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Vorsicht vor Vertragsabschluss

12.05.2022

Der Ausbau erneuerbarer Energien macht auch vor der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen, insbesondere Ackerflächen, nicht halt. Diese Flächen werden der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung üblicherweise vollständig und langjährig entzogen. Geködert wird mit auf den ersten Blick attraktiv erscheinenden Pachtzahlungen von 2 500 bis 6 000 €/ha, verbunden mit einer Vertragsdauer in der Regel von 20 Jahren. Umso wichtiger ist es, einen solchen Nutzungs- beziehungsweise Gestattungsvertrag nicht vorschnell, insbesondere nicht ohne rechtliche Prüfung und Beratung zu unterschreiben. Denn zu berücksichtigen gibt es einige Punkte.

Vertragsgegenstand

Wichtig ist, den Vertragsgegenstand genau festzuhalten. Im Einzelnen sind dies der genaue Flächenumfang, den Landeigentümer dem Betreiber zur Verfügung stellen, sowie die installierte Leistung der Anlage, also deren Kapazität. Gegebenenfalls sind auch zu installierende Module genau zu bezeichnen. Auch die dazugehörigen Nebenanlagen, Schalterschränke, Leitungen, Zuwegungen und anderes mehr sowie deren genaue Lage sind zu erfassen.

Entwicklungsdauer

Als Eigentümer geht der Landwirt eine langjährige Vertragsbindung ein. Hier ist große Vorsicht geboten. Da nicht nur einzelne Teilflächen benötigt werden, sondern die jeweiligen Gesamtparzellen, müssen diese verfügbar sein. Sind die Flächen verpachtet, muss vor Vertragsschluss das bestehende Pachtverhältnis beendet werden.

Die Bereitstellungszeit, das heißt von der Unterschrift bis zur tatsächlichen Errichtung der Photovoltaikanlage, sollte keinesfalls zeitlich unbegrenzt sein. Üblich ist ein Zeitraum von maximal drei bis fünf Jahren. Liegt bis zum im Nutzungsvertrag vereinbarten Bereitstellungsende die Genehmigung nicht vor, muss der Landwirt die Möglichkeit haben, den Vertrag zu beenden, in der Regel durch ein ihm eingeräumtes Rücktrittsrecht. Häufig wird dem Anlagenbetreiber die Möglichkeit eröffnet, die Ausübung des Rücktrittsrechts durch Zahlung eines zuvor festgelegten Betrags vorübergehend abzuwenden und so die Bereitstellungszeit zeitlich befristet zu verlängern.

Nutzungsentgelt

Die Abrechnungsmodalitäten sind festzulegen, insbesondere der Beginn der Zahlung des Nutzungsentgelts und das Ende der Zahlungsverpflichtung. Sodann ist auch die Höhe des Nutzungsentgelts festzulegen. Regelmäßig werden ein fester Betrag pro Hektar als Mindestnutzungsentgelt und eine prozentuale Beteiligung am Nettoumsatz aus dem Verkauf der Stromproduktion vereinbart. Das Mindestnutzungsentgelt sollte durch eine Indexklausel wertgesichert sein.

Während das Mindestnutzungsentgelt als Vorauszahlung fließen kann, erfolgt die Abrechnung der prozentualen Beteiligung auf Basis der tatsächlich erzielten Einspeiseerlöse erst im da­­rauffolgenden Jahr. Landeigentümer sollten dabei Wert darauf legen, dass ihnen die Abrechnungsunterlagen unaufgefordert zur Verfügung gestellt werden, damit sie die Endabrechnung im Folgejahr überprüfen können. Transparenz sollte das Gebot sein, zumal die langjährige Vertragsbindung ein vertrauensvolles Mitei­­nan­der erfordert.

Rückbau der Anlage

Entscheidend ist, dass mit Vertragsende die Photovoltaikanlage abgebaut und Sie Ihren Grundbesitz in dem Zustand zurück-  erhalten, der dem Flächenzustand bei Vertragsbeginn entspricht. Die Rekultivierungsverpflichtung, deren Umsetzung ein landwirtschaftlicher Sachverständiger begleiten sollte, ist unabdingbar. Zur Absicherung des Rückbaus und der Rekultivierung erhält der Grundstückseigentümer daher vom Anlagenbetreiber eine sogenannte Rückbaubürgschaft, die während der Vertragslaufzeit in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen ist.

