„Auch bei wenig genutzten Arten, wie Emmer, gibt es dutzende Sorten, die sich erheblich in ihren Eigenschaften unterscheiden“, berichtet Prof. Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim in Stuttgart. Zusammen mit seinem Team testete er 143 Emmer-Sorten an fünf Anbauorten auf ihre Eigenschaften auf dem Feld, in der Mühle und in der Bäckerei. „Dabei konnten wir in der Feldleistung ebenso wie beim Backen enorme Unterschiede messen.“ Wer Emmer erfolgreich nutzen möchte, sollte auf einen sicheren Ertrag setzen, beim Backen auf handwerkliches Können zurückgreifen und den Austausch mit den anderen Gliedern der Wertschöpfungskette suchen.
Emmer hat zwar nur etwa den halben Kornertrag wie Weizen, dafür aber mehr Stroh, und dies bei minimaler Düngung. Er ist somit geeignet für späte Fruchtfolgeplätze, schlechtere Böden oder generell dort, wo auf Düngung verzichtet werden sollte.
Um das Potenzial und eventuelle Nachteile von Emmer für Landwirtschaft, Mühlen und Bäckereien zu kennen, hat Prof. Dr. Longin zusammen mit dem Detmolder Institut für Getreide und Fettanalytik GmbH (DIGefa) sowie den Pflanzenzüchtungs-Unternehmen Südwestdeutsche Saatzucht GmbH & Co KG und Pflanzenzucht Oberlimpurg den vermutlich weltgrößten Emmer-Versuch durchgeführt. 143 Emmer-Sorten wurden mit einigen Weizen- und Dinkel-Vergleichssorten an fünf Standorten in Baden-Württemberg angebaut. Im Feld haben die Forschenden alle wichtigen agronomischen Kennzahlen zu Ertrag, Wuchsverhalten und natürlicher Resistenz gegenüber Krankheitserregern gemessen. An den Ernteproben erarbeiteten sie dann verschiedene Kennzahlen für die Müllerei und Bäckerei.
„Einer der wichtigsten Projekterfolge war die Etablierung eines Standardmahl- und -backversuchs“, meint Franz Pfleger von der DIGefa. „Emmer hat ein deutlich härteres Korn und ganz andere Teigeigenschaften als Weizen. Somit können die Standardversuche von Weizen hier nicht verwendet werden.“ Mit Anpassungen beim Mahlen und in den Backrezepten ist es aber gelungen, die Unterschiede der 143 verschiedenen Emmer-Sorten darzustellen. „Im Vergleich zu Weizen hat Emmer eine höhere Wasseraufnahme und hält das Brot besser frisch“, ergänzt Pfleger. „Allerdings hat er auch eine deutlich geringere Teigstabilität, und er ist empfindlicher, wenn der Teig zu intensiv geknetet wird.“ Um erfolgreich mit Emmer zu backen, müsse man in der Bäckerei auf diese anderen Eigenschaften des Emmers eingehen.
Dass dies im Bäckereialltag möglich ist, davon ist Bäckermeister Sebastian Brücklmaier von der Bäckerei Brücklmaier in München fest überzeugt. „Emmer ist für mich der Dinkel von morgen, der spannende Backwaren mit einzigartigem Geschmack liefert.“ Man müsse nur sein handwerkliches Können auch geschickt einsetzen. „Den Teig nur wenig kneten, mit einem Vor- oder Sauerteig arbeiten und etwas Öl in den Teig,“ sind wenige, aber entscheidende Tipps von Brücklmaier. Und die Brot-Bloggerin und Ernährungsberaterin der Urkornpuristen, Stefanie Dehn, schwärmt: „Auch beim Backen zu Hause ist Emmer ein einmaliges Getreide, das ebenso für herzhafte wie süße Gebäcke geeignet ist.“ Beide Bäcker betonen aber, dass beim Emmer die Mehlchargen sehr unterschiedliche Backeigenschaften aufweisen und wünschen sich eine Stabilisierung der Versorgung mit gleichbleibender Qualität.
Prof. Dr. Longin hat dafür eine Erklärung parat: „Weizen wird weltweit gehandelt und so kann die Mühle fast immer eine konstante Mehlqualität zusammenmischen. Emmer dahingegen ist rar. Und wenn plötzlich ein Mehrbedarf besteht, dann wird jede Emmer-Herkunft genutzt.“ Dabei zeigt der vermutlich weltgrößte Emmer-Versuch bei allen Merkmalen, dass sich die einzelnen Sorten in ihren Eigenschaften sehr unterscheiden. „Der Kornertrag schwankte von 20 bis über 50 dt/ha. Und manche Emmer-Sorten ließen sich trotz Rezept-Anpassungen überhaupt nicht backen, während andere tolle Backwaren lieferten“, berichtet der Experte.
Deshalb komme es bei der alten Art Emmer, genau wie bei modernem Weizen, auf die Wahl der Sorte an. „Dabei ist immer ein Kompromiss zwischen bester Feld- und bester Backleistung nötig“, meint Prof. Dr. Longin und ergänzt: „Wir brauchen auch bei alten Arten moderne Sorten, die an das veränderte Klima und die neuen Anbaubedingungen angepasst sind.“ Seine Empfehlung für die Wertschöpfungskette: Erträge und Qualitäten absichern durch standfeste und ertragsstarke Sorten, und den Austausch suchen mit den Partnern in der Wertschöpfungskette.
Universität Hohenheim
Am 13. Juli gibt es nachmittags auf der Versuchsstation für Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim wieder einen Feld- und Fachtag. Neben Produktvorführungen wird es eine Feldtour in die Hohenheimer Versuche zu Einkorn, Emmer und Dinkel geben. Geplant sind außerdem Vorträge zu dem vermutlich weltgrößten Emmer-Versuch, zum erfolgreichen Backen mit Emmer und Einkorn und dazu, wie sich Gluten und andere Proteine in Dinkel, Emmer und Einkorn von der Zusammensetzung in Weizen unterscheiden.
Die Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Etablierung alternativer Kulturarten. Diese Arbeit wurde durch das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) im Rahmen des Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt des Landes Baden-Württemberg gefördert.
Weitere Informationen unter https://www.uni-hohenheim.de/fileadmin/uni_hohenheim/Aktuelles/Uni-News/Pressemitteilungen/Emmer_Agronomische_Eigenschaften.pdf