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Klimawandel braucht neues Weidemanagement

23.03.2021

Das bundesweite Netzwerk Fokus Tierwohl ist eingebettet in das Bundesprogramm Nutztierhaltung, das im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung angesiedelt ist. Zahlreiche Verbundpartner aus Forschung und Praxis unterstützen die Initiative, der Verband der Landwirtschaftskammern übernimmt die Verbundkoordination und wird durch Kammerberater, sprich Tierwohlmultiplikatoren im Fachbereich Tierhaltung und Tierzucht, unterstützt.

Den Auftakt machte Dr. Johannes Weber, Landwirtschaftliches Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg. Er wies in seinem Vortrag auf die neuen klimatischen Herausforderungen hin, die eine Anpassung des Weidemanagements notwendig machen. „Trockenheit, Dürrephasen und große Wetterschwankungen bei gleichzeitig rückläufigen Kälteperioden machen Weideflächen und Landwirten gleichermaßen zu schaffen. Die botanische Zusammensetzung des Grünlands und der Weiden ändert sich, was mit lückigen Beständen und rückläufigem Trockenmasseertrag einhergeht“, umriss Weber die Situation. Wenn zusätzlich unerwünschte Arten die Lücken besiedeln oder die sich schneller erwärmenden offenen Stellen als Eldorado für Mai- oder Junikäfer dienen, seien empfindliche Ertragseinbußen vorprogrammiert.

Mischbestände haben Vorteile

Artenreiches Grünland komme mit Dürreperioden besser zurecht, da nicht alle Gräser gleichermaßen empfindlich auf Wassermangel reagierten. Trockenheitstolerante Arten vermehrten sich in solchen Beständen, ihre Belastbarkeit und Fähigkeit zur Regeneration, auch Resilienz genannt, sorge für eine gewisse Ertragssicherheit. Meist verfügen diese Arten über besonders tiefreichende Wurzeln. So wurzelt Luzerne bis in eine Tiefe von 4 m, während Deutsches Weidelgras je nach Sorte eine Bodentiefe von 0,5 bis 1 m erreicht. „Auch Tiefwurzler können unter Wassermangel leiden“, nannte der Referent Grenzen.

Versuche zeigen, dass unter Trockenheit leidende Pflanzen vermehrt Wurzelmasse ausbilden. Besonders Deutsches Weidelgras erhole sich nach Dürreperioden rasch, wobei hier sortenabhängig große Unterschiede beständen. „Daher lohnt sich die Investition in sortengeprüftes Weidelgras“, betonte Weber. Mit Nachdruck wies der Referent darauf hin, dass Gräser unter Trockenstress ihre Reserven vermehrt in den Stoppeln speichern und daher nicht zu tief beweidet oder gemäht werden sollten. Zu berücksichtigen sei daneben, dass Stickstoff in Trockenperioden nicht pflanzenverfügbar sei, nach Regen jedoch eine starke Stickstoffmobilisation stattfinde. „Auch ändert sich nach sehr heißen Sommern die Futterverfügbarkeit. Durch den herbstlichen Tau regeneriert sich die Weide, was die Wachstums- und damit auch die Nutzungsperiode bis in den November hinein verlängern kann“, so Dr. Jonas Weber.

Welches Weidesystem?

Futterangebot und Weidesystem müssen aufeinander abgestimmt sein. Hier nannte der Experte folgende Leitsätze:

  • Pflanzen mit hohen Rohfasergehalten sind weniger schmackhaft, die Tiere nehmen also weniger Futter auf.  
  • Tiefer Verbiss reduziert die Assimilationsfläche und den Speicherplatz für Nährstoffe, sodass der Wiederaustrieb geschwächt wird.

Bei einem Zuviel an Aufwuchs könne Futter konserviert oder die Besatzdichte der Fläche erhöht werden. Schwieriger werde es bei spärlichem Aufwuchs: „Füttern Sie zu, reduzieren Sie die Besatzdichte und vermeiden Sie so Überbeweidung und zu tiefen Verbiss. Ansonsten sind schlechtere Erträge bei der nächsten Nutzung vorprogrammiert“, nannte der Referent Maßnahmen.

Kurzrasenweide und Portionsweide sowie die intensive Umtriebsweide wiesen die größte Flächenproduktivität in Milch oder Fleisch auf. Es folgt die intensive Standweide als eine gut geführte Kurzrasenweide mit wenigen Weideverlusten; die extensive Standweide ist eine Kurzrasenweide mit deutlich mehr Weideverlusten - sie punktet allerdings mit einem sehr geringen Arbeitsaufwand. „Die Wahl des Weidesystems ist abhängig vom Standort, der Betriebssituation und der Betriebsleitung. Je extensiver das Weidesystem, desto vielseitiger ist der Pflanzenbestand - wobei die Bestandszusammensetzung ein Wechselspiel aus Standort und Bewirtschaftungsweise ist“, so Dr. Weber.

