Mehr Platz, mehr Licht, mehr Tierwohl: Im Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen sind zwei neue Modellställe errichtet worden, die beispielhaft zeigen sollen, wie eine nachhaltige und zukunftsorientierte Nutztierhaltung praxisnah gelingen kann. Innovative Bautechnik und modernste Haltungsmethoden sollen für mehr Tierwohl sorgen und gleichzeitig Emissionen im Sinne des Umweltschutzes verringern. Dies stärkt die gesellschaftliche Akzeptanz für die heimische Schweinehaltung.
Nach rund vierjähriger Planungs- und Entwicklungszeit haben die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Silke Gorißen, und Karl Werring, Präsident der Landwirtschaftskammer NRW, am 26. Februar gemeinsam den „Stall der Zukunft“ im westfälischen Bad Sassendorf eröffnet. Damit startet dort ein bundesweites Vorzeigeprojekt für die Nutztierhaltung, die ein wichtiger Wirtschaftszweig in Deutschland ist. Die Landesregierung hat den Bau des Demonstrationsprojekts „Stall der Zukunft“ mit 3,9 Mio. € unterstützt.
Ministerin Gorißen sagte im Zuge der Einweihung: „Das Projekt ‚Stall der Zukunft‘ sorgt für mehr Tierwohl und mehr Nachhaltigkeit und ist bislang einzigartig in Deutschland. Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Agrarland und mit unserem Know-how in landwirtschaftlicher Forschung, Entwicklung und Praxis wollen wir einen guten Beitrag zum Umbau in der Nutztierhaltung leisten. Die Landwirtschaft in Deutschland braucht bessere Zukunftsperspektiven und der ‚Stall der Zukunft‘ zeigt, wie die Transformation der Nutztierhaltung gelingen kann, bei der auch die konventionellen bäuerlichen Betriebe mitgenommen werden.“
Karl Werring, Präsident der Landwirtschaftskammer NRW: „So war das Projekt von den ersten Gedanken an darauf ausgelegt, verschiedene Zukunftskonzepte zu präsentieren, um darüber eine große Vielzahl an verschiedenen Impulsen geben zu können.“ Weiter ergänzte der Präsident, dass hier nicht nur zwei Ställe, sondern vielmehr ein Lern- und Begegnungsort geschaffen wurde, ein Ort der Forschung und Entwicklung und ein Ort, an dem traditionelles Wissen und moderne Technologien sich vereinen.
Am renommierten Forschungs- und Weiterbildungsstandort Haus Düsse der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen sind zwei innovative Ställe mit verschiedenen technischen Systemen und Kombinationsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Betriebe geschaffen worden: Es gibt eine so genannte „evolutionäre“ Weiterentwicklung eines Musterstalls mit Außenklimakontakt für Schweine mit bis zu 400 Mastplätzen und eine „revolutionäre“ Stallanlage mit bis zu 270 Schweinemastplätzen, um Tieren noch mehr Platz zur Bewegung und zum Auslauf zu geben.
Hinzu kommen noch verschiedene Lösungen für die Ausbildung tiergerechter Funktionsbereiche im Stall. Im „Revolutionären Stall“ ist dies beispielsweise eine innovative Dachkonstruktion – eine Art Gewächshausdach aus Glas, das sich bei passender Witterung öffnen lässt. Es gibt dort ebenfalls Wühlgärten und Stroh. Holzhackschnitzel auf dem Boden sollen zudem als Beschäftigungsmaterial für Tiere im Wühl- und Liegebereich erprobt werden. Weitere Besonderheiten sind modernste technische Verfahren zur Reduktion von Lärm oder zur Trennung von Kot und Harn. So sollen Gerüche reduziert werden.
Die Ställe orientieren sich an den aktuellen Vorgaben des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes in der Haltungsform 3 „Frischluftstall“ bzw. Haltungsform 4 „Auslauf/Weide“. Die Ställe werden darüber hinaus der Aus- und Weiterbildung dienen und sollen wichtige Erkenntnisse über den Betrieb und das Management von Außenklimaställen liefern – etwa, ob die Ställe mit ihren Funktionsflächen den natürlichen Verhaltensweisen von Schweinen weitmöglich entsprechen und wie sich damit die Emissionen verhalten.
