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Mutterkuhhaltung in Wolfsgebieten – aber sicher

25.03.2021

Die Rückkehr der Wölfe in stetig steigender Anzahl bereitet Landwirten und Hobbytierhaltern zunehmende Probleme. Für den Wolf sind Kälber aus der Mutterkuhhaltung, Schafe, Ziegen oder mitunter auch Ponys eine verlockende Beute. Was bei der Weidehaltung von Mutterkühen zu beachten ist, war jetzt Thema eines von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen veranstalteten Online-Seminars im Rahmen der Initiative Netzwerk Fokus Tierwohl.

Über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, größtenteils Landwirte, nutzten die Gelegenheit, sich von Zuhause aus in Sachen Tierschutz durch Herdenschutz fortzubilden. „Das Thema ist ernst und beschäftigt die Gemüter, zumal die Rechtslage bei Wolfsübergriffen in vielen Fällen schwierig zu beurteilen ist“, erläutere Dr. Matthias Kaiser, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW. „Bisher haben wir in Nordrhein-Westfalen zwei bestätigte Wolfrudel: eines in Schermbeck, Kreis Wesel, das andere bei Eitorf im Rhein-Sieg-Kreis. Es werden weitere hinzukommen, denn diese Kreise sind weniger stark besiedelt, waldreich und liefern dem Wolf genügend natürliche Beute.“

Je nach Bundesland herrschten recht unterschiedliche Maßgaben zur Entschädigung von Wolfsübergriffen und -rissen und den geforderten Präventionsmaßnahmen. In NRW sei die Entschädigung in den Richtlinien über die Gewährung von Billigkeitsleistungen und Zuwendungen zur Minderung oder Vermeidung von durch den Wolf verursachten wirtschaftlichen Belastungen, kurz Förderrichtlinien Wolf, geregelt. Demnach gewähre das Land NRW Billigkeitsleistungen zur Minderung der mit Wolfsübergriffen verbundenen wirtschaftlichen Belastungen nach Maßgabe dieser Richtlinien. Dabei muss der Tierhalter gewisse Kriterien hinsichtlich der Meldung eines Wolfsübergriffs und in Wolfsgebieten auch bezüglich getroffener Vorsichtsmaßnahmen erfüllen.

Ohne Ergebnis diskutierten der Referent und einige Seminarteilnehmer über den Begriff „Problemwolf“. „Problemwölfe dürfen unter gewissen Voraussetzungen entnommen werden“, so Kaiser. Wie oft ein Wolf einen als wolfsicher geltenden Weidezaun überwinden müsse, um als Problemwolf eingestuft zu werden, sei eine der vielen juristisch zu klärenden Fragen. Derzeit liege ein solcher Rechtsfall beim Verwaltungsgericht in Düsseldorf, eine Entscheidung werde für Mai 2021 erwartet.

Hilfe in allen Fragen zu den Themen Förderung von Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von Wolfsübergriffen sowie zur Entschädigung bietet die Landwirtschaftskammer NRW; detaillierte Infos rund um den Wolf und dessen Verbreitung liefert die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf unter www.dbb-wolf.de, schloss der Referent.

Welche Schutzmaßnahmen?

In Mutterkuhherden sind Kälber in den ersten beiden Wochen nach der Geburt leichte Beute für den Wolf. „Die Kälber suchen Schutz im hohen Gras, das sie außerhalb der Weidefläche finden. Wird nur mit einer Stromlitze in 90 bis 100 cm Höhe gesichert, laufen die Kälber unbeschadet unter dem Zaun hindurch, der Wolf hat leichtes Spiel“, sagte Julia Kamp, Mitarbeiterin im Wolfskompetenzzentrum Iden, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Sachsen-Anhalt gehört zu den ersten Bundesländern mit Wolfsrückkehr, sodass die Referentin aus ihrer reichhaltigen Erfahrung berichten konnte. Es habe sich gezeigt, dass die Zaungestaltung ein sehr wirksames Mittel zur Abschreckung des Wolfes darstelle; mit einem verstärkten Herdenschutz ging die Zahl der Wolfsübergriffe und der getöteten Nutztiere deutlich zurück.

