Die Anlage und Pflege einer Hecke oder die Einrichtung von blühenden Streifen entlang von Äckern – für den Schutz der Biodiversität ist ein ganzes Maßnahmenpuzzle notwendig, für das Landwirtinnen und Landwirte heute häufig noch keine ausreichende finanzielle Gegenleistung erhalten. Wie solche sogenannten Ökosystemleistungen entlohnt werden können, schlägt ein Forschungsteam aus Öko-Institut, FiBL Deutschland und dem Bioland e.V. zum Ende der Grünen Woche vor.
Analog zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) sollen Mehrkosten der landwirtschaftlichen Betriebe für Biodiversitätsmaßnahmen über ein Umlagesystem vergütet werden. Damit werden Kosten für Fördermaßnahmen auf Produkteinheiten der landwirtschaftlichen Rohwaren Getreide, Milch, Fleisch, Ölfrüchte, Zuckerrüben und Kartoffeln heruntergebrochen. Molkereien, Schlachthöfe oder Mühlen müssen als "Aufnehmende Hand" die entsprechende Umlage entrichten.
Wie genau der Wert für die Biodiversitätsmaßnahmen ermittelt und wie er rechtssicher auf die Erstabnehmer der landwirtschaftlichen Rohwaren verteilt werden kann, untersuchen die Projektpartner noch bis Mitte 2024.
Erste Betrachtungen am Beispiel mehrjähriger Blühstreifen zeigen, dass eine solche Biodiversitäts-Umlage bei den Endkundinnen und -kunden nur zu einem kleinen Aufschlag auf die verkauften Lebensmittel führt. In der Summe kann der Preisaufschlag jedoch große Finanzströme in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft mobilisieren. So erhielten landwirtschaftliche Betriebe im Jahr 2020 aus dem Verkauf von 1 kg Mischbrot rund 22 Cent – das macht knapp 10 % des Preises aus, den Verbraucherinnen und Verbraucher an der Theke zur selben Zeit zahlten. Würden auf 10 % der landwirtschaftlichen Fläche Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz durchgeführt und die so entstehenden Kosten über eine entsprechende Umlage erhoben, kämen etwa 1 bis 2 Cent Zusatzkosten auf die Endverbraucher und Endverbraucherinnen zu.
"Die Landwirtschaft sichert mit vielseitigen Produkten unser Überleben und prägt etwa die Hälfte unserer Landesfläche", erläutert Kirsten Wiegmann, Expertin für nachhaltige Landwirtschaft und Projektleiterin am Öko-Institut. "Mit einem solchen Biodiversitäts-Mechanismus entstünde ein Geldfluss, mit dem Ökosystemleistungen nachhaltig finanziert werden können."
Welche Maßnahmen zur Biodiversitätsförderung in welcher Region wie gefördert werden können, bleibt Forschungsgegenstand im noch laufenden Projekt. Dafür wird das Projektteam in zwei Beispielgebieten in Niedersachsen und Bayern auf Landkreisebene eine Bestandsaufnahme der aktuell umgesetzten Biodiversitätsmaßnahmen durchführen. Darauf aufbauend, leiten sie auf Basis von regionalen Zielen für die Biodiversität den zusätzlich nötigen Maßnahmenbedarf ab, kalkulieren deren reale Kosten und erarbeiten Möglichkeiten der Umsetzung.
"Mit unserem Projekt "Blaupause für die Landwirtschaft" haben wir die Möglichkeit, einen neuen und innovativen Ansatz zur Honorierung von Biodiversitätsmaßnahmen und Ökosystemleistungen durch die Landwirtschaft zu entwickeln", sagt Axel Wirz vom FiBL Deutschland. Auch die Umsetzung der Maßnahmen zum Artenschutz und die möglichst unbürokratische Auszahlung der Umlage an die landwirtschaftlichen Betriebe wird im Projektverlauf weiter mit Praxispartnerinnen und -partnern diskutiert. "Umweltschutz in der Landwirtschaft muss sich lohnen, dazu gehört auch, die administrativen und finanziellen Hürden abzubauen!", betont Sigrid Griese von Bioland. Mit der vorgestellten Umlage wierde Biodiversitätsschutz attraktiver.
Quelle: FibL
Das Projekt "Blaupause für die Landwirtschaft" ist Teil der "Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt", die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.