Im Jahr 2022 wurden zwei Kartoffelsortenversuche auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben durchgeführt. Seit über 24 Jahren führt die Landwirtschaftskammer Öko-Kartoffelsortenversuche durch, derzeit stehen 34 Sorten in den Versuchen.
Auf zwei Standorten (Viersen/Willich-Anrath und Gütersloh/Rheda-Wiedenbrück) wurden weitestgehend sehr frühe bis mittelfrühe Sorten mit überwiegend festkochenden und vorwiegend festkochenden Kocheigenschaften getestet. Auf beiden Standorten handelt es sich um jeweils einen sandigen Lehm.
Auch in diesem Jahr brachte am Anfang des Jahres das unterschiedliche physiologische Alter der Pflanzgutpartien unterschiedliches Keimverhalten mit sich. Die Preise für Zukaufdünger stiegen stark an, Dünger wurde von der Verfügbarkeit her knapp (HTK, Haarmehlpellets). Es waren Vorbestellung nötig. Gülle und andere Wirtschaftsdünger wurden weniger getauscht oder abgegeben. Bio-Komposte brauchen zehn bis zwölf Wochen bei den Kompostwerken. Bei allen Zukaufdüngern sind Mindestabnahmemengen zu beachten. Die stark steigenden Produktionskosten müssen Abnehmern erläutert und auf den Kilopreis der Produkte aufgeschlagen werden.
Bereits im März zeigten sich trockene Bedingungen, allerding ist eine Pflanzung ab April bei höheren Bodentemperaturen für einen zügigen Auflauf besser. Im April gab es etwas Kälte mit Graupel, Hagel und teilweise Frost, dann allerdings einen starken Temperaturanstieg und Trockenheit, sodass bereits Ende April über Beregnung nachgedacht wurde. Beregnung war dann spätestens im Mai angesagt, insbesondere auf den leichteren Böden. Dennoch war je nach lokalen Niederschlägen und Reihenschluss ab Ende Mai eine erste Kupferbehandlung nötig. Die Krautfäule war in diesem Jahr aufgrund der Trockenheit eher nicht das Problem. Im Juni traten dann auch Kartoffelkäfer auf, die mit Novodor FC (Notfallzulassung) und Neem Azal (reguläre Zulassung mit Erweiterung) bekämpft werden konnten. Ab Juli waren dann beregnete Kartoffelflächen bereits erntereif und sollten noch schalenfest werden.
Die extrem warmen Temperaturen im Juli und August mit immer wieder lokalen Niederschlägen führten zu Durchwuchs. Teileweise blieben die Bestände lange grün, da die Krautfäule ausblieb, hier musste geschlegelt werden, damit die Stärkegehalte nicht zu sehr anstiegen. Auch ein stärkerer Drahtwurm und Drycore-Befall wurden in diesem Jahr festgestellt. Im September wurde es teilweise wieder zu feucht und Erwinia trat auf. Bei Partien mit solchen Mängeln (Übergrößen, Stärke zu hoch) wurde über Abgabe in die Stärkeindustrie oder als Futterkartoffeln nachgedacht. Insgesamt ist das Jahr 2022 für die Kartoffeln sehr stressreich gewesen, sodass von Nachbaupflanzgut abgeraten wird.
Aufgrund der Erfahrungen aus dem BÖLN-Projekt 2009 bis 2012 am Standort Gütersloh wurde auch in diesem Jahr wieder an den zwei Standorten Viersen und Gütersloh eine Zeiternte durchgeführt, um zu schauen, wie schnell die einzelnen Sorten vor einem möglichen Krautfäulebefall ihren Ertrag machen. Die Zeiternten sollen rund 70 Tage nach dem Legen erfolgen, da dies der Zeitpunkt der ersten Krautfäuleinfektionen in NRW zu sein scheint. In Viersen (62 Tage, 21. Juni 2022) wurde die Beerntung rund eine Woche früher aufgrund der Ökofeldtage durchgeführt. In Gütersloh (62 Tage, 21. Juni 2022) war die Zeiternte ebenfalls etwas vorgezogen. Am Standort Viersen hatten zu diesem Zeitpunkt vor allem die frühen Sorten, wie Adorata (159 %), Anuschka (160 %), Lea (199 %), BIM13-678-01 (137 %), Mikado (187 %) und Vindika (157 %), deutlich überdurchschnittliche Markterträge erzielt. Im mittelfrühen Block waren es insbesondere die Sorten Almonda (112 %) und Levante (114 %). Dies bezieht sich auf das Mittel der Standardverrechnungs- und Vergleichssorten im jeweiligen Block (sf/f-Sorten Anuschka, Belana, Wega, Antonia; mf-Sorten: Allians, Almonda, Emanuele, Jule, Simonetta), die zu diesem Zeitpunkt im jeweiligen Mittel 150 (sf/f) und 206 (mf) dt/ha Marktertrag aufwiesen.
