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Dünger aus Bioabfällen und häuslichen Abwässern

10.06.2021

Immer knapper werdende Rohstoffe, die Herausforderungen des Klimawandels und eine ständig wachsende Weltbevölkerung: Langfristig führt kein Weg daran vorbei, die vorhandenen Ressourcen nachhaltiger und effizienter zu nutzen. Gelingen kann dies unter anderem, wenn Nähr- und Wertstoff-Kreisläufe in der landwirtschaftlichen Produktion wieder geschlossen werden und alle Rohstoffe und Produkte möglichst lange im Einsatz bleiben. Dazu gehört es auch, Reststoffe als wertvolle Rohstoffquelle zu sehen.

Mit der Aufgabe, innovative Verwertungsverfahren für Bioabfälle und häusliche Abwässer zu entwickeln und so die Stoff-Kreisläufe zwischen Stadt und Land wieder zu schließen, beschäftigt sich das Kooperationsprojekt RUN. Im Rahmen des BMBF-Programms „Agrarsysteme der Zukunft“ erhalten die Forschungsteams der Universität Hohenheim in Stuttgart rund 680 000 € an Fördermitteln.

 Rund Dreiviertel der Deutschen leben in Städten und verbrauchen dort Lebensmittel, die auf dem Land erzeugt wurden. Auf diese Weise sind Produktionsketten entstanden, bei denen Nähr- und Wertstoffe von einem Ort zum anderen transportiert werden und schließlich zum größten Teil mit Abfällen und Abwasser verloren gehen. Hier setzt das Kooperationsprojekt RUN an. RUN steht für Rural Urban Nutrient Partnership, also Nährstoffgemeinschaften zwischen Stadt und Land. In diesem interdisziplinären Forschungsprojekt verfolgen Partner aus Wissenschaft und Praxis das langfristige Ziel, Agrarsysteme nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten und Ressourcen sowie Energie einzusparen. Das braucht neue technische, städtebauliche und logistische Strukturen, bei denen die Trennung, Aufbereitung, Umwandlung sowie die Rückführung der Nährstoffe in den Kreislauf auf verschiedenen Ebenen Hand in Hand gehen. Aber auch ein verändertes Konsumverhalten der Gesellschaft ist dafür notwendig.

Kreisläufe schließen, Ressourcen schonen

Kernidee von RUN ist es, aus Bioabfällen und häuslichem Abwasser die darin enthaltenen Nährstoffe zu gewinnen, um aus ihnen Düngemittel oder auch recycelbare Bioplastikfolie und Pflanzenkohle herzustellen - also Produkte, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden können, um zum Beispiel Obst und Gemüse anzubauen. Dieses wird auf dem Wochenmarkt in der Stadt verkauft, von den Bewohnern verarbeitet und gegessen. Dabei fallen wieder nutzbarer Abfall und Abwasser an. Auf diese Weise entsteht zwischen Landwirten und Stadtbewohnern ein Kreislaufsystem, bei dem wertvolle Nähr- und Wertstoffe mehrfach genutzt werden.

Design-Dünger und Pflanzenkohle im Test

Bevor es jedoch soweit ist, müssen zunächst einmal die notwendigen Techniken entwickelt werden. Dazu testen Forschende von der Universität Stuttgart zunächst in Laborversuchen verschiedene Methoden der Rückgewinnung und Aufbereitung von Bio-Abfällen und häuslichem Abwasser. Heraus kommen so genannte Design-Dünger und Pflanzenkohle, die anschließend von Dr. Sabine Zikeli vom Zentrum Ökologischer Landbau Universität Hohenheim (ZÖLUH) und ihrem Team untersucht werden: „Als Dünger entstehen vor allem Struvite, die in erster Linie Phosphat, Magnesium und Ammonium enthalten, die dem Klärschlamm entzogen wurden. Die Reste des Klärschlamms werden durch Verkohlung zu Pflanzenkohle. Diese ist sehr porös und kann in ihren Hohlräumen Wasser und Nährstoffe speichern, die sie dann bei Bedarf an die Pflanzen abgibt“, erklärt Dr. Zikeli.  

Um immer gleichbleibende und kontrollierte Bedingungen zu haben, arbeitet sie im Gewächshaus mit Pflanzen in Töpfen: „Wir nutzen Weidelgras für unsere Versuche. Das hat zum Beispiel gegenüber Salat den Vorteil, dass wir es mehrfach ernten können, denn manche Düngemittel lösen sich im Boden nur langsam auf und geben ihre Nährstoffe erst nach und nach frei.“ Dazu schneiden die Forschenden einfach die Blätter der Pflanzen ab. Das Gras wächst dann einfach nach. So können sie zu verschiedenen Erntezeitpunkten erfassen, wie viel Nährstoffe die Pflanzen aufgenommen haben und wie sich ihre Biomasse verändert hat. Daraus lässt sich die Verfügbarkeit der Nährstoffe berechnen und die Effizienz der Design-Dünger bestimmen.

