Auf der diesjährigen Grünen Woche in Berlin stellte Prof. Kurt-Jürgen Hülsbergen von der Technischen Universität München die Ergebnisse einer Studie zu Klima- und Umweltwirkungen von konventionellen und ökologischen Betrieben vor. Nach Berechnungen der beteiligten Forscherteams der TU München, des Thünen-Instituts Trenthorst und der Universität Bonn werden durch eine ökologische Erzeugung bis zu 800 € pro ha und Jahr an Umweltkosten eingespart. Kritiker bemängelten jedoch die Methodik der Studie. Vor allem wurde kritisiert, dass der höhere Flächenbedarf des Ökolandbaus und die damit verbundenen höheren Kosten unberücksichtigt bleiben. Im Interview nimmt Prof. Hülsbergen Stellung zu dieser Kritik.
Herr Hülsbergen, in der von Ihnen geleiteten Langzeitstudie sind Sie zu einem klaren Ergebnis gekommen: Der Ökolandbau schneidet bezüglich der Klima- und Umweltwirkungen deutlich besser ab als konventionelle Systeme. Kritiker entgegnen, dass Sie die geringen Erträge und den damit verbundenen höheren Flächenbedarf methodisch nicht berücksichtigt haben. Trifft das zu?
Die Kritik an den geringeren Erträgen, dem höheren Flächenbedarf und möglichen Verlagerungseffekten im ökologischen Landbau ist nicht neu. Und sie betrifft nicht nur unsere Studie, sondern bezieht sich ganz grundsätzlich auf den Ökolandbau. Die Frage nach der Flächenkonkurrenz und möglichen Verlagerungseffekten war aber nicht Gegenstand unserer Studie. Dafür ist eine Gesamtanalyse des Agrar- und Ernährungssystems notwendig. Uns ging es vor allem um die Umweltwirkungen der beiden Bewirtschaftungsformen und die damit verbundenen Umweltkosten, die in den meisten ökonomischen Berechnungen nicht auftauchen.
Wie sind Sie dabei vorgegangen?
In unserer Studie haben wir zehn Jahre lang umfangreiche Daten auf 80 Praxisbetrieben erhoben, um Energie-, Stickstoff-, Humus- und Treibhausgasbilanzen zu berechnen. Das ist sehr komplex. Deshalb haben wir sogar darauf verzichtet, weitere Umweltwirkungen zu berücksichtigen, etwa den Phosphoreintrag in Gewässer oder Wirkungen auf die Biodiversität durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die tatsächlichen Umweltkosten und Systemunterschiede sind daher noch größer. In der Studie gibt es ein sehr umfangreiches Kapitel zu den Erträgen des Ökolandbaus im Vergleich zur konventionellen Erzeugung. Für einen fairen und objektiven Systemvergleich wurden alle Umweltwirkungen bezogen auf die Fläche, also pro ha, und die Produkteinheit in Form von Getreideeinheiten dargestellt. Das heißt, die unterschiedlichen Erträge sind überall berücksichtigt. Interessanterweise, und das ist neu an der Studie, sind die Treibhausgasemissionen nicht nur je ha, sondern auch je Produkteinheit geringer als in konventionellen Systemen.
Dennoch bleibt es dabei, dass die geringen Erträge zu einem höheren Flächenbedarf führen, wenn man weiterhin so viel ernten möchte wie heute.
Die Kritik lautet ja im Kern, dass wir in Deutschland nicht genügend Fläche haben und wir uns den Ökolandbau wegen der geringeren Erträge nicht in der Breite leisten können. Das sehe ich nicht so. Schließlich hängt der Flächenbedarf nicht nur davon ab, ob wir ökologisch oder konventionell wirtschaften. Auch unser Ernährungsstil, vor allem der Anteil an tierischen Produkten, hat enormen Einfluss auf den Flächenbedarf und die Umwelt- und Klimawirkungen. So müssen wir uns fragen, ob wir in Deutschland bei Schweinefleisch einen Selbstversorgungsgrad von 140 % brauchen, während der Pro-Kopf-Verbrauch in den letzten zehn Jahren um ein Viertel gesunken ist. Das bindet nicht nur viel Fläche für den Futterbau, sondern führt durch die Sojaimporte auch zu enormen Nährstofffrachten auf dem Ackerland. Wir sollten die Tierhaltung wieder an die Fläche binden. Dann würde genügend Fläche für den Ökolandbau zur Verfügung stehen. Bei der Flächenkonkurrenz ist auch die Erzeugung von Bioenergie zu berücksichtigen. Allein für die Erzeugung von Biodiesel, Bioethanol und Biogas werden etwa 2 Mio. ha genutzt, also mehr Fläche, als derzeit ökologisch bewirtschaftet wird. Es steht in Deutschland genügend Fläche zur Verfügung, um das 30-Prozent-Ziel umzusetzen. Wir müssen sie nur richtig nutzen.