Dr. Arne Dahlhoff, Direktor der Landwirtschaftskammer NRW, erklärte, dass in den kommenden Jahren durch weitere Bauprojekte für Mastschweine, Sauen und Ferkel sowie Rinder ein kammerweites Gesamtkonzept zur zukunftssicheren Nutztierhaltung entstehen wird. Ziel der Landwirtschaftskammer sei es, allen interessierten Tierhaltern in Nordrhein-Westfalen weitere Impulse für Neu- und Umbauten im Rahmen der Betriebsentwicklung geben zu können.
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
Der Umbau der Tierhaltung steht im Fokus der aktuellen Agrarpolitik. Ausgelöst von bundes- und europarechtlich geänderten Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Erwartungen steigen auch die Anforderungen an Tierhalterinnen und Tierhalter. Im Rahmen der sogenannten Nutztierstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen wurden am Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse zwei Modell- und Demonstrationsställe durch die Landwirtschaftskammer errichtet. Sie sollen beispielhaft zeigen, wie eine nachhaltige, zukunftsorientierte Nutztierhaltung praxisnah gelingen kann: Mehr Platz, mehr Licht, mehr Beschäftigung und Auslauf für die Tiere. Dabei sollen gleichzeitig Emissionen im Sinne des Umweltschutzes verringert werden. Das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz setzt sich ein, die heimische Erzeugung zu erhalten und die regionalen Kreisläufe zu stärken.
Es muss verhindert werden, dass die Produktion ins Ausland verlagert und dann möglicherweise mehr Schweinefleisch importiert wird. Damit stellt sich dann auch die Frage, unter welchen Bedingungen die Tiere dort gehalten oder auch geschlachtet worden sind. Nicht ein Abbau der tierhaltenden Landwirtschaft durch überzogene Anforderungen ist der richtige Weg, sondern deren Umbau. Daher braucht es zukunftssichere Betriebe mit hohen Tierwohl- und Umweltschutzstandards. Deutschland produziert schließlich jetzt schon im internationalen Vergleich ein sehr hohes Tierschutzniveau. Ein weiterer Abbau von Beständen liegt insofern weder im Interesse einer Tierwohltransformation, noch passt es in die aktuelle politische Gesamtlage, Stichwort „Versorgungssicherheit“.
Zudem darf nicht geschehen, dass mit einer Verlagerung der Lebensmittelerzeugung ins Ausland durch die damit verbundenen vermehrten Transporte die Umwelt zusätzlich belastet wird. Nutztierstrategie bedeutet auch ein Bekenntnis hin zu mehr regionalen Kreisläufen. Dazu gehört zum Bespiel auch eine starke Sauenhaltung, denn nur so kann die Kette „von der Erzeugung bis hin zu Schlachtung“ geschlossen bleiben.
Im Agrarland Nordrhein-Westfalen spielt die Nutztierhaltung eine wichtige Rolle und es gibt bei uns eine Vielzahl von Betrieben in der Schweinehaltung, insbesondere konventionell arbeitende, darunter auch viele Familienbetriebe. Das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat in den vergangenen Monaten wiederholt in Richtung des Bundes adressiert, dass sich in den Plänen zur Tierwohlförderung zum Beispiel keine hinreichende Unterstützung der konventionellen Landwirte wiederfindet, die dringend Perspektiven für ihre Betriebe und mehr Planungssicherheit benötigen. Vielen konventionell wirtschaftenden Betrieben, die einen höheren Standard anstreben (Außenklimareiz, Auslauf) wird der Weg dorthin verbaut. So schafft man keine zukunftsfreudige Aufbruchsstimmung, im Gegenteil: In den vergangenen fünf Jahren ging die Zahl der Schweine haltenden Betriebe in Nordrhein-Westfalen um über 20 % zurück.
Quelle: MLV NRW