Selbst eine vertraglich zuvor vereinbarte Rekultivierung kann aber letztlich daran scheitern, dass sich während der Vertragslaufzeit das ehemalige Ackerland zu Grünland mit besonderen naturschutzrechtlich relevanten Merkmalen entwickelt hat. Dann wird eine Rekultivierung wegen der an diese Entwicklung anknüpfenden naturschutzrechtlichen Vorgaben unmöglich oder scheitert sogar. Dem Eigentümer verbleibt dann nur ein „Ausgleichsanspruch“ in Geld.

Um diese Entwertung von landwirtschaftlichem Grundvermögen zu vermeiden, sollte für diesen Fall schriftlich vereinbart werden, dass der Anlagenbetreiber Ersatzflächen in gleicher Güte zur Verfügung stellt, wie sie die Vertragsflächen bei Beginn des Vertrags aufgewiesen haben. Idealerweise sollten diese Ersatzflächen für den Land-eigentümer bereits bei Vertragsabschluss durch den Anlagenbetreiber gesichert sein.

Die Gefahr besteht also darin, dass gut bonitierte Ackerflächen bei Bewirtschaftung durch Freiflächen-Photovoltaikanlagen sich zu ökologisch wertvollem Grünland entwickeln und ihren landwirtschaftlichen Nutzungswert einbüßen. Dieser dauerhaft drohende Wertverlust wird regelmäßig nicht durch die Pachtzahlungen ausgeglichen.

Dingliche Sicherung des Anlagenbetreibers

Der Betrieb der Photovoltaikanlagen auf den Ackerflächen wird in der Regel durch beschränkt persönliche Dienstbarkeiten nebst Vormerkungen abgesichert. Der als Vertragsbestandteil beizufügende Text der Dienstbarkeit sollte rechtssicher formuliert werden, zumal die Anlagenbetreiber das Vorhaben finanzieren und die Kreditinstitute für die Finanzierung erstrangige Sicherheiten fordern. Mittlerweile ist es üblich, dass die Muster-Dienstbarkeitstexte Klauseln enthalten, wonach die Anlagen trotz Vertragsbeendigung weiter betrieben werden können. Hierauf sollten sich die Flächeneigentümer, wenn überhaupt allenfalls nur für besondere Ausnahmefälle einlassen. Ebenso sollten sie die regelmäßig verlangte Berechtigung des finanzierenden Kreditinstituts, Änderungen des Nutzungsvertrags einseitig zu bestimmen, ablehnen.

Rechtsnachfolge/Untervermietung

Regelmäßig wird der Nutzungsvertrag auf eine noch zu gründende Betreibergesellschaft, in der Regel eine GmbH & Co. KG, zu übertragen sein. In diesem Zusammenhang sehen die Nutzungsverträge eine beliebige Übertragung auf weitere oder andere Gesellschaften vor. Hiervor kann nur ausdrücklich gewarnt werden. Jede Übertragung auf eine andere Betreibergesellschaft sollte zwingend der Zustimmung des Grundeigentümers bedürfen. Diese sollte er nur dann erteilen, wenn die den Vertrag übernehmende dritte Gesellschaft solvent ist und ihm alle im Vertrag vereinbarten Sicherheiten zur Verfügung stellt.

Selbstredend sind auch durch die Betreibergesellschaft abzuschließende und auf Verlangen des Eigentümers nachzuweisende Haftpflichtversicherungen und dergleichen für die Dauer der Vertragslaufzeit vorzusehen. Außerdem von erheblicher Bedeutung ist schließlich, dass der Vertrag einer steuerlichen Prüfung bedarf, unabhängig davon, dass ein solches Vorhaben auch höferechtliche Nachabfindungsansprüche auslösen kann.


Fazit

Vor dem Abschluss eines Nutzungsvertrags, mit dem Ackerflächen für Freiflächen-Photovoltaikanlagen langfristig zur Verfügung gestellt werden, kann nur eindringlich gewarnt werden. Ohne rechtliche und steuerliche Prüfung und Beratung sollte keine Unterzeichnung erfolgen. Die möglicherweise lukrativ erscheinende Vergütung für die Vertragslaufzeit ist mit dem landwirtschaftlichen Nutzungswert der Fläche abzugleichen. Sodann folgen die Details einer den Flächeneigentümer absichernden Vertragsgestaltung. Es bleibt daher die Empfehlung, bei der Überlassung von Nutzflächen für Freiflächen-Photovoltaikanlagen äußerste Vorsicht walten zu lassen und vor Vertragsschluss umfassend Rechtsrat einzuholen.


Rechtsanwältin Adelheid Hensen, Fachanwältin für Agrarrecht bei der PARTA Rechtsanwaltsgesellschaft

Quelle: LZ Rheinland 18/2022

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