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Biogaserzeugung neu aufgestellt

27.09.2023

Stand und Perspektiven von Biogas in der Landwirtschaft standen am 11. und 12. September im Mittelpunkt eines zweitägigen Kongresses in Bonn. Als Veranstalter hatten KTBL und FNR gemeinsam eingeladen. Deutlich wurden im Verlauf die verschiedenen Sichtweisen von Politik, Verbänden und Wissenschaft auf die zukünftige Rolle von Biogas in der Gas- und Stromproduktion.

Etwa 120 Besucher vor Ort und 100 Teilnehmer am Bildschirm waren dabei, als Henning Eckel, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) und Dr. Petra Schüsseler, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), in das Programm einführten. „Wir sind gefordert, Lösungen für die Energiewende zu finden und die weitere Rolle der Bioenergie zu klären“, so die Referentin der FNR. In diesem Prozess zeigten politisch gesetzte Rahmenbedingungen Prioritäten für die weitere technologische Entwicklung auf.

Unter Vorsitz von Dr. Joachim Matthias und unterstützt durch die Landwirtschaftskammer NRW habe der Programmausschuss einen passenden Rahmen geschaffen, die anstehenden Fragen zur weiteren Ausrichtung von Biogas in der Landwirtschaft zu klären, so Henning Eckel. Er verwies auf die Webseite des KTBL mit Rechentools, die Betreiber landwirtschaftlicher Biogasanlagen bei den aktuell relevanten Fragen unterstützen. Ziel sei es, für die Zukunft den Anlagenbestand in der Landwirtschaft mindestens zu erhalten oder gar zu erhöhen, so Dr. Petra Schüsseler. Optimierte Verfahren, Aufgaben im Emissionsschutz aus der Tierhaltung sowie Kreislaufwirtschaft und Substrate aus Reststoffen zum Ersatz von Energiepflanzen seien zurzeit über die FNR geförderte Biogasbereiche.

Nachhaltigkeit von Biogas punktet

Entsprechend zielte auch Tino Barchmann als Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL, zu Beginn des Kongresses auf die vielseitige Rolle von Biogas ab. Neben der Wertschöpfung in den unterschiedlichen Energiesystemen, inklusive Wärmeversorgung, verringere der zunehmende Einsatz von vergorenen Wirtschaftsdüngern die Treibhausgasemissionen: „Die Landwirtschaft kann so zum Klimaschutz beitragen!“

Tatsächlich stagniere die Nutzung von Wirtschaftsdüngern immer noch bei einem Drittel des Gesamtaufkommens. „Die Kurve muss zukünftig steigen“, mahnte der Vertreter des Bundesministeriums an. Dabei räumte er ein, dass es um die Wirtschaftlichkeit von Güllekleinanlagen vor allem aufgrund großer Kostensteigerungen nicht gut bestellt sei. Für Nachbesserungen innerhalb des EEG gebe es eine Reihe von Optionen, inklusive des Gedankens,die Höchstwerte weiter anzuheben, so Tino Barchmann. „Es gibt einige Fragen zu besprechen.“

Die Energiepolitik stehe im Spannungsfeld von Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit. Darin ordnete der Referent des Bundesministeriums Biogas als eine wesentliche, strategische Anwendung ein. Hochflexible Stromerzeugung, Biokraftstoffe der zweiten Generation für ausgewählte Sektoren wie dem Schwerlastverkehr, die nicht elektrifiziert werden können, machten Biogas für die Energiepolitik strategisch interessant. „Die Energiewende ist eingebettet in das Versorgungssystem“, betonte auch Prof. Dr. Uwe Holzhammer, Technische Hochschule Ingolstadt. Bei zunehmend schwankendem Angebot für die Stromgewinnung aus Wind und Sonne bleibe die Frage der Residuallast bestehen, zu der Biogas als flexibler Stromproduzent seinen Beitrag leisten könne. Unter Residuallast versteht man den Anteil des Stromverbrauchs, für den der Strom nicht über erneuerbare Energie erzeugt werden kann. Insgesamt machte der Referent einen breiten, mehrspurigen Nutzungspfad für Biogas aus, der in den vergangenen 20 Jahren angefangen habe, sich technisch auszubilden. „Generell hat die Branche eine hohe Anpassungsfähigkeit bewiesen.“ Und ähnlich wie sein Vorredner aus dem BMEL machte er deutlich, „Biogas verknüpft verschiedene Bereiche der Energiewende und wirkt wie ein Klebstoff zwischen diesen Bereichen“.