Das Team ermittelt dabei auch, ob eventuell auch unerwünschte Substanzen, wie Schadstoffe, von den Pflanzen aufgenommen werden. Denn die Design-Dünger müssen natürlich in der Landwirtschaft bedenkenlos eingesetzt werden können. „Struvite haben den Vorteil, dass sie sehr sauber sind und so gut wie keine Verunreinigungen beispielsweise mit Schwermetallen enthalten“, weiß Dr. Zikeli „Und natürlich unterliegen auch diese Dünger der geltenden Düngemittel-Verordnung.“

Mehrheit der Landwirte sieht Kreislaufidee positiv

Dass das Thema Sicherheit auch eine große Rolle bei den Landwirten spielt, kann auch Prof. Dr. Christian Lippert vom Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität Hohenheim bestätigen: „Für die Landwirte ist es wichtig, dass der Dünger frei von Schadstoffen, Schwermetallen und bakteriellen Verunreinigungen ist – und natürlich seine Aufgabe erfüllt, Pflanzen mit den notwendigen Nährstoffen zu versorgen.“ Grundsätzlich stehe die Mehrheit der befragten Landwirte der Idee, Nährstoffe aus häuslichem Abwasser und Küchenabfällen zu gewinnen, positiv gegenüber. Allerdings blieben auch noch eine Reihe von Fragen zu klären, angefangen bei der Qualität über den Preis bis hin zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Dünger. Denn ohne die ließe sich das produzierte Obst und Gemüse nicht verkaufen. 

Pilotanlage in Planung

Aus diesem Grund soll bei RUN nicht ausschließlich in Forschungslaboren geforscht, sondern das Projekt soll als Reallabor umgesetzt werden: „Geplant ist, eine Recyclinganlage als Pilotanlage in einem echten Stadtquartier auszuprobieren“, erklärt Carolin Callenius vom Forschungszentrum für Globale Ernährungssicherung und Ökosysteme der Universität Hohenheim. „Damit lassen sich die Laborversuche einerseits in einem größeren Maßstab auf der Ebene eines Stadtquartiers testen und andererseits kann man die Kreislaufidee so unter Echtzeitbedingungen auf deren Praxistauglichkeit hin untersuchen.“

Ausgangspunkt sind die Grundmaterialien häuslicher Bioabfall und häusliche Abwässer. An der Frage nach geeigneten innovativen Logistiksystemen zum Transport der Stoffströme wird noch geforscht. Aussichtsreich scheint aktuell aber, einen Zerkleinerungsapparat für Küchenabfälle direkt in den Haushalten zu installieren und den Abtransport der Abfälle mit Unterdruckleitungen zu lösen. Diese würden dann auch das Abwasser abführen. Für den Stoffstrom von Grünabfällen, die ebenfalls gesammelt und aufbereitet werden sollen, gibt es eine andere Idee: Ein On-Demand Service durch lokale Paketlieferdienste ist dafür angedacht.

Ein zusätzlich eingerichteter Informations- und Erfahrungsraum soll die Forschung von RUN für Bürgerinnen und Bürger erlebbar und begreifbar machen. Hier werden von der Nährstofferzeugung in den Haushalten bis zur Wiederverwendung in der Landwirtschaft alle Aspekte des Nährstoffrecyclings dargestellt und vermittelt. In Dialogveranstaltungen sollen Fragen, Anliegen und Bedürfnisse der Bevölkerung beantwortet werden und in die Projektplanung einfließen.

Eine Pilotanlage mit ergänzendem Erfahrungsraum ist sehr wichtig für den Erfolg des Projekts: Die Kooperationspartner können im stetigen Austausch mit allen Beteiligten, wie Landwirten, Ingenieuren, Stadtplanern, Verwaltungen, Entscheidungsträgern in Ministerien und Bürgern, mögliche Bedürfnisse, Anforderungen oder Hemmnisse erkennen, die gegenüber Produkten aus recycelten Abfällen und Abwasser bestehen könnten. Diese werden dann frühzeitig in die Forschung einbezogen, sodass gesellschaftlich tragfähige Lösungen erarbeitet werden können. Denn am Ende sollen alle einen Nutzen aus dem Kreislauf ziehen und ihn langfristig mittragen.

Universität Hohenheim

Weitere Informationen

Nährstoffgemeinschaften für eine zukunftsfähige Landwirtschaft

RUN ist eines von acht Projekten des Forschungsvorhabens „Agrarsysteme der Zukunft“ im Rahmen der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 4,2 Mio. € gefördert, davon über 680 000 € für die Universität Hohenheim. Projektstart war der 1. April 2019. Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Die Koordination des Projekts liegt in der Hand von Prof. Dr. Martin Kranert vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart (ISWA). Weitere Projektpartner sind die TU Kaiserlautern, die Universität Heidelberg, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Thünen-Institut in Braunschweig sowie zwei beratende Ingenieurbüros als Praxispartner und zwei assoziierte Partner.
Mehr Infos im Netz unter:

https://www.run-projekt.de/

https://www.youtube.com/watch?v=8sDk6Mh8038

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