Aktueller Inhalt:

Von Niedersachsen in die Bergwelt Perus

04.07.2022

Diesen Beitrag schreibe ich im peruanischen Bergregenwald. Gerade befinde ich mich auf rund 1 800 m Höhe in einem Dorf, das nur nach vier Stunden Fußmarsch mit Maultier erreichbar ist und hoffe sehr, dass der starke Regen, der gerade fällt, nicht erneut die Stromverbindung kappt. In dieser Situation bin ich, weil ich in Peru gerade meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst absolviere, für den es mich hierher verschlagen hat. Zwar ist die Region mit ihrem bergigen Terrain, der üppigen Vegetation und dem mitunter sehr warmen Klima der Gegenentwurf zu meiner flachen, eher kahlen und kühlen Heimat in der norddeutschen Tiefebene, wunderschön ist es hier aber eben auch. Der Name des Dorfes ist passenderweise Cushi, was auf Quechua, einer der präkolumbischen Sprachen Perus, Freude bedeutet.


Weltwärts die Natur erhalten

Ich stamme von einem Bioland-Milchviehbetrieb im niedersächsischen Landkreis Cuxhaven und habe mich dazu entschieden, nach dem Abitur etwas praktische landwirtschaftliche Erfahrung in anderen Gebieten zu sammeln. Bei der Suche nach Möglichkeiten hierzu bin ich auf den deutschen Verein Ecoselva e.V. gestoßen, der seit mehreren Jahren junge deutsche Freiwillige nach Peru, Indien und in die Dominikanische Republik entsendet. Den Rahmen hierfür bietet das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hauptfinanzierte und organisierte Programm „weltwärts“. Hierbei handelt es sich um einen Freiwilligendienst, der unter anderem zum Ziel hat, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, für ein Jahr eine andere Kultur kennenzulernen und neue Erfahrungen zu sammeln, während am Erreichen nachhaltiger Ziele mitgewirkt wird.

Das Ziel der Tätigkeiten von Ecoselva und seinen Freiwilligen ist die Erhaltung des Regenwaldes und die Förderung von schonendem Umgang mit natürlichen Ressourcen, häufig auch durch ökologische Landwirtschaft. In meinem Projekt, für das wir hierdurch Nachfreiwillige suchen, geht es vorrangig um die Förderung von Biolandwirtschaft. Hierfür arbeite ich vor allem mit der APROAAP, einer Erzeugergemeinschaft von Kaffeebauern und Imkern, und IDMA, dem Institut für Entwicklung und Umwelt, einer peruanischen NGO, zusammen.


Kaffee ist das A und O

Die wichtigste Marktfrucht in der hiesigen Landwirtschaft stellt der Kaffee dar. In der gesamten Region werden etwas mehr als 500 ha Land für seinen Anbau genutzt, häufig gehen auf einzelne Familien dabei Flächen einer Größe von 1 bis 2 ha zurück. Bis zuletzt wurde nahezu der gesamte Kaffee, der hier produziert wird, in einem zentral gelegenen Dorf an Zwischenhändler zu Preisen des konventionellen Massenmarktes verkauft. Aufgrund der Tatsache, dass der Kaffee in unserer Region allerdings fast ausschließlich auf Höhengebieten zwischen 1 600 und 1 900 m angebaut wird, hat er von sich aus bereits eine herausragende Qualität. Diese wird beim Kaffee vor allem mit einer Punktzahl angegeben und bisher preislich nicht angemessen abgegolten.

Des Weiteren wird biologischer Anbau ebenfalls nicht honoriert, da der lokale Markt diesen nicht einmal berücksichtigt. Um die Menschen jedoch von ökologischer Landwirtschaft zu überzeugen, was nun einmal eines der Hauptanliegen des Projektes darstellt, ist es unabdingbar, ihnen gleichzeitig einen Markt anzubieten, auf dem sie ihre Produkte zu einem fairen Preis verkaufen können.