Multifunktionale Zukunft

„Es steht um den Anlagenbestand nicht gut“, eröffnete Dr. Peter Kornatz, Deutsches Biomasseforschungszentrum (DBFZ) Leipzig, seinen Vortrag, der Biogas als multifunktionalen Baustein für die Energieversorgung, den ländlichen Raum und die Umwelt ausführte. Er gab zu bedenken, dass zwischen 2029 und 2034 mit einem großen Einbruch gerechnet werden müsse, sofern Anlagen nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Förderphase nicht weiter betrieben würden. Und er legte den Finger in die Wunde: „Die Probleme liegen bei den typisch landwirtschaftlichen Anlagen zwischen 250 und 500 kW Leistung, wo wir einen Trend zur Abnahme beobachten.“

Er mahnte an, Leistungen wie die Vergärung von Wirtschaftsdüngern sowie von Anbaubiomasse, die helfe, Fruchtfolgen zu erweitern, oder auch von Blühstreifen mit rein ökologischem Wert, wirtschaftlich besser zu stellen. Der politische Wille sei zwar im Klimaschutzpaket 2030 formuliert, spiegele sich zurzeit allerdings noch zu wenig in den ausgestalteten Maßnahmen wider.

Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Biogastechnologie sieht der Referent des DBFZ nicht auf Strom oder Energie insgesamt beschränkt und er sprach verschiedene Möglichkeiten der stofflichen Nutzung an. Dementsprechend lege das DBFZ seine Forschungsschwerpunkte darauf, Biogas in der Landwirtschaft zu nutzen, um Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. „Es geht um eine sinnvolle stofflich-energetische Kopplung.“ In unterschiedlichen Kooperationen mit Industrieunternehmen würden etwa die CO2-Nutzung wie auch andere stoffliche Nutzungspfade ausprobiert. Damit beschrieb er die Zukunft von Biogas bei ländlichen Bioraffinerien, deren Produkte vorrangig von lokal verfügbaren Einsatzstoffen und Abnahmestrukturen bestimmt werden.


Biomethan und oder Wasserstoff?

Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 stehe die Gasversorgung vor tiefgreifenden Transformationen. Diese könnten von der Gaswirtschaft nicht alleine geplant oder beschlossen werden, so Andreas Weber, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der in das Thema grüne, biobasierte Gase einführte. Im „Transformationspfad Gas“ des BDEW zeige die Gaswirtschaft auf, wie Rahmenbedingungen und Geschäftsmodelle ineinandergreifen müssten. „Neue Gase sind unverzichtbar: grüner, blauer und auch türkiser Wasserstoff.“ Die Transformation der Gasinfrastruktur beschrieb er als spannendes Thema, insofern bestehende Versorgungswege für Biomethan zunächst erhalten bleiben sollen. Gleichzeitig gelte es, Biomethan und Wasserstoff in ausreichenden Mengen bereitzustellen. „Es gibt erhebliche Unsicherheiten in Hinblick auf technologische, geopolitische und gesellschaftliche Entwicklungen“, stellte er die augenblickliche Situation dar.

Zurzeit ginge nur etwa 10 % der gesamten Biogasproduktion als Biomethan in die Gasversorgung und etwa 90 % werde verstromt, so der Vertreter des Verbands der Energie- und Wasserwirtschaft zu den Zahlen. Allerdings stabilisiere die inländische Biomethanproduktion die Resilienz, sprich die Belastbarkeit des Gesamtsystems.

Prof. Dr. Sandra Rosenberger, Hochschule Osnabrück, bestätigte die zunehmende Rolle von Wasserstoff als Energieträger und die damit verbundenen Anforderungen einer flächendeckenden Infrastruktur zur Verteilung. „Von daher ist es sinnvoll, die Infrastruktur für Erdgas auf die Verteilung von Wasserstoff zu verlegen“. Vor diesem Hintergrund sieht sie ab 2030 Teile des Erdgasnetzes auf Wasserstoff umgewidmet. Gleichzeitig reduzierten die starken Anreize zur Kraftstoffproduktion gemäß Erneuerbare Energien-Richtlinie (RED II) die Mengen des verfügbaren Biomethans für die Erdgasnetze. „Wasserstoff aus Biogas ist eine Option!“, machte sie deutlich.