Bei einem täglichen Bedarf von rund 14 kg TM je Mutterkuh und dem mit der Faustformel „1 cm Aufwuchs minus Stoppelhöhe entspricht 1 dt TM/ha“ ermittelten Ertrag lasse sich so die benötigte Futtermenge berechnen, wobei der Zuwachs während der Weidezeit je nach Jahreszeit und Witterung mit 0 bis 100 kg TM/ha/Tag zu veranschlagen sei. Abzuziehen seien Weidereste und nicht nutzbare Flächen.

Richtige Grünlandpflege

Den Themen Nachsaat, Düngung und Problempflanzen widmete sich Martin Hoppe, Landwirtschaftskammer NRW, in seinem Vortrag. Als Ursachen für lückige Grünlandbestände nannte er Fahr- und Trittschäden, Mäuse, Engerlinge und Tipula-Larven, auch unter der Bezeichnung Wiesenwürmer bekannt. Jede Lücke beherberge das Risiko, von unerwünschten Pflanzenarten besiedelt zu werden.

Für die Nachsaat bietet der Markt verschiedene Schlitzgeräte an. Je nach Fläche und -beschaffenheit seien das Ausbringen des leicht befeuchteten Saatguts mit dem Mineraldünger oder die klassische Sämaschine gangbare Alternativen. Es gehe darum, dem Saatgut optimale Auflaufbedingungen zu schaffen. „Unerwünschte Flachwurzler und im Sommer auftretende Verfilzungen lassen sich gut mit einem scharfen Striegelstrich entfernen. Doch Vorsicht: Im Frühjahr ist ein scharfer Striegelstrich kontraproduktiv“, warnte Hoppe. „Auch Über- und Nachsaaten in verfilzte Narben bringen keinen Erfolg.“ Die Samen liefen zwar auf, hätten dann aber keine Chance gegen die vorhandene Konkurrenz. Idealerweise erfolge die Nachsaat kurz vor einem leichten Regenschauer. Ist kein Regen in Sicht, sollte das Saatgut mit einer perforierten Walze angedrückt werden, um Bodenschluss zu erreichen.

Ebenso wie Dr. Weber riet auch Martin Hoppe eindrücklich, bei der Sortenfrage den Mischungs- und Sortenempfehlungen der Landwirtschaftskammer zu folgen: „Im Landesversuch werden fast 40 verschiedene Weidegräser unter Praxisbedingungen in Ausdauerversuchen getestet. Ungeprüft günstig gekauftes Saatgut kann schnell teuer werden, wenn die Winterhärte oder die Leistungsfähigkeit der Sorte nicht das hält, was sie verspricht.“ Ein solch böses Erwachen verhindere die Qualitäts-Standard-Mischungen für Weiden und Mähweiden, die - unterteilt in acht Gruppen mit jeweils spezifischer Zusammensetzung - den unterschiedlichen Ansprüchen hinsichtlich Lage, Nutzungsart und -häufigkeit sowie Bodenfeuchte gerecht werden.

Maria Forstreuter-Wick

Angepasste Düngung

Mit der 2020 aktualisierten Dünge-Verordnung sind weitere Dokumentationsauflagen auf die Landwirte zugekommen:

  • Düngebedarfsermittlung für Stickstoff und Phosphat
  • Düngedokumentation innerhalb von zwei Tagen nach der Düngung
  • Dokumentation der Weidehaltung mit Weidetagen, Tierart und –zahl und
  • Aufsummierung des jährlichen Nährstoffeinsatzes.

Hilfreiche Instrumente bei der Düngebedarfsermittlung sind das Düngeportal der Landwirtschaftskammer NRW  unter www.duengeportal-nrw.de.

Neben Stickstoff und Phosphat lohne es sich, ein Auge auf den Kaliumgehalt im Boden zu werfen, sprach Hoppe aus Erfahrung. „Hier besteht eher die Gefahr eines Mangels, der sich mit Ertragsminderungen in einer Größenordnung von bis zu 40 % bemerkbar machen kann“. Da der pH-Wert eng mit der Nährstoffverfügbarkeit korreliert, gilt auch heute noch der Leitsatz „Kalk ist nicht alles, aber ohne Kalk ist alles nichts.“  Bei einem Boden-pH-Wert von 5 bis 7 sind die meisten Nährstoffe, wie Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Kalium, Calcium und Magnesium, optimal verfügbar. Dünn ausgebracht, sodass ein Hochwachsen von Festmist- oder Güllebestandteilen im Gras vermieden werde, zählen diese Wirtschafsdünger zum bedarfsgerechten Düngemanagement.

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