Betriebsleiter Alfred Schulte-Stade, Biolandwirt, Koch, Catering-Unternehmer, Jäger und Einzelhändler, hält und vermarktet auf seinem Biolandhof seit einigen Jahren Simmenthaler Fleckvieh und Auerochsen. Unterstützt wird er dabei von Tochter Christina Schulte-Stade, Gastronomie-Profi und im Betrieb zuständig für sämtliche Zertifizierungen. Am 25. August waren die beiden auf ihrem Schultenhof Gastgeber für eine Pressekonferenz der Aktionstage Ökolandbau, zu der auch NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser in die Ruhrauen gekommen war, um sich die beiden Herden aus der Nähe anzusehen.
Nähe jedoch sind die gut 90 Auerochsen, die auf den rund 120 ha Naturschutzfläche direkt an der Ruhr weiden, nicht gewohnt. „Seit 1993 sind die Auenwiesen Naturschutzgebiet und so lange halten wir dort auch schon Auerochsen“, erklärte Alfred Schulte-Stade den Besuchern. Er habe sich seinerzeit vor allem wegen deren Robustheit für diese Rückzüchtung aus Heckrindern entschieden. Ihr kurzes Fell biete Parasiten wenig Angriffsfläche - anders als die langen Zotteln von zum Beispiel Galloways, die ursprünglich für die Naturschutzbeweidung vorgesehen gewesen seien. Und die Tiere sind sehr leichtkalbig, was ein weiterer Vorteil in der Haltung sei, da weder er als Landwirt noch ein Tierarzt je nah genug an eine Mutterkuh herankämen, um Geburtshilfe zu leisten. „Und nicht zuletzt machen diese Wildrinder mit ihren sehr breit geschwungenen Hörnern einen so imposanten Eindruck, dass sich keine Hunde mehr auf die Flächen trauen“, ist der Landwirt froh, die Problematik freilaufender Hunde entlang der stark frequentierten Rad- und Wanderwege an der Ruhr mit seinen Wildrindern in den Griff bekommen zu haben.
Ganz anders verhalte es sich mit der 60 Tiere starken Simmenthaler Herde. „Die Kühe stehen näher am Hof und haben täglichen Kontakt zu uns und unseren Mitarbeitern, die Heu, Stroh und Wasser auf die Weide bringen“, so Schulte-Stade, der seinen Betrieb im Jahr 2000 umgestellt hat und seitdem dem Bioland-Verband angehört. Diese Mutterkühe seien deutlich zutraulicher und leicht zu händeln.
Ganzjährige Weidehaltung und viel Zeit bis zum Erreichen des Schlachtgewichtes sind zwei Aspekte, die Biobauer Schulte-Stade fürs Tierwohl ins Feld führte. „Sowohl die Simmenthaler, als auch die Auerochsen-Kälber bleiben zunächst neun Monate bei der Mutter. Ihr Schlachtgewicht von rund 350 kg erreichen die Tiere mit 30 Monaten. Sie leben damit beinahe doppelt so lange wie ihre konventionellen Artgenossen“, erläuterte er den Zuhörern.
Im Herbst sei es dann soweit, da stehe die Schlachtung an. Die wiederum findet nur wenige hundert Meter von den Wiesen und Weiden entfernt statt: 1993 hat Alfred Schulte-Stade als Folge aus der BSE-Krise sein eigenes Schlachthaus auf dem Hof erreichtet. „Auch das ist ein absoluter Tierwohlaspekt in meinen Augen: Die Nähe zur Schlachtstätte und damit die Möglichkeit, den Stress für die Tiere durch den Tiertransport zu vermeiden. Die Schließung oder Aufgabe der ehemals zahlreichen kleineren Schlachthöfe und Hofmetzgereien in der Vergangenheit wiederspricht absolut dem Wohl der Tiere!“, konstatierte der Landwirt, Jäger und Koch in Richtung Ministerin Heinen-Esser.
Wichtig sei für ihn und seinen Betrieb die Ausnahmegenehmigung des Veterinäramtes: Weil keiner an die Auerochsen herankomme, so lange sie leben, seien eine Beschau der Rinder aus der Nähe sowie sämtliche Untersuchungen erst während der Schlachtung möglich. Die Tiere erlege der Jäger mit einem gezielten, professionell platzierten Schuss auf der Weide.
Vermarktet wird das Auerochsen-Fleisch, dessen Geschmack dem von Wild ähnele, über seinen Hofladen, per Catering-Service und in Kantinen teils großer Unternehmen, zu denen Alfred Schulte-Stade aus seinen Zeiten als aktiver Koch noch beste Kontakte pflegt. Relativ neu ist ein Hofladen in der Innenstadt von Hattingen. „Wir haben unser Ladenlokal Tür an Tür zu der Bio-Bäckerei BackBord, mit der wir kooperieren“, erläuterte der Landwirt und Koch den Aktionstagbesuchern. Wichtig war es ihm, zu betonen, dass auf dem Bioland-Hof Schulte-Stade das ganze Tier verwertet werde und in der eigenen Wurstküche auch diejenigen Teile verarbeitet würden, die der Kunde eher nicht kauft. „Das tun wir aus Wertschätzung vor dem Tier. Wir kommen beim Tierwohlgedanken nicht weiter, wenn alle immer nur das Filet haben wollen, der Ochsenschwanz aber liegenbleibt!“, wunderte er sich über diese Einstellung vieler Verbraucher. Daher verkaufe er in seinem Innenstadt-Hofladen an drei Tagen in der Woche Fleisch und Wurst von den eigenen Tieren. Einmal pro Monat gebe es Geflügel von einem Kollegen, und für die nähere Zukunft sei auch der Verkauf von Biolammfleisch vom Niederrhein geplant. „Hin und wieder ein schönes Stück Fleisch ist etwas Feines - man muss nur wissen, woher es kommt!“, waren sich Vater und Tochter Schulte-Stade einig.