Wie dies für landwirtschaftliche Biogasanlagen ein praktikabler Weg werden kann, erläuterte Andy Gradel, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), der ein einfaches Verfahren der Dampfreformierung zur Produktion von grünem Wasserstoff aus Biogas vorstellte. „Wir vertreiben Reformermodule für den Hofeinsatz.“ Landwirtschaftliche Anlagen, insbesondere bis 500 kW, stünden im Fokus der Ausgründung der RWTH Aachen. Im Umfeld von Kommunen mit Flotte könnten Wasserstoff-Hofanlagen den Treibstoff für einen klimaneutralen öffentlichen Nahverkehr liefern. Im Pilotbetrieb einer Modellanlage in Krefeld konnten 2023 notwendige Daten erhoben werden, um den erzeugten Kraftsoff quotenfähig in Verkehr zu bringen: „Eine Tankstelle, 100 m vom Milchviehstall, wird gerade zertifiziert."


Stromproduktion nach Ablauf des EEG

Etwa 90 % des insgesamt produzierten Biogases aus landwirtschaftlichen Anlagen werde zurzeit ortsnah verstromt, stellte Uwe Welteke-Fabricius, Netzwerk Flexperten, seinem Vortrag voran. Die Frage, wie es nun weitergehen soll, liege also auf der Hand. Aus seiner Sicht werde Strom aus Biogas gerade in den kommenden Jahren dringend benötigt, um die schwankende Stromgewinnung aus Wind und Sonne auszugleichen. „Wir brauchen bei allen möglichen Flexibilitäten auch regelbare Erzeuger!“

Trotz Flexprämie sei der Beitrag von Biogas in den vergangenen Jahren sehr stark hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben. Entsprechend sei die Performance am Strommarkt äußerst gering. „Wer sich jetzt nicht umstellt, ist 2030 aus dem Markt“, machte er mit deutlichen Worten klar. Bundesweit gebe es erst wenige, aus seiner Kenntnis lediglich etwa 300 Biogasanlagen, die konsequent als Speicherkraftwerke flexibilisiert wurden. Innerhalb des Projekts VisuFlex konnte die faktische Einspeisung von flexiblen Anlagen transparent dargestellt werden. Die Ergebnisse belegten, so der Experte aus Kassel, dass durch eine vervielfachte BHKW-Leistung von Anlagen ein wichtiger Beitrag geleistet werden kann, stillgelegte Kraftwerke, Kohle- und Atom-, zu ersetzen. „Eine Veredlung des Stroms in Flexstrom mit Wärmenutzung hält die Wertschöpfung im ländlichen Raum.“

Darauf aufbauend erläuterte Dr. Johannes Krümpel, Universität Hohenheim, das Modell „Powerland 4.2“. Ziel ist es, Berechnungsmodelle zu entwickeln und zu verknüpfen, sodass ein vollautomatischer, flexibler Anlagenbetrieb ermöglicht und im Praxistest geprüft wird. Bisher sei es gelungen, gute Prognosen der zu erwartenden Biogasmengen zu erstellen. Dafür werde eine vergleichsweise nur geringe Anzahl von Eingangsgrößen für das Rechenmodell benötigt. Die entwickelte Steuerung orientiere sich damit an der vorhandenen Messtechnik von Praxisbiogasanlagen.

Fazit

Im Rahmen der Veranstaltung wurde sehr deutlich, dass der Veränderungsdruck für Anlagenbetreiber weiter steigt. Je nach betrieblichen Gegebenheiten stehen Entscheidungen an, die Produktion in Richtung Biomethan- oder sogar Wasserstoffproduktion oder in die Flexibilisierung der Stromproduktion zu führen, sofern das noch nicht geschehen ist. Um in einen zukunftsfähigen Weiterbetrieb im Sinne einer Bioraffinerie zu kommen, ist dabei eine Reihe von Faktoren einzubeziehen. Entscheidend werden das jeweilige wirtschaftliche Umfeld mit potenziellen Rohstoffen und Abnehmern für mögliche Nebenprodukte, wie Dünger aus Gärresten, CO2 oder Leistungen für die Landwirtschaft und Gesellschaft sein.

Christiane Aumüller-Gruber/LZ Rheinland 

Weitere Informationen

Heft und Poster zur Tagung

Der gemeinsam von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, FNR, und dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V., KTBL, veranstaltete Biogaskongress zeigte Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Biogassektors auf. 

Neben den 40 Vorträgen konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch in einer umfangreichen Posterausstellung über die unterschiedlichsten Bereiche der Biogasforschung informieren, sodass ein reger Informationsaustausch stattfand. 

Die Kongressbeiträge sowie die Kurzfassungen wissenschaftlichen Posterbeiträge stehen im Tagungsband 11535 „Biogas in der Landwirtschaft – Stand und Perspektiven“, erhältlich für 27 € beim KTBL, zur Verfügung. Hier der direkte Link zum Tagungsband.  Die Posterbeiträge sind hierunter verlinkt

KTBL

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