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Faire Partnerschaften in der Wertschöpfungskette

20.08.2021

Der Biolandhof Engemann hat nicht nur in seiner gleichlautenden Internetpräsenz einen beeindruckenden Auftritt. Auch ganz analog, vor Ort auf dem Hofgelände in Eissen im Kreis Höxter, wird deutlich, dass hier Anbau- und Vermarktungsprofis am Werk sind. Dass sich die Unternehmensgruppe Biolandhof Engemann durch Größe und Vielseitigkeit auszeichnet, liegt wohl auch daran, dass die beiden Brüder Andreas und Klaus Engemann von jeher daran interessiert sind, den Ökolandbau mit zahlreichen Partnern weiterzuentwickeln.

Seit 1988 bewirtschaften Klaus und Andreas Engemann ihren landwirtschaftlichen Betrieb in Eissen ökologisch und von Anfang an als Bioland-Betrieb. Hier arbeiten die beiden in sechs landwirtschaftlichen Kooperationen zusammen, die insgesamt auf mehr als 1 000 ha biologisch angebaute Marktfrüchte, wie Getreide, Leguminosen, Obst und Gemüse, erzeugen. Je nach Anbauplanung haben die beiden Engemanns auf ihren Flächen bis zu 15 Kulturen im Gesamtbetrieb stehen. "Wir wollten schon immer mit anderen Partnern Ökolandbau betreiben, also über die klassische GbR mit Sohn, Bruder oder Ehefrau hinaus", erklärt Andreas Engemann.

Steuerungsprinzip Vielfalt

Zunächst war den landwirtschaftlichen Kooperationen aber eben jene klassische Andreas Engemann GbR vorausgegangen. Seit 1991 haben die Brüder jedoch immer mehr einzelne Unternehmen ausgegründet, sodass allein im landwirtschaftlichen Bereich heute zehn Gesellschafter mit von der Partie sind. Neben der Andreas Engemann GbR für den Anbau und Handel von Obst und Gemüse gibt es die Engemann GmbH & Co. KG für den Handel von Getreide und Ölsaaten (siehe extra Kasten). Darüber hinaus vermarktet die Balkenhol-Engemann GbR Kräuter, Tomaten, Gurken und Feldsalat, die Bio Obsthof Hegge GbR Kirschen, Zwetschgen und Beerenobst und in der Eulenhof GbR werden Champignons kultiviert.

"Wir vertreiben zusätzlich Obst und Gemüse von rund 20 Biobetrieben in der Region, also im Umkreis von etwa 100 km um Eissen herum. Das heißt, wir bündeln deren Erzeugnisse in der Andreas Engemann GbR und liefern sie an den Großhandel, der die Bioprodukte wiederum an den Lebensmitteleinzelhandel weitervermarktet", ergänzt Klaus Engemann. Größter Partner sei derzeit die Biobörde GbR, von der sie alleine 3 000 t Wurzelgemüse und 500 t Rote Bete jährlich an den Großhandel weiterverkaufen.

Authentisch sein

Gestartet sind die beiden 1988 aus der reinen Direktvermarktungssituation. Einen Hofladen sowie Stände auf zwei Wochenmärkten haben sie auch heute noch, auch wenn das lediglich knapp 5 % ihres Umsatzes ausmacht. "Dieser direkte Kontakt zu den Endverbrauchern ist uns sehr wichtig, um Stimmungen und Qualitätsansprüche der Kunden zu erkennen und in die Praxis umzusetzen. Der Hofladen, übrigens der einzige Lebensmittelladen in Eissen, ist unser Aushängeschild, unser Gesicht in der Region", schmunzelt Andreas Engemann, dem es wichtig ist, dass sein Bruder und er auch als Landwirte wahrgenommen werden und nicht nur als Großvermarkter gelten. "Wir kommen aus der Landwirtschaft und machen nicht nur „Alibi-Landwirtschaft“ zu reinen Vermarktungszwecken."

Authentizität vermitteln Andreas und Klaus Engemann auch bei einer weiteren Vertriebsform: Als spezialisierter Großhändler für Obst und Gemüse beliefern sie Bio-, Naturkost- und andere Hofläden.

Egal, welcher Vermarktungsweg gegangen wird: Für das Leben und Arbeiten auf dem Biolandhof Engemann haben sich über die Jahre drei wichtige Unternehmensziele herausgebildet, nach denen die beiden Betriebsleiter und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handeln: Den Ökolandbau als zukunftsfähige Landwirtschaft in der Region und darüber hinaus zu etablieren, Kooperationen mit anderen Biobetrieben einzugehen und deren Produkte zu vermarkten und, last but not least, Arbeitsplätze auf dem Land zu schaffen und so die Wertschöpfung möglichst auf den landwirtschaftlichen Betrieben zu halten. "Diese Unternehmensphilosophie haben wir uns zu eigen gemacht, danach handeln wir", betonen beide Engemanns.

