Tierhaltung zu schaffen. Die erste Stufe des Labels bringt kaum Verbesserungen in der Schweinehaltung. Sie garantiert noch nicht einmal die Einhaltung der gesetzlicher EU-Vorgaben, die seit zehn Jahren bestehen: Das Schwänzekupieren soll weitere drei Jahre möglich sein. Auch das Abschleifen der Eckzähne soll erlaubt bleiben. Die erste Stufe, die staatlich zertifiziert werden soll, erlaubt nicht ein Mindestmaß an artgerechter Haltung. Da in den Ställen Aktivitäts-, Liege- und Kotbereiche nicht aufgeteilt werden können – der Bereich ist schlichtweg zu eng. Die Sauenhaltung wird überhaupt nicht erfasst.
  • Bio wird diskriminiert, Öko-Fleisch bleibt außen vor. Das führt zu Verwirrung bei den Verbrauchern. Die Forderung der Bio-Branche und aller Landesagrarminister, die höchste Stufe der staatlichen Kennzeichnung exklusiv für Öko-Fleisch vorzusehen, wurde ignoriert – obwohl das aufgrund der einzigartigen Qualität notwendig ist und auch so gelernt bei der Eierkennzeichnung. Über 20.000 Bio-Tierhalter, die bereits die mit Abstand höchsten Standards der artgerechten Tierhaltung praktizieren, können in diesem Kennzeichnungssystem nicht sichtbar gemacht werden. Die Anforderungen des Ökolandbaus liegen insbesondere beim Platz im Stall und Auslauf deutlich über den Kriterien der dritten und damit höchsten, konventionellen Stufe. Bio Schweine haben 50 % mehr Platz im Stall, Ferkel bleiben länger bei der Sau, der Futterbau sorgt für Artenvielfalt auf dem Acker und die Flächenbindung bei Bio für sauberes Grundwasser.
  • Auch nicht vorgesehen: Regelungen für weniger Antibiotikaeinsatz, um gefährliche Resistenzen zu vermeiden.
  • Vorgesehen ist nicht, die Tierhaltung an die Fläche zu binden. Damit werden weiter zu viele Tiere auf zu wenig Fläche gehalten, es gelangt weiterhin zu viel Nitrat ins Grundwasser. 
  • Weithin wird in großem Umfang Futter für die Tiere aus Südamerika importiert werden müssen, was Umweltschäden verursacht. Für den herkömmlichen Futteranbau hier und anderswo werden weiterhin in hohem Umfang Pestizide eingesetzt.
  • Was die Kundinnen und Kunden mit 0-1-2-3 beim Ei gelernt haben, muss jetzt auf ein Label für Fleisch übertragen werden. Auf jeder Fleischpackung muss zu erkennen sein, wie das Tier gehalten wurde, vom Mindeststandard bis zu Bio: "3" gesetzlicher Mindeststandard, "2" Stroh und mehr Platz im Stall, "1" zusätzlicher Auslauf und "0" Bio als Premiumstufe und höchster gesetzlicher Standard der Tierhaltung.

Quelle: Pressemitteilung Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW), Berlin, 27. August 2020

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