Deutlich unterdurchschnittliche Markterträge wiesen die Sorten Goldmarie (49 %), Wega (23 %), Grenadine (53 %), Heidemarie (53 %) und Mary Ann (43 %) auf. Diese Sorten waren 2022 eher langsam in der Ertragsbildung. Ganz wenige Übergrößen hatten zur Zeiternte bereits die Sorten Anuschka, Lea, Mikado, Almonda und Simonetta. Etwas mehr Untergrößen wiesen vor allem die Sorten Marion, Antonia, Jule, Mary Ann und Merle auf.
In Gütersloh lagen die jeweiligen Mittelwerte der Standardsorten zur Zeiternte mit nur 104 dt/ha im sf/f-Block und mit 115 dt/ha im mf-Block niedriger als in Viersen, aber etwas höher als in 2021. Deutlich überdurchschnittlich waren nur die Sorten BIM-13-678-01 (127 %), Mikado (122 %) und Simonetta (124 %). Deutlich unterdurchschnittlich waren die Sorten Camelia (68 %), Darling (56 %), Juventa (66 %) und Sound (43 %). Übergrößen gab es zu diesem Zeitpunkt in Gütersloh fast keine, es waren fast nur Untergrößen vorhanden (37 bis 39 %), so dass auch die Markterträge sehr gering waren zu dem Zeitpunkt. Die Mittelwerte über die Jahre zeigen, welche Sorten eher schneller und welche eher langsamer in ihrer Ertragsbildung sind.
Die Krautfäule trat in diesem Jahr in Viersen ab etwa dem 8. Juli auf. Ab Mitte Juli begann auch schon das Absterben des Laubes, sodass die Krautfäule praktisch keinen Einfluss auf den Ertrag hatte. In Gütersloh war ab 18. Juli etwas Krautfäule zu verzeichnen. Aber auch hier dürfte es nicht ertragsrelevant gewesen sein, da zu dem Zeitpunkt schon hohe Absterberaten des Laubes vorlagen.
In der Speisewertprüfung werden Fleischfarbe, Farbreinheit, Festigkeit, Geruch und Geschmack bewertet und anschließend wird eine Gesamtnote zwischen 1 (sehr gut) und 5 (schlecht) vergeben. Alle Werte sind mit Vorsicht zu interpretieren, da nicht mit geschulten Testessern gearbeitet wird. Allerdings soll der Geschmack des Verbrauchers getroffen werden. Über eine Vielzahl an Testern und Jahren kann man einen ganz guten Eindruck der Sorten bekommen. Vorliegende Ergebnisse der neueren Sorten sind aber überwiegend einjährig! Besonders gut schmecken die Sorten Isabelia (2,0), Vindika (1,9), Lisana (2,2), Jule (2,3) und Odett (2,3). Bisher eher schlechter abgeschnitten haben die Sorten Avanti (3,9), Mikado (3,2), Mary Ann (3,2), Peter Pan (3,5), Juventa (3,4), Swing (3,4) und Theresa (3,2).
An den Versuchsstandorten konnte zum Teil beregnet werden (Viersen) oder der Grundwasserspiegel ist relativ hoch (Gütersloh). Für alle Standorte wurden die Kartoffeln für die Sortenversuche zentral in Auweiler vorgekeimt. Die Erträge fielen in diesem Jahr in Viersen höher und in Gütersloh geringer aus als in 2021. Im Mittel der Standard- und Vergleichssorten Anuschka, Belana, Wega und Antonia in sf/f-Block wurde ein Rohertrag von 420 dt/ha in Viersen erreicht. Im mittelfrühen Block waren es im Mittel der Standardsorten Allians, Almonda, Emanuele, Jule und Simonetta am Standort Viersen 483 dt/ha. Das waren 211 und 218 dt/ha mehr als im Jahr 2021 (+82 bis +101 %). In Gütersloh erreichten die Standardsorten ein Mittel von 234 und 253 dt/ha (sf/f und mf), das waren 63 dt/ha (sf/f) und 158 dt/ha weniger (mf) als in 2021 (-21 und -38 %). Die Untergrößen lagen im Mittel mit 1,8 und 1,2 % (sf/f und mf) in Viersen gering und mit 9,0 und 13,5 % (sf/f und mf) in Gütersloh etwas höher. Übergrößen gab es in Viersen in 2022 bei den späteren Sorten etwas mehr (5,3 und 9,9 % sf/f und mf). In Gütersloh war der Anteil Übergrößen geringer (1,8 und 3,1 % bei sf/f und mf). Die Stärkegehalte waren mit 12,7 und 13,1 % in Viersen sowie mit 14,6 und 14,8 % (sf/f und mf) in Gütersloh etwas höher als im Jahr zuvor.