Hauptstandbein: Biogroßhandel

Den größten Umsatzanteil erwirtschaftet die Unternehmensgruppe Biolandhof Engemann als Produzent und Bündler für die Erzeuger in der Region und Lieferanten an den Großhandel sowie als spezialisierter Großhändler für Obst und Gemüse für den Naturkosthandel. "Auch wenn der Bioland-Verband seit zwei Jahren den Discounter Lidl beliefert und wir als Bündler und Händler für Bioland-Produkte daran natürlich beteiligt sind, bleibt der Naturkostfachhandel unser Schwerpunktgeschäft, wie schon in den vergangenen 25 Jahren", betont Andreas Engemann. "Ein vielversprechendes Potenzial für die Zukunft, vor allem für Neuumsteller, sehe ich durch die Zusammenarbeit mit Lidl aber durchaus!"

An der Zusammenarbeit mit dem Naturkostfachhandel schätzen die Brüder den vertrauensvollen Umgang. So würden sie sich als Lieferanten zusammen mit Vertretern des Fachhandels einmal pro Jahr in eine zweitägige Klausur begeben, auf der am ersten Tag fachliche Anbaufragen besprochen würden. Tag zwei stehe dann im Zeichen der Absprachen von Liefermengen und Preisen. "Das ist eine ganz andere Kultur des Verhandelns und eine fortgeschrittene Partnerschaft auf Augenhöhe, die wir mit Lidl in dem Maße noch nicht erreicht haben", betont Klaus Engemann. Wenn auch da keine Preisutopien für die Erzeuger zu verwirklichen seien, so liege den Verhandlungen doch eine faire Partnerschaft in der Wertschöpfungskette zugrunde. "Es wird auf die Dauer jedoch nicht ohne den Lebensmitteleinzelhandel und die Discounter gehen. Darin sehen wir allerdings auch ein großes Potenzial für umstellungswillige Landwirte", betonen Klaus und Andreas Engemann. Speziell Lidl hat sich übrigens zur Einhaltung der - hoch gesteckten - Fair-Play-Regeln des Bioland-Verbands verpflichtet.

Was wird gesucht?

Andreas und Klaus Engemann bauen derzeit eine neue Kommissionierungs- und Aufbereitungshalle, um den Warenstrom besser lenken und bearbeiten zu können. "Diese Erweiterung ist aber nicht als Rohwarenlager gedacht!“, betont Andreas Engemann. Vielmehr setze er darauf, dass in den landwirtschaftlichen Betrieben eigene Lagerkapazitäten und eigene Aufbereitungsanlagen geschaffen würden. So seien in der GbR ebensowenig wie im Getreidehandel keine Strukturen für größere Rohwarenannahme - wie zum Beispiel 10 ha Möhren - oder größere Lagermengen vorhanden. „Natürlich können wir um den Sellerie aus dem Betrieb XY noch die Banderolen knüpfen, er sollte aber vorher gewaschen und fertiggemacht sein“, lacht der Gemüsespezialist. „Die Wertschöpfung muss auf den Betrieben bleiben!“

Interessant könnten Sonderkulturen für zukünftige Partnerbetriebe sein, so die Einschätzung von Andreas Engemann. „Der Anbau von Sonderkulturen, wie Erdbeeren oder Spargel in Bioqualität, ist und bleibt eine Herausforderung. Der könnten sich interessierte Betriebe durchaus stellen!“

Da die beiden Engemanns nach wie vor engagiert an der Entwicklung des Ökolandbaus mitwirken möchten, suchen sie auch immer wieder neue Lieferanten und Absatzmöglichkeiten für die Produkte. „Das Bedienen von Großkunden, wie Lidl, kann neuen oder potenziellen Biolandwirten einen Marktzugang erleichtern“, sind sich Andreas und Klaus Engemann sicher. Wichtig sei, dass sie angesprochen würden. „Wenn die Landwirte den Umstellungsvertrag unterschrieben haben, dann gehen wir gemeinsam an den Anbauplan. Elementar ist aber, wie sonst auch, dass man frühzeitig mit dem Vermarktungsplan beginnt“, so die Empfehlung.


Getreidehandel: Dezentral und transparent

Bis 2003 haben Andreas und Klaus Engemann in der A&K Engemann GbR ökologisch erzeugtes Obst, Gemüse und Getreide vermarktet. Der Handel mit Druschfrüchten und Ölsaaten wurde dann im Jahr 2003 mit der Ausgründung der Engemann GmbH & Co. KG von der GbR getrennt. Acht Mitarbeiter sind für die Erfassung und Vermarktung von Weizen, Gerste und Dinkel sowie die Körnerleguminosen Ackerbohnen, Erbsen und Soja an die Industrie, Ölmühlen sowie Futtermittelwerke zuständig. "Zurzeit geben rund 450 Landwirte ihre Erntemeldung bei uns ab", so Klaus Engemann, der betont, dass im Gegensatz zum Gemüse, das Landwirte im Umkreis von 80 bis 100 km um Eissen herum anbauen, die Druschfrüchte- und Leguminosenbetriebe dezentral, auf fünf Bundesländer verteilt, liegen: Neben NRW noch in Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. "Die Körnerleguminosen beziehen wir von Betrieben, die schwerpunktmäßig in Thüringen und im Wendland liegen - hier suchen wir noch Anbauer, vor allem von Soja!", so Klaus Engemann.

