Die Sonne ist gerade erst aufgegangen, doch auf dem Biolandhof Frohnenbruch in Kamp-Lintfort herrscht an diesem Dienstagmorgen bereits reger Betrieb. Nach und nach treffen die Schülerinnen und Schüler der landwirtschaftlichen Oberstufenklasse des Berufskollegs Kleve auf dem Besucherparkplatz ein. Um halb neun sammelt sich die Gruppe um Betriebsleiter Klaus Bird und Sohn Paul. Heute – Corona bedingt deutlich später als ursprünglich gedacht – findet auf Hof Frohenbruch der erste Ökopflanzenbautag des Jahres 2020 statt. Laura Noh, Ökoteam der Landwirtschaftskammer NRW berichtet.
Die Öko-Pflanzenbautage wurden erstmals 2019 gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Berufsschulen, den Bio-Anbauverbänden und dem Fachbereich Ökolandbau der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen initiiert und durchgeführt. Im Kern geht es darum, den zukünftigen Landwirt*Innen, schon in der Ausbildungszeit einen umfassenden Einblick in den ökologischen Landbau zu ermöglichen.
Neben den theoretischen Unterrichtseinheiten sind Exkursionen auf Biohöfe sehr hilfreich. Diese werden im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung durchgeführt und finanziell vom Landwirtschaftsministerium NRW unterstützt. Bereits im letzten Jahr fanden die Exkursionen – damals noch ohne Coronaeinschränkungen – im Sommer statt. Für dieses Jahr mussten Planung und Durchführung erst einmal hintenangestellt werden. Nun hat es für einige Berufsschulklassen in NRW doch noch geklappt. Das Berufskolleg Kleve machte den Anfang.
"Hier auf dem Hof sind wir alle per du", macht Klaus Bird direkt zur Begrüßung der Runde klar. Kurz stellt sich auch Franz-Theo Lintzen vor, der Öko-Berater der Landwirtschaftskammer NRW leistet fachliche Unterstützung. Der Biolandhof Frohnenbruch bewirtschaftet 90 ha mit Fleischrindern, Geflügel, Schweinen und einer Direktvermarktung.
Die erste Station des Betriebsrundgangs ist der Außenklimastall der Fleischrinder. Die Stallungen sind – bis auf das Dach - vierseitig offen. "Wir haben uns gedacht, wir probieren das einmal aus. Schließen können wir dann immer noch" erinnert sich Bird. Der offene Stall zeigt sich als voller Erfolg für die Mutterkuhhaltung und besonders die Atemwegserkrankungen der Rinder, so Bird, reduzierten sich im Vergleich zum alten Stallgebäude deutlich.
Paul Bird hat den Anhänger bereits hinter den Trecker gehängt, gepolstert auf Strohballen und ausgerüstet mit Mund-Nasen-Schutz nehmen alle Platz. Dann geht es, unter lautem Protest der Mutterkühe, mit dem Trecker auf die Weide. Insgesamt hält der Hof Frohnenbruch 230 Limousin-Rinder in verschiedenen Herdengruppen.
Aufgezeichnet wird hier alles digital: "Wenn der Azubi zum Beispiel eine Besamung durch den Bullen sieht, kann er das direkt in die App eintragen, damit wir Bescheid wissen". Die Digitalisierung ist auf dem Betrieb eine große Hilfe, um Arbeitsabläufe zu erleichtern und das scheint auch die Schülerinnen und Schüler zu beeindrucken. "Die neuen Techniken bringen ganz neue Möglichkeiten und Gedanken, damit geht es richtig vorwärts", so Bird.