Biokaffee direkt nach Deutschland

Das, worin wir als Assoziation die Lösung sehen, ist die Gründung einer Kooperative, die ihren BioSpezialitätskaffee direkt nach Deutschland exportiert. So sollen die Zwischenhändler umgangen werden und ein höherer Teil der Wertschöpfungskette vor Ort bei den Produzenten bleiben. Daher führen wir dieses Jahr mit den ersten fünf Kaffeebauern die Biozertifizierung nach EU-Standard durch. Ziel ist es, über die nächsten vier bis fünf Jahre immer mehr Bauern dazuzugewinnen und zu zertifizieren, um eine starke Kooperative aufzubauen. Aus diesem Grunde bereiten wir bereits jetzt auch die Bauern auf eine Zertifizierung vor, die sie voraussichtlich erst im nächsten Jahr erhalten werden. Außerdem wollen wir auf dem europäischen Markt vor allem das Segment der Kaffees mit außergewöhnlicher Qualität bedienen. Diese Spezialitätskaffees werden vor allem durch sorgfältige Arbeit bei der Ernte und der weiteren Prozessierung der Kaffeebohnen erreicht.

Ein weiteres Anliegen ist die Verbesserung des Qualitätsmanagements, sodass wir unser Potenzial voll ausnutzen können. Es sind vor allem diese zwei Dinge, die die wirtschaftliche Situation der Kaffeebauern im Allgemeinen verbessern können, nämlich die Biozertifizierung und die Produktion von Spezialitätskaffee für den Export nach Deutschland.

 


Produktion diversifizieren

Außerdem wollen wir die Produktion insgesamt weiter diversifizieren, um bestehende Abhängigkeiten von wenigen Märkten zu vermindern. Beispielsweise werden wir versuchen, eine Apfelsorte anzubauen, die auch für peruanische Hochgebiete passend gezüchtet wurde, indem sie mit insgesamt weniger Ruhestunden auskommt. Diese sind nämlich aufgrund der hiesigen klimatischen Bedingungen bisher nie genügend vorhanden gewesen. Zudem haben wir damit begonnen, auf den Höfen der Menschen, die ans Straßensystem angebunden sind, Avokado-Pflanzungen zu betreiben. Diese werden zwar erst in vier bis fünf Jahren produzieren, doch bieten sie einen durchaus interessanten Markt, da ihr Anbau rentabel ist und ihr Verkauf in relativer Nähe zu den Dörfern, in denen die Produktion stattfindet, abgewickelt werden kann.

Diese Pflanzungen nehmen wir vor allem auf Flächen vor, die bis dahin dem Anbau von Koka gewidmet waren. Wir hoffen, den Menschen hierdurch eine echte Alternative zur Teilnahme an der Produktion von Kokain und seinen Vorprodukten zu bieten, da dies fortwährend weit verbreitet ist und ein Problem darstellt.


Zertifizierter Ökolandbau……

Eine zusätzliche Komponente meines Einsatzplatzes ist die Zusammenarbeit mit bereits erwähntem IDMA, dem Institut für Entwicklung und Umwelt. Dieses führt mit Ecoselva das Entwicklungsprojekt EcoPozuzo durch, bei dem es im Allgemeinen um die Förderung ökologischer Landwirtschaft und von Agrotourismus geht. Vor allem werden in diesem Zuge in den Dörfern, die auch für den Kaffeeanbau relevant sind, Bio-Gemüsegärten angelegt. Momentan dienen diese primär noch dem eigenen Konsum, doch ist mittelfristig das Ziel, für ihren lokalen Verkauf verschiedene Märkte aufzubauen. Innerhalb dieses Projektes wird den Teilnehmenden auch vermittelt, wie sie verschiedene Biodünger, allen voran Biol und Kompost, vorbereiten und außerdem auf ökologische Weise Schädlingsbekämpfung durchführen können.