Die Roherträge der Kartoffelsorten lagen zwischen 183 dt/ha (Sorte Goldmarie in GT) und 632 dt/ha (Sorte Peter Pan in Viersen) bei der Endernte. Deutlich über 100 % Marktertrag erzielten am Standorte Viersen die Sorten BIM 13-678-01 (129 %), Mikado (127 %), Antonia (131 %) und Peter Pan (130 %) sowie am Standort Gütersloh die Sorten Lea (127 %), Simonetta (138 %), Gaya (157 %), Camelia (129 %) und Merle (128 %). Deutlich unter dem durchschnittlichen Marktertrag lagen am Standort Viersen die Sorten Grenadine (68 %) und Heidemarie (72 %) sowie am Standort Gütersloh die Sorten Goldmarie (67 %), BIM 13-1422 (69 %), Capucine (69 %) und Heidemarie (80 %).
Bei den Knollenqualitäten fiel in 2022 am Standort Viersen vor allem der Befall mit Drahtwurm auf. Insbesondere die Sorten Adorata (75 %), Annegret (80 %), Belana (72 %), Goldmarie (81 %)Wega (71 %), Emanuele (70 %) und Heidemarie (82 %) waren betroffen. Außerdem traten stärkerer Drycore-Befall (v.a. Annegret 71 %, Belana 74 %, BIM 13-1422 mit 70 % und Heidemarie 86 % auf). Auch die Anzahl an Rhizoctonia-deformierten Knollen war bei einigen Sorten sehr hoch, wie bei Goldmarie 67 % und Heidemarie 69 %.
In Gütersloh wurden in diesem Jahr ebenso höhere Drycore- und Drahtwurm-Befallswerte ermittelt. Bei Drahtwurm waren die Sorten Belana (68 %), Capucine (69 %) und Juventa (66 %) betroffen, bei Drycore vor allem die Sorten Annegret (56 %) und Juventa (52 %).
Antonia (Züchter: Europlant, Zulassung 2008, Vergleichssorte): Antonia ist eine mittelfrühe, festkochende Sorte mit ovaler Knollenform und gelber (tiefgelber) Fleischfarbe. Diese Sorte ist schon älter, war eine Exklusivsorte und ist jetzt frei. Sie soll auch für den Ökolandbau geeignet sein. Sie hat einen hohen Knollenansatz und soll hohe Erträge erbringen. Bei uns liegt sie bei mittleren 102 % relativen Marktertrags im Mittel dreier Jahre und ist schwankend im Ertrag, wobei die Sortierung gleichmäßig ist (6,3 % Untergrößen, 2,1 % Übergrößen). Gute Stärkegehalte von 13,5 % lassen auf einen guten Geschmack hoffen. Die Speisetests waren auch gut bis mittel mit einer guten Note von 2,7. Bei der Zeiternte erreichte sie im Mittel nur 83 % Relativertrag, wobei sie stark schwankt auf den Standorten und Jahren (von 34 % bis 102 %). In 2021 war sie eher schlechter bei der Krautfäule und schneller hoch befallen auf beiden Standorten. Ansonsten scheint sie recht knollengesund zu sein, etwas Drahtwurm war 2021 zu verzeichnen (91% in Viersen). Auch 2022 war sie vergleichsweise besser bei Drahtwurm und Drycore. Als eine keimruhige Lagersorte ist sie für die Abpackung geeignet.
