Wie muss die Öko-Forschung aufgestellt sein, um das ehrgeizige 30-Prozent-Ziel im Öko-Landbau zu erreichen? Diese Frage behandelten Fachleute aus Forschung, Beratung und Politik am Anfang März auf einer Vorveranstaltung der diesjährigen Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau im schweizerischen Frick. Der Workshop wurde gemeinsam von der Geschäftsstelle des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), dem Thünen-Institut, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) organisiert.
Dr. Karl Kempkens, Leiter des Referats Ökologische Lebensmittelwirtschaft im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), betonte, dass der Forschung in der aktuell überarbeiteten Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZöL) eine wichtige Rolle zukommt. „Neben den Bereichen Außer-Haus-Verpflegung, Bio-Wertschöpfungsketten und Bildung ist die Stärkung der Öko-Forschung eine wesentliche Säule der ZöL“, sagte Kempkens.
Wichtige Ziele werden laut Kempkens eine stärkere Berücksichtigung von Öko-Themen in anderen Forschungsprogrammen sowie in der Ressortforschung sein. Angestrebt werden 30 Prozent. Eine Roadmap zur Fortschreibung der Öko-Forschung sowie ein Umsetzungskonzept für den Ressortforschungsbereich sollen die Zielerreichung unterstützen.
Den Forschungsbedarf aus Sicht der Praxis stellte der Forschungskoordinator des Demeter-Verbandes Dr. Christopher Brock vor, welcher unter Einbindung der Öko-Verbände für die Bereiche Erzeugung und Verarbeitung abgeleitet wurde. Als wichtigste Punkte nannte er Anpassungsstrategien an die Folgen des Klimawandels, Ansätze zur nachhaltigen Intensivierung des Öko-Landbaus sowie mehr Forschung zur ökologischen Verarbeitung und zur Weiterentwicklung ökologischer Wertschöpfungsketten.
„Wenn wir unsere hohen Ansprüche an Nachhaltigkeit und Ethik umsetzen wollen, brauchen wir eine Transformation unseres Ernährungssystems. Schließlich wollen wir nicht nur für eine wohlhabende Schicht Bio-Produkte erzeugen, sondern für alle gesellschaftlichen Gruppen“, sagt Brock. Dafür seien gerade Bio-Wertschöpfungsketten von großer Bedeutung. Zudem betonte er, dass es noch große Lücken in der Forschung zur ökologischen Verarbeitung gibt, weil man hier viel weniger auf privatwirtschaftliche Forschungsstrukturen zurückgreifen kann als im konventionellen Bereich. Schließlich müssten sich auch hier die Ansprüche des Öko-Landbaus an Nachhaltigkeit und Produktqualität fortsetzen.
Als weiteres Ziel nannte Brock eine frühzeitige und intensivere Einbindung der Praxis in die Forschungskonzeption. „Es ist sehr wichtig, die Bedarfe von Betrieben soweit möglich bereits bei der Entwicklung einer Forschungsbekanntmachung zu berücksichtigen und sie wie eine Art Beirat projektbegleitend und bei der Bewertung der Ergebnisse einzubinden“, sagte Brock.
Viel Raum sieht er noch bei der Optimierung des Wissenstransfers im Öko-Landbau. Wichtig sei es, das bestehende Forschungswissen in einer Form aufzubereiten und zu vermitteln, dass Praxis und Beratung dieses Wissen auch aufnehmen können. Brock: „Für eine bessere Kommunikation müssen verstärkt Kapazitäten und Kompetenzen im Forschungsbereich aufgebaut werden. Die Forschungsinstitute brauchen dafür entsprechende Unterstützung.“
Stefan Lange, Forschungskoordinator des Thünen-Instituts, betonte in seinem Beitrag, dass die Forschungslandschaft im Öko-Landbau nicht mit der Erzeugung und dem Bio-Markt mitgewachsen ist. Sie sei sogar schmaler geworden in den letzten 20 Jahren. An den Instituten und Hochschulen gebe es zu wenig festangestellte Mitarbeitende, die sich durchgehend um die Öko-Forschung kümmern. Das zeige sich auch im Bereich der Ressortforschung, wo es wie im Jahr 2001 bundesweit nur ein Institut gebe, das sich ausschließlich mit Fragen zum Öko-Landbau beschäftigt. Häufig würden sich auch die immer gleichen Projektpartner auf Bekanntmachungen bewerben. „Ich denke, wir brauchen einen stärkeren Wettbewerb für die beste Lösung. Und wir brauchen auch Doppelforschung, um verschiedene Ideen zur Lösung von Problemen zu erarbeiten“, betonte Lange.