„So geht es, so kann Biolandwirtschaft erfolgreich sein!“ Ministerin Ursula Heinen-Esser zeigte sich beeindruckt von der artgerechten und ökologischen Haltung dieser beiden außergewöhnlichen Rinderrassen und vor allem der professionellen Vermarktung dieses hochwertigen Bioproduktes durch Vater und Tochter. „Betriebe wie der Schultenhof zeigen die Dynamik, die im Ökolandbau steckt und beweisen, dass ökologische Produkte schon lange raus aus der Nische gekommen sind. Auf den Aktionstagen Ökolandbau haben die Biobetriebe eine Möglichkeit, ihre Aktivitäten zu zeigen und den direkten Bezug der Landwirtschaft zu den Verbrauchern zu stärken“, betonte sie die Wichtigkeit dieser Veranstaltungsreihe. Den Ökolandbau zu stärken, heiße aber auch, die Vermarktung weiter zu fördern und Bio noch mehr in der Außer-Haus-Verpflegung, wie Kantinen oder Schulmensen, zu etablieren. Da sei NRW mit „NRW isst Bio“ auf einem guten Weg.
Und auch für die Ministerin zeichne sich der Ökolandbau unter anderem durch seine hohen Anforderungen an das Tierwohl aus. „Mit ihrem Tierwohl-Konzept gehen die Bio-Verbände klar voran. Mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung ist eine der drängendsten agrarpolitischen Aufgaben, derer wir uns angenommen haben. Unsere Initiativen in NRW im Rahmen der Nutztierhaltungsstrategie bilden hierfür eine wesentliche Grundlage und liefern wichtige Impulse“, betonte Heinen-Esser das Vorhaben, dass sich ihr Ministerium auch weiterhin mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission befassen werde. Beratungsprojekte und Fördermaßnahmen sollten ausgebaut werden. Dazu gehörten zum Beispiel die Förderung von Tierwohlställen, von Weidehaltung und Haltungsverfahren auf Stroh. „Ich werde mich außerdem dafür einsetzen, dass regionale Schlachtstrukturen und mobile Schlachteinheiten noch mehr gestärkt werden“, ging die Ministerin auf Alfred Schulte-Stades wohlgemeinten Fingerzeig ein.
„Die Tierhaltung ist im Ökolandbau systemimmanent. Biobetriebe wirtschaften in Kreisläufen und beschäftigen sich daher auch intensiv mit Tieren“, führte Ute Rönnebeck, Vorstand der Landesvereinigung Ökologischer Landbau und Geschäftsführerin von Demeter NRW, in ihr Statement ein. „Bereits vor sieben Jahren haben die Bioverbände in NRW in einem vom Landwirtschaftsministerium geförderten Projekt Kriterien für Tierwohl entwickelt und ein Kontrollverfahren konzipiert. Seitdem wird dieses Gesamtkonzept in allen verbandszugehörigen NRW-Ökobetrieben umgesetzt.“ Die Verbände würden nach dem Prinzip einer umfassenden Tierwohl-Beratung und strengen Kontrollen durch neutrale Kontrollstellen vorgehen, so Rönnebeck.
Für Betriebe sowie deren Berater gebe es Kataloge, in denen sämtliche relevanten Tierwohlparameter aufgeführt seien. „Das betrifft nicht nur das Platzangebot beim Stallbau, sondern auch zum Beispiel Tierzucht, Schwänzekupieren oder Medikamenteneinsatz“, nannte sie einige weitere Punkte aus dem Katalog, der sowohl als Beratungsinstrument genutzt werden, als auch der Bewusstseinsbildung der Tierhalter dienen solle.
Tierwohl als medienstarkes Thema müsse weiter vorangetrieben werden, waren sich die Akteurinnen und Akteure des Vormittags auf dem Biohof Schulte-Stade einig. „Und wenn wir die Köche dazu bringen, in den Kantinen Gerichte anzubieten, in denen das Fleisch bio und die Zwiebeln konventionell sind, beschreiten wir mit dieser Mischung einen guten Weg in die richtige Richtung!“
Text und Fotos: Meike Siebel,
Landwirtschaftskammer NRW
Die Aktionstage Ökolandbau NRW finden vom 28. August bis 12. September auf zahlreichen Biohöfen und nachgelagerten Biobetrieben statt. Das Thema Tierwohl steht in diesem Jahr gerade bei den tierhaltenden Betrieben im Vordergrund. Auf der Webseite der Aktionstage finden Sie unter www.oekolandbau-nrw.de eine komplette Übersicht aller geplanter Events sowie spannende Fakten und Hintergrundinfos.