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Mehr Biodiversität wagen

21.07.2022

Wie kann die Landwirtschaft nachhaltiger werden und gleichzeitig eine wachsende Weltgemeinschaft ernähren? Ein „Weiter so“ kann nicht die Lösung sein. Abhilfe könnte eine erhöhte Biodiversität auf dem Feld schaffen, wie immer mehr Studien zum Thema aufzeigen.

In einem Review haben Forscherinnen und Forscher die bisherigen Erkenntnisse zusammengefasst und daraus Vorschläge für die landwirtschaftliche Praxis entwickelt.

Monokulturen als Sackgasse

Der Ackerbau der modernen Landwirtschaft ist größtenteils geprägt von kurzlebigen Monokulturen. Das hat aus ökologischer Sicht große Nachteile: Zum einen sind Monokulturen eine künstlich geschaffene Pflanzengemeinschaft aus einer einzigen Art bzw. Sorte, die nur bestehen kann, weil sie vom Menschen mit zusätzlichen Nährstoffen versorgt und mit Pflanzenschutzmittel vor Schädlinge geschützt wird. Diese Monokulturen zielen auf kurzzeitig erhöhte Ernteerträge, doch negative Umwelteffekte akkumulieren sich. Hohe Düngegaben führen langfristig zur Eutrophierung von Ökosystemen, Pflanzenschutzmittel reichern sich in Böden und Nahrungsketten an und treffen viele Nicht-Zielorganismen. Das wiederum führt zu weiteren Artenverlusten mit massiven Konsequenzen für die Nahrungskette, von der auch der Mensch letztlich abhängt. Eine nicht nachhaltige Landwirtschaft zerstört somit ihre eigene Grundlage.

Biodiversität auf dem Acker

Was also tun? Studien haben zeigen können, dass eine erhöhte Biodiversität auf dem Feld positive Effekte auf wichtige Ökosystemfunktionen wie Schädlingskontrolle, Bereitstellung von Nährstoffen, Bestäubung und Wasserhaltefähigkeit des Bodens haben kann und es dabei nicht notwendigerweise zu Ernteeinbußen kommen muss. Das Stichwort „Ökologische Intensivierung“ beschreibt das nachhaltige Management von Agroökosystemen, indem bestimmte Ökosystemdienstleistungen durch eine Erhöhung der Biodiversität bewusst gefördert werden.

Neuere Arbeiten zeigen, dass eine erhöhte Vielfalt an Pflanzenarten im und am Feld beispielsweise positive Auswirkungen auf das Mikrobiom im Boden hat und dadurch die Nährstoffverfügbarkeit und Wasserhaltefähigkeit gefördert wird. Solche Systeme sind widerstandsfähiger gegen Stressoren wie Dürren oder Pathogene. Außerdem benötigen sie weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel.

Zusammenhänge erforschen und Erkenntnisse anwenden

Diese Zusammenhänge werden als „biodiversity – ecosystem functioning“ (BEF) bezeichnet. Um sie für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, werteten die Forscher:innen über 100 Studien aus, untersuchten die zugrunde liegenden Mechanismen und zeigten auf, wie diese eine nachhaltige Landwirtschaft verbessern könnten. Grundsätzlich ist ein Acker ein Ökosystem, das denselben Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist. Zu den typischen Ökosystemfunktionen, die auch für die Agrarökosysteme wichtig sind, gehören beispielsweise Bestäubung, natürliche Schädlingskontrolle, die Mineralisierung von organischem Material im Boden sowie Nährstoff- und Wasserspeicherung. Mehr Vielfalt auf dem Acker bedingt dabei auch mehr Vielfalt im Boden, betonen die Forscherinnen und Forscher. Je nach Pflanzenart fördern die Durchwurzelung des Bodens und Wurzel-Exsudate das Mikrobiom im Boden, nützliche Bakterien und Pilze verbessern im Gegenzug die Nährstoffaufnahme und die Stresstoleranz der Pflanzen – auch die allgemeine Produktivität steigt.

Aus eins mach zwei

Biodiversität bedeutet dabei nicht zwangsläufig, auf dem Acker alles wild durcheinander wuchern zu lassen. Der Anbau von zwei, drei unterschiedlichen Feldfrüchten in Reihen kann bereits zu steigenden Erträgen auch ohne chemischen Pflanzenschutz und Düngung führen. Dieser Effekt ist am stärksten, wenn sich die angebauten Arten in ihren Eigenschaften ergänzen. Das klassische Beispiel sind die „Drei Schwestern“: Sie bezeichnen den gemeinsamen Anbau von Mais, Bohnen und Kürbis auf einem Feld – eine Technik, die bereits von den amerikanischen Ureinwohnern praktiziert wurde. Der Mais ist die Kletterstange für die Bohnen, die Bohnen wiederum reichern den Boden mit Stickstoff an. Die Kürbisblätter dagegen beschatten den Boden, halten ihn so feucht und verhindern einen starken Unkrautaufwuchs. Außerdem können sie einige Schädlinge abwehren.

Ähnliche Effekte erzielt man auch mit anderen „begleitenden“ Pflanzenarten, den sogenannten „Service Crops“, die eine bestimmte Ökosystemfunktion verstärken sollen. Zum Beispiel können Blühstreifen zwischen den Nutzpflanzen deren Bestäubung verstärken. Auch der Mischanbau verschiedener Sorten einer Nutzpflanze wie Mais, Weizen, Hafer oder Gerste kann den Ertrag erhöhen. Beim Weizen lag das an den unterschiedlichen Wurzeltiefen der verschiedenen Sorten. Dadurch gab es weniger Konkurrenz um Wasser und Nährstoffe.

Auch die zeitlich verschobene Aussaat von Pflanzen kann Erträge erhöhen: Durch versetzte Wachstumsphasen gibt es ebenfalls einen geringeren Konkurrenzdruck um Nährstoffe, Wasser und Licht. Ein regelmäßiger Fruchtwechsel verringert zudem den Schädlingsdruck auf der Fläche und erhält die Bodenfruchtbarkeit.

Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass viele der Zusammenhänge zwischen erhöhter Vielfalt, den Bodenprozessen und den Auswirkungen auf Ertrag und Resilienz der Pflanzen noch nicht ausreichend erschlossen sind. Aber schon jetzt ist klar, dass mehr Vielfalt auf dem Acker ein wichtiger Ansatz ist, die Landwirtschaft auf kostengünstigem Weg nachhaltiger und umweltschonender zu machen – ein Ziel, das jeden Tag mehr Bedeutung bekommt.


Quelle: Pflanzenforschung.de

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