Das Konzept, das dem zugrunde liegt, ist die Zertifizierung mit dem SGP (Sistema de Garantía Participativo), dem partizipativen Garantiesystem. Dieses dient der Zertifizierung von agrarökologischer Produktion zur verbesserten Vermarktung auf dem nationalen Markt, weniger allerdings dem Export. Die Idee dabei ist, dass sich in den Dörfern jeweils Gruppen von teilnehmenden Familien bilden, die füreinander für eine ökologische Produktion bürgen. Diese wird zunächst von IDMA begleitet und schlussendlich von Vertreter/innen anderer NGOs und staatlicher Einrichtungen auf Einhaltung der Richtlinien kontrolliert.

…. und Agrotourismus

Als weitere Einkommensquelle für die Menschen in dieser Region soll zusätzlich nachhaltiger Tourismus aufgebaut werden. Aufgrund der Schönheit der teilweise unberührten Natur und auch der Geschichte der Region bieten sich hier gleich verschiedene Typen an. Beispielsweise führt durch unser Aktivitätsgebiet hindurch die historische Route, die vor mehr als 170 Jahren die preußischen und österreichischen Siedler gegangen sind, um den Nachbarort Pozuzo zu gründen. Hierbei handelt es sich um die einzig deutsch-österreichische Kolonie der Welt, die auch fleißig ihren Tourismus aufbaut, allerdings beschränkt dieser sich bisher auf wenige Profiteure im Ort selbst und kommt bei den Menschen unserer Kooperative nicht an.

Was wir uns hingegen zum Ziel gesetzt haben, ist der Aufbau von Agro- und Wandertourismus. Hierbei handelt es sich um eine Verbindung vom Kennenlernen der attraktiven und abwechslungsreichen Landschaft und der in ihr stattfindenden Landwirtschaft. Vor allem haben wir als Kooperative natürlich vor, den Menschen die Besonderheiten unseres Kaffees näherzubringen, sodass hierfür zum einen eine höhere Wertschätzung erreicht und zum anderen ein neuer Absatzmarkt erschlossen wird. Außerdem sind Programme wie „Imker für einen Tag“ angedacht, an denen bereits mehrfach Interesse bekundet wurde. Hier soll es ebenfalls um Aspekte wie Umweltbildung und Sensibilisierung gehen; so soll den Besuchern und Besucherinnen die Bedeutung von Bienen für das Ökosystem nähergebracht werden.

Unter anderem gehört es daher zu meinen Aufgaben und denen meiner Folgefreiwilligen, Konzepte für diesen Tourismus auszuarbeiten und letztendlich mit den Bäuerinnen und Imkern umzusetzen. Außerdem wird dieses Jahr zum ersten Mal eine Wandertour auf der beschriebenen historischen Strecke durchgeführt werden, um sie für den Tourismus vorzubereiten. Die Planung hierfür führe ich zusammen mit IDMA durch.


Kennenlernen von Menschen und Land

Des Weiteren wird hier an Aktivitäten teilgenommen, die alle Dorfbewohnerinnen und Landwirte gleichermaßen beschäftigen, vor allem an Bau und Ausbesserung von Wegen. Diese brechen nämlich aufgrund der heftigen Regenfälle häufig ab, sodass Dörfer vereinzelt kurz abgeschnitten sind. Die Teilnahme an eben solchen das Dorfleben betreffenden Aktionen, wozu auch allmonatliches Fasten und sonntägliches Fußballspielen nach der Kirche gehört, hat mit Sicherheit zu meiner Integration in das Leben in den verschiedenen Dörfern beigetragen. Das hat es mir zum einen erleichtert, mich hier wohlzufühlen, zum anderen hat es mir die Möglichkeit gegeben, die Bauern, die ich letztendlich vom Bio-Anbau überzeugen soll, besser kennenzulernen und mich ihnen freundschaftlich annähern zu können.