Rissbegutachter suchen die Weide und die Umgebung nach typischen Kennzeichen für einen Wolfsriss ab. Im Gegensatz zu Hund oder Fuchs schleift der Wolf seine Beute oft 100 bis 150 m weit fort, um in Ruhe fressen zu können. „Wölfe verschmähen den Pansen; dieser liegt oft einige Meter vom Kadaver entfernt“, zählte die Expertin weitere wolfstypische Verhaltensmerkmale auf. Auch die Eröffnung des Bauchraums unterhalb der Rippen der Beute sowie der gezielte Kehlbiss weisen auf den Wolf hin. Bissabdrücke seien oft sehr schlecht im Fell der Käber zu erkennen. In der Regel zeichneten sich die Abdrücke der Eckzähne des Wolfs im Abstand von 4,5 bis 5 cm an der Kehle der Beute ab. „Suchen Sie nicht nach den Bisslöchern, das könnte die spätere DNA-Analyse verfälschen“, riet Kamp den Landwirten.

In manchen Fällen ist nicht sicher, ob ein Kalb bereits tot geboren und vom Wolf nachgenutzt wurde. Einen Hinweis auf Totgeburten gebe ein Blick auf die Klauenkissen des Kalbes: „Sind hier keine Auftrittspuren zu sehen, handelt es sich wahrscheinlich um eine Totgeburt; Gleiches gilt für nicht saubergeleckte Kälber und Neugeburten, die noch Fruchtwasser in der Luftröhre haben.“ In diesen Fällen helfe nur eine pathologische Untersuchung des Kadavers, um festzustellen, ob es sich um eine Totgeburt oder um ein vom Wolf gerissenes Kalb handele.

 

 

Wolfsriss: Was ist zu tun?

Was ist bei einem vermuteten Wolfsriss zu tun? Hier gab Julia Kamp den Seminarteilnehmern eine praktische Verfahrensanleitung an die Hand:

  • Kadaver und -teile nicht berühren und liegen lassen,
  • Hunde fernhalten,
  • nach verletzten Tieren in der Herde suchen, gegebenenfalls den Tierarzt verständigen,
  • innerhalb von 24 Stunden Begutachtung durch einen amtlichen Rissgutachter einleiten, später ist eine genaue Bestimmung der DNA schwierig,
  • Sofortschutzmaßnahmen ergreifen, denn der Wolf war erfolgreich und sucht erneut nach leichter Beute; viele Behörden verleihen Notfall-Zaunsets, mit welchen die Herde fürs Erste umfriedet werden kann.
Fünf Litzen

Bei kälberführenden Mutterkühen in ausgewiesenen Wolfsgebieten empfahl die Referentin einen mobilen Fünf-Litzen-Zaun in den Höhen 20, 40, 60, 90 und 120 cm Höhe. Dieser könne von Abkalbeherde zu Abkalbeherde wandern. In der Regel würden sich Wölfe unter dem Zaun in die Koppel graben, und das in kürzester Zeit. Daher sei die unterste Litze die entscheidende: „Diese Litze muss so tief angebracht sein, dass der Wolf sie mit Nase und Ohren berührt und so deutlich abgeschreckt wird. Einige besonders gelehrige Wölfe testen aus, wie stark die Stromspannung ist und in welcher Frequenz die Impulse erfolgen.“ Je nach Bodenbeschaffenheit solle die Spannung mindestens bei 3 000, besser bei 5 000 Volt liegen. Auch Flüsse stellten kein Hindernis dar, Wölfe seien sehr gute Schwimmer und überquerten regelmäßig die Elbe, nannte Kamp ein Bespiel. Das Überspringen von Zäunen sei eher unüblich, aber nicht unmöglich. „Die Wölfe lernen, den Zaun zu überspringen und geben dieses Wissen auch an ihre Jungen weiter.“

Einige Bundesländer unterstützten die Tierhalter in Sachen Zäunung beispielsweise beim Freimähen der Schutzzäune. Hier wie auch zum Spannen von bis zu sechs Litzen gleichzeitig würden mittlerweile Spezialgeräte angeboten. Ob ein Litzenzaun oder ein Stromnetz den besseren Herdenschutz darstellt, sei nicht pauschal zu beantworten. Mit Rat und Tat stünden den Landwirten hier die jeweiligen Herdenschutzberater zur Seite. Wer in Fragen Jungtiere auf Nummer Sicher gehen wolle und über die betrieblichen Gegebenheiten nebst Arbeitskräften verfüge, könne die zum Abkalben anstehenden Kühe zurück in den Stall holen und erst nach dem kritischen Zwei-Wochen-Zeitraum wieder auf die Koppel entlassen.

Als aktuellen Leitfaden zur sachgerechten Errichtung von wolfsabweisenden Elektrozäunen empfahl Julia Kamp abschießend das DLG-Merkblatt 455:  Herdenschutz gegen den Wolf.

Maria Forstreuter-Wick

 

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