Dafür ist nach Einschätzung des Fachmanns ein Kapazitätsaufbau in der Öko-Forschung notwendig. In anderen Bereichen, wie etwa bei der Energiewende, sei das selbstverständlich. Hier gebe es einen klaren gesellschaftlichen Willen und auch von Seiten der Politik ein klares Bekenntnis zum breiten Ausbau. „Den gleichen politischen Willen zum Ausbau gibt es auch beim Öko-Landbau“, sagte Lange. „Deshalb müssen wir hier aktiv fordern und mitwirken, damit es zum Kapazitätsausbau kommt. Apelle allein genügen nicht.“
In der abschließenden Podiumsdiskussion stand der Forschungsbedarf unter anderem für die ökologische Tierhaltung im Mittelpunkt. Dr. Christian Lambertz von der Universität Gießen hob dabei als zentrale Herausforderung eine tierübergreifende ökologische Intensivierung hervor, eine bessere Ressourceneffizienz, weniger Nahrungsmittelkonkurrenz und die Notwendigkeit zur Emissionsminderung. „Auch die Suche nach alternativen Eiweißquellen bleibt ein wichtiger Forschungsschwerpunkt“, sagte Lambertz.
Prof. Dr. Miriam Athmann von der Universität Kassel verwies auf die Notwendigkeit zur ökologischen Intensivierung auch in der Pflanzenproduktion, die gemeinsam mit der Praxis angesteuert werden sollte. Die Ertragslücke im Öko-Landbau müsse ehrlich angesprochen werden. „Es geht nicht darum, die Erträge zu maximieren, sondern zu optimieren. Durch mehr Forschungswissen könnte das Potenzial auf einzelnen Standorten besser genutzt werden“, sagte Athmann.
Besonderen Forschungsbedarf sieht sie in der Interaktion zwischen Pflanze und Boden. Angestrebt werden sollten langfristige trans- und interdisziplinäre Forschungsprojekte mit Praxisbeteiligung, etwa zu vielfältigen Fruchtfolgen und Mischkultursystemen.
Auf die mangelnde Forschungsstruktur im ökologischen Lebensmittelbereich wies Dr. Iris Lehmann vom Max-Rubner-Institut hin. Das gelte für die Verarbeitung und Vermarktung, für den Handel und die Ernährung mit Bio-Produkten. Lehmann: „In der Bio-Verarbeitung ist generell mehr spezielles Wissen notwendig. Das können die meist kleinen Verarbeitungsbetriebe häufig nur schwer weiterentwickeln ohne externe Forschungsunterstützung und Vernetzung.“
Um den Konsum von Bio-Lebensmitteln zu steigern, seien vor allem der Preis und die Sensorik ausschlaggebende Faktoren. Bei verarbeiteten Bio-Produkten als veganer Ersatz für Fleischprodukte bleibe es zudem eine Herausforderung, dem Geschmack der Konsumentinnen und Konsumenten gerecht zu werden, ohne künstliche Aromastoffe zu verwenden. Konventionelle Produkte hätten hier aktuell geschmackliche Vorteile.
Zu den Herausforderungen beim Wissenstransfer in die Praxis nahm Gwendolyn Manek von der Bioland Beratung Stellung. Sie forderte einen Perspektivwechsel vorzunehmen und gegenseitig Verständnis zu zeigen. Weiterhin brauche es eine verbesserte Marktpolitik, erweiterte Aus- und Weiterbildungsangebote, den Abbau von bürokratischen Hürden und eine umfangreichere individuelle Beratung, um Betrieben die Umstellung auf Öko-Landbau zu erleichtern und sie im Öko-Sektor zu halten. „Wir müssen Betriebe in die Lage versetzen, ihren eigenen Weg zu finden“, sagte Manek. „Dafür müssen wir ihnen eine Vielzahl individueller Lösungsansätze an die Hand geben. Das können auch Forschungsmethoden für die Praxis sein, bei deren Umsetzung die Betriebe unterstützt werden.“ Forscherinnen und Forscher müssten zudem dazu befähigt und ermutigt werden, ihre Forschung möglichst praxisnah zu gestalten und ihre Ergebnisse zielgruppengerecht zu vermitteln.
Jürgen Beckhoff/ BÖL
Auf der BMEL-Internetseite zum Strategieprozess sind weitere Informationen zur Veranstaltung sowie rund um den Prozess hin zu einer ressortübergreifenden Strategie der Bundesregierung zur Stärkung der ökologischen Agrar- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland zu finden.