Paul Bird fährt zum nächsten Highlight des Rundgangs: Auf seine Initiative hin werden seit zwei Monaten 14 Freilandschweine gehalten. Die Schweine werden hauptsächlich mit betriebseigenem Futter versorgt und sie werden aktiv in die Fruchtfolge eingebaut. Bei den Schüler*Innen kommen viele Fragen auf: Wie ist es mit der Kastration, welche Herausforderungen bringt ASP und wie lange werden die Schweine draußen gehalten? Der junge Landwirt erklärt alles ganz genau und betont, dass die Schweine möglichst ganzjährig draußen bleiben sollen. "Schweine sind sehr schlau, wenn man die von hier draußen in einen engen Stall verlegt, werden sie mit Sicherheit aus Langeweile depressiv", sagt Paul Bird schmunzelnd.
Von weitem ist schon eines der Hühnermobile zu sehen. Schnell werden die Überzieher für die Schuhe verteilt – so viel Zeit für ausreichende Hygiene muss sein, dann dürfen sich alle das Hühnermobil und die Legehennen aus nächster Nähe anschauen. Ein immer wiederkehrendes Diskussionsthema – sowohl in der biologischen als auch in der konventionellen Landwirtschaft – ist das Töten der männlichen Küken, den "Brüdern" der Legehennen.
Klaus Bird erzählt von den immer häufiger werdenden Nachfragen der Kundinnen und Kunden im Hofladen. Infolge dessen traf Familie Bird gemeinsam mit ihren KundInnen eine Vereinbarung: Der Betrieb startet mit der Aufzucht von Bruderhähnen, die KundInnen zahlen dafür mehr für die Eier und nehmen auch die Bruderhähne ab. So starteten die ersten Versuche die "Bruderhähne" mitaufzuziehen. "Klar", so Bird Senior, "das Ei wird teurer. Aber wichtig ist es, dem Kunden zu kommunizieren, was dahintersteckt und was er mit einem höheren Preis unterstützt. Der Kunde muss nicht immer nur glücklich sein, wenn er wenig ausgegeben hat. Andersrum kann es genauso funktionieren!" Aus einem zögerlichen Versuch wurde eine erfolgreiche Story: mittlerweile werden alle Brüder aufgezogen.
Mit diesem Denkanstoß endet die offizielle Führung, doch der Gesprächsbedarf von Seiten der Schülerinnen und Schüler ist groß: Wie ist es mit Ernteerträgen? Gibt es Ertragsunterschiede zum konventionellen Anbau? Und wie wird man als Biobetrieb eigentlich zugelassen und zertifiziert?
Klaus Bird steht den Schülerinnen und Schülern des Berufskollegs Kleve Rede und Antwort und er erinnert sich: "Beim Umstellen hatte ich Angst, dass mir im Traum die Unkräuter aus den Ohren wachsen." Ein Schmunzeln geht durch die Runde: Aus den Ohren ist ihm das Unkraut nicht gewachsen und bis heute hat er nicht bereut, umgestellt zu haben.
Seine Frau Bärbel (gelernte Metzgermeisterin) und Tochter Eva (gelernte Einzelhandelskauffrau und Metzgermeisterin) sind für die Fleischverarbeitung und Direktvermarktung zuständig. Der ohnehin gut laufende Hofladen erfahre im Laufe der Corona Pandemie immer mehr Zulauf, führt Klaus Bird aus. Wichtig für eine treue Kundschaft sei eine offene und ehrliche Kommunikation, so der Betriebsleiter.
Die zukünftigen Landwirte und Landwirtinnen hören gespannt zu. Auch für sie kam heute viel Neues dazu. "Bio-Landwirtschaft ist eigentlich kein großes Thema in der Schule", so einer der Oberstufenschüler "besonders für unsere Klasse, in der viele von konventionellen Höfen kommen, ist es interessant, auch mal die andere Seite kennenzulernen."
Klaus Bird hat am Ende der Exkursion noch einen Rat für alle NachwüchslerInnen: "Geht mit offenen Augen durch die Ausbildung. Guckt euch alles an und geht euren Weg." So endet der Ökopflanzenbautag für die Berufsschulklasse aus Kleve. Dann geht`s zurück in den Klassenraum, auf die SchülerInnen wartet heute noch eine Klausur.
Autorin: Laura Noh, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, 02. November 2020