Emanuelle (Züchter: HZPC, Zulassung 2019, Vergleichssorte, 10 % Liste bei Bioland): Emanuelle ist eine mittelfrühe, festkochende Sorte mit langovaler Knollenform und gelber Fleischfarbe. Es handelt sich hierbei um eine Allians-Kreuzung, die somit krautfäulestabiler sein müsste. Im Feld trat in 2020 und 2022 keine Krautfäule auf. In 2021 war sie mit Note 6 jeweils auf den beiden Standorten eher schlechter einzustufen. Sie soll einen hohen Ansatz haben. Zur Zeiternte kommt sie im Mittel auf gute 103 % Relativertrag bei etwas Schwankungen zwischen den Jahren und Standorten. Der Ertrag zur Endernte lag im Mittel bei 91 %, wobei etwas Übergrößen im ersten Jahr auftraten (Mittel 9,5 %). Der Stärkegehalt lag bei 11,9 %. Die Geschmackstests ergaben im Mittel eine Note von 2,8. Für Eisenfleckigkeit soll sie gering anfällig sein. In 2021 und 2022 trat vermehrt Drahtwurm in Viersen auf (77 und 70%) und auch mehr Drycore (44 und 69 %). Insgesamt war diese Sorte aber auf vielen Standorten bundesweit gut, sie kann ausprobiert werden.
Jule (Züchter: Solana, Zulassung 2019, Vergleichssorte): Jule ist eine mittelfrühe, festkochende Sorte mit ovaler Knollenform und gelber Fleischfarbe. Auch Jule ist langsam zur Zeiternte mit nur 72 % Relativertrag. Zur Endernte wird ein hoher Ertrag erwartet mit gute Sortierung. Bei uns lag sie im Mittel zweier Jahre bei mittleren 100 % relativen Marktertrag und guter Sortierung. Die Stärkegehalte liegen bei mittleren 12,1 %. Sie ist gering keimfreudig, gut lagerfähig und für die Direktvermarktung und die Abpackung geeignet. Die Krankheitsanfälligkeiten sollen sehr gering (Eisenflecken, Schorf), gering (Rhizoctonia) bis gering-mittel (Krautfäule) sein. Jule war in Viersen bis Anfang Juli sehr stabil (Note 2) und brach dann zusammen, in Gütersloh war sie im Mittelfeld (Note 5). Mit Drahtwurm (81 %), Drycore (55 %), Rhizoctonia (66 %) und erhöhtem Rhizoctonia-Index (3,54) fiel sie 2021 in Viersen negativ auf. In Gütersloh hatte sie 2021 auch mehr Rhizoctonia (82 %), allerdings deutlich weniger Schorf als die anderen Sorten. Im Geschmack kommt sie bei uns auf eine anfänglich mittelgute Note von 2,7.
Dr. Claudia Hof-Kautz,
Landwirtschaftskammer NRW
Im sehr frühen Segment sind altbewährte Sorten, wie Annabelle, Anuschka oder Glorietta, zu empfehlen. Von den neuern Sorten ist Lea (festkochend, tiefgelb, schnell, langoval, gute Geschmack) interessant.
Bei den frühen Sorten sind bekannte Sorten, wie Belana, Campina, Goldmarie, Julinka, Malika, Musica, Princess, Solo, Queen Anne, Vitabella, Wega, Augusta und Gunda, zu empfehlen. Von den neueren Sorten ist die folgende Sorte interessant für einen Testanbau: Marion (zügig, tiefgelb, gute Marktertrag).
Im mittelfrühen Segment sind Allians, Almonda (früher Bellanova), Baltic Rose, Belinda, Ditta, La Viersen, Linda, Regina, Noblesse, Novira und Laura bewährt. Von den neueren Sorten könnten folgende ausprobiert werden: Antonia (mittelschnell, gute Ertrag, gute Sortierung, gute Geschmack), Emanuelle (Allians-Kreuzung, auf vielen Standorten gut), Jule (Ertrag, Sortierung, gesund), Otolia (sehr schnelle Ertragsbildung, hoher Endertrag, krautfäulestabil / Resistenz, gering Rizoctonia anfällig, guter Geschmack), Simonetta (festkochend, tiefgelb, hoher Ertrag, gute Sortierung, sehr guter Geschmack, knollengesund) und Olivia (guter Ertrag und gute Sortierung, Nematoden-Toleranz).
Im mittelspäten Segmenten könnten Gaya (hoher Ertrag, Krautfäule stabil, Trockenheitstolerant), Levante (langoval, guter Geschmack und Ertrag) und Sevilla (Krautfäule resistent, guter Ertrag) interessant sein.