Einer der besonderen Vorteile dieses Einsatzplatzes für mich ist das breite landwirtschaftliche Tätigkeitsfeld, das ich hier kennenlernen darf. Wenngleich meine Hauptarbeit der Anbau von Biokaffee ist, werden hier teilweise auch Zitrusfrüchte und Kakao angebaut, es wird viel Imkerei betrieben und auch Viehwirtschaft lässt sich finden. Vor allem in den erstgenannten Bereichen habe ich so Erfahrungen sammeln können, die mir in Deutschland verwehrt geblieben wären. Über alldem steht jedoch natürlich weiterhin die kulturelle Erfahrung, die meine bisherige Zeit in den hiesigen Dörfern mit sich gebracht hat. Diese reicht weit über das Lernen von Spanisch hinaus und beinhaltet neue Einstellungen bezüglich Religion und Kultur, aber auch bezüglich des Wertes eines Tier- und Menschenlebens.


Voraussetzungen für eine Programmteilnahme

Um als Freiwillige am weltwärts-Programm teilnehmen zu können, muss mindestens das Abitur, eine Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Studium vorliegen. Die Altersspanne, die vom Ministerium vorgesehen ist, beginnt bei 18 und endet bei 27 Jahren. Als weitere Teilnahmevoraussetzung ist das Vorhandensein von Grundkenntnissen im Spanischen anzusehen. Die Menschen vor Ort sprechen als weitere Sprache häufig noch Quechua, jedoch kein Englisch oder Deutsch. Sicherlich verbessert sich das Spanisch hier auch nach längerer Zeit von selbst, für den Einstieg allerdings empfiehlt es sich wirklich, bereits relativ gut auf Spanisch kommunizieren zu können. Dies erleichtert es auch, über Eigeninitiative die genaue Gestaltung des Einsatzplatzes aktiv mitzuprägen und eigene Ideen und bereits erworbenes Wissen einbringen zu können.

Falls dieser Bericht Interesse geweckt hat, ein Jahr in einer völlig neuen Umgebung völlig neue Erfahrungen zu sammeln, neue Formen von Landwirtschaft, eine andere Kultur kennenzulernen und dabei Zeit und Arbeit in ein sinnvolles Projekt zu investieren, oder falls Sie Menschen kennen, die als Freiwillige infrage kommen, wenden Sie sich gerne bei weiteren Fragen direkt an mich oder den Vorsitzenden von Ecoselva e.V., Heiner Stienhans.

Neben diesem werden noch viele weitere Einsatzplätze, auch in der Dominikanischen Republik und in Indien, von Ecoselva angeboten. Es lohnt sich definitiv, die unten angegebene Website genauer zu untersuchen.


Mit freundlichen Grüßen aus dem peruanischen Bergregenwald!

Jonathan Effe

Weitere Informationen


Kontakt:

Ecoselva e.V.

Am Park 50, 53757 Sankt Augustin

Telefon: 0 22 41/ 34 39 98

www.ecoselva.de

 

Heiner Stienhans, Email: heiner.stienhans@ecoselva.de

Maximilian Ernest, Email: maximilian.ernest@ecoselva.net

Jonathan Effe, Email: jonathan.effe@gmail.com

Abonnieren Sie den Ökolandbau NRW-Newsletter





Die obenstehende Einwilligungserklärung kann jederzeit formlos gegenüber dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Stadttor 1, 40219 Düsseldorf, (E-Mail: Poststelle@mlv.nrw.de) widerrufen werden: Die von Ihnen auf dieser Seite angegebenen personenbezogenen Daten (zum Beispiel Name, E-Mail-Adresse, Anschrift usw.) werden vertraulich und nur zur Versendung der von Ihnen abonnierten Newsletter des Ministeriums per E-Mail verwendet. Ihre Daten werden ausschließlich auf dem Server des Landesbetriebs Information und Technik NRW gespeichert. Das Abonnement kann von Ihnen auf dieser Seite jederzeit mit sofortiger Wirkung beendet werden. Ihre Daten werden dann unverzüglich gelöscht.