Aber wenn Flächen frei würden, wie von Ihnen beschrieben, könnte man diese ja direkt in Biotope umwandeln und die übrigen Flächen intensiv konventionell nutzen. Wäre damit nicht mehr für die Umwelt getan?
Dieses theoretische Szenario wird immer wieder beschrieben, aber wie wahrscheinlich ist es tatsächlich? Wer entscheidet, welche Flächen weiterhin Ackerland oder Grünland bleiben dürfen und welche aufgeforstet oder in Naturschutzflächen umgewandelt werden? In den Intensiv-Regionen mit hohen Tierkonzentrationen und Gülleüberschüssen würde man so weiterarbeiten wie bisher, um andere Flächen für den Naturschutz freizusetzen. Ist das unser Zukunftsszenario? Wohl kaum. Wichtig ist der Erhalt unserer offenen Kulturlandschaft und damit einer flächendeckenden Landwirtschaft. Der ökologische Landbau kann hierzu sehr viel beitragen. Da Umwelt- und Klimaschutz auf landwirtschaftlichen Flächen stattfindet, muss man nicht auf speziell angelegte Biotope und Naturschutzflächen ausweichen.
Ein weiterer Kritikpunkt an Ihrer Studie zielt darauf ab, dass fehlende Erträge durch Importe ausgeglichen werden müssten, die in den Erzeugerländern zu einem größeren Flächenbedarf führen und damit zu mehr Umweltzerstörung.
Wie gesagt, eine solche Analyse war nicht Teil unserer Studie. Dennoch gilt: Den Automatismus "mehr Ökofläche gleich mehr Importe" gibt es nicht. Dazu ein Beispiel: Von 2005 bis 2021 ist die Bio-Anbaufläche in Deutschland um etwa 1 Mio. ha gestiegen. Aber der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln blieb nach den Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in diesem Zeitraum unverändert bei 87 %. Zudem sind die möglichen Effekte einer Ausweitung des Ökolandbaus so komplex, dass im Grunde keine verlässlichen Aussagen zu Verschiebungen des Anbaus in anderen Ländern möglich sind.
Dennoch: Auch in Ihrer Langzeitstudie schmälern die geringen Erträge die Umwelt- und Klimabilanz des Ökolandbaus, wenn man produktbezogen rechnet. Und die Erträge stagnieren hier schon seit langem.
Der Ertrag ist ein kritischer Punkt, das stimmt. Aber ich sehe kein Naturgesetz, nach dem im Ökolandbau nur die Hälfte geerntet wird. Das gilt derzeit für Getreide, nicht aber für alle landwirtschaftlichen Kulturen. Bei Kleegras und Silomais ist die Ertragsdifferenz viel geringer, ebenso auf Ebene der Fruchtfolge. Dazu haben wir in der Studie aktuelle Daten aus Dauerfeldversuchen vorgestellt. Daraus geht hervor, dass wir unter gleichen Standortbedingungen beim Mais 75 % des konventionellen Vergleichsertrages erzielen können und auf Ebene der Fruchtfolge sogar bis zu 85 %. Weltweite Studien zeigen eine Ertragsrelation von etwa 75 %. Und es gibt noch viel Potenzial für Ertragssteigerungen im Ökolandbau. Das sehen wir ja auch bei den besten Ökobetrieben in unserer Langzeitstudie. Die Erträge der besten Ökobetriebe erreichen schon heute das mittlere Ertragsniveau der konventionellen Vergleichsbetriebe. Das Potenzial ist da, es muss nur in der Breite ankommen.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wir haben in vielen Bereichen Optimierungsbedarf. Das reicht von einer für den Ökolandbau angepassten Landtechnik über die Züchtung geeigneter Sorten bis zur Weiterentwicklung der Anbausysteme. Ein Schlüssel zur Optimierung und damit auch zur Ertragssteigerung ist mehr Forschung. Wenn die Politik und die Gesellschaft 30 % Ökolandbau möchten, sollten auch entsprechende Mittel für die Forschung bereitgestellt werden. Mit den aktuellen Forschungsetats und -kapazitäten im Ökolandbau werden wir die Erzeugung nicht wie benötigt optimieren können.
Die Ergebnisse der Langzeitstudie „Umwelt- und Klimawirkungen des ökologischen Landbaus“ finden Sie unter www.oekolandbau.wzw.tum.de/home/.
Das Interview führte Jürgen Beckhoff