Wichtig ist den beiden Brüdern, dass sie keinen Getreideerfassungshandel haben. "Die Landwirte sollten ihre Infrastruktur ausbauen und ihr Getreide entweder selber lagern, oder sich mit anderen Landwirten in ihrer Region zusammenschließen", meinen sie einhellig. So würden sie das ganze Jahr über liefern können und nicht alles in der Ernte vermarkten. Eine Lohnlagerung sei zwar möglich, aber auf keinen Fall der Standard. "2020 haben wir 75 000 t Getreide vermarktet und 10 000 t im Lohnlager gehalten", erläutern Engemanns. Das Getreide werde bei den Anbauern ab Hof abgeholt, die Anlieferung beim Kunden liege ab dann in der Verantwortung der Engemann GmbH & Co. KG.

Hoher Qualitätsanspruch

Hauptprodukt des Getreidehandels ist Weizen für die Stärkeproduktion. „Stärke und Gluten sind sehr spezielle Produkte, die qualitativ hochwertige Rohstoffe erfordern. Wir vermarkten den Weizen aus Bioland- und Naturland-Anbau, aber auch aller weiteren Bio-Verbände und in EU-Bioqualität. Kleinere Mengen werden unter der Marke "Lippequalität" durch die Eickernmühle weiterverkauft. In Kooperation mit der Eickernmühle wird unser größter Abnehmer, die Kröner-Stärke GmbH in Ibbenbüren, beliefert“, erklärt Klaus Engemann die Zusammenhänge. An dieses Unternehmen sowie weitere Industriekunden sei ein kontinuierlicher Absatz garantiert, es gebe feste Lieferpläne.

Da der Biomarkt gewachsen und Deutschland mit der Produktion von Stärkeweizen in Bioqualität nicht hinterherkommen ist, sei auch der Bezug von Auslandsgetreide ein Standbein für die Engemann GmbH & Co. KG. "Wir haben einen wichtigen Standort in der Slowakei. Unser Prokurist, selbst Slowake, kümmert sich dort um die landwirtschaftlichen Betriebe. Unser Mitarbeiter vor Ort sorgt dafür, dass auch in der fernen Slowakei Transparenz und Rückverfolgbarkeit der Getreidepartien bis auf die Fläche möglich sind", betonen Klaus und Andreas Engemann. So könne das Unternehmen seinem hohen Qualitätsanspruch auch beim Auslandsgetreide gerecht werden. Und auch hier werde der Aufbau verlässlicher Lieferketten ebenso großgeschrieben wie die Sicherstellung der ökologischen Warensicherheit. "Da ist es von Vorteil, dass wir als praktische Biolandwirte über die Sorten und deren Anbauverfahren gut Bescheid wissen." Anonyme Handelsware sei tabu.

Futter- und Konsumgetreide

Eine zur Stärkeproduktion vergleichbare Kette bestehe auch zwischen der Engemann GmbH & Co. KG und dem Futtermittelwerk Curo, das Futterweizen und Leguminosen, Gerste und Triticale von Engemanns bekomme. Außerdem beliefert die GmbH einige Bio-Bäckereien direkt, wie die Back Bord Mühlenbäckerei in Bochum sowie die Biovollkornbäckerei Cibaria in Münster, mit Konsumgetreide, vor allem mit Dinkel, Weizen und Hafer.

Einmal im Jahr treffen sich die Brüder Engemann mit den Endkunden und besprechen Qualitäten und Anbaupläne. "Wir bemühen uns, die Wertschöpfungskette transparent und fair für die Erzeuger und die Verarbeiter gleichermaßen zu halten", sind sich Andreas und Klaus Engemann einig - das gelte fürs Getreide ebenso wie für Gemüse und Obst.

Meike Siebel,
Landwirtschaftskammer NRW

Fotos: privat (2), Meike Siebel 

Weitere Informationen


Neue Lieferanten?

Bei Umstellungs- oder auch Lieferinteresse lohnt sich der Blick auf die Website der Brüder Engemann: www.engemann-bio.de. Klaus Engemann ist unter Telefon: 0 56 44/ 98 111 -0 und per Email an k.engemann@engemann-bio.de für Fragen zur Engemann GmbH & Co. KG (Getreide), Andreas Engemann unter Telefon: 0 56 44/ 98 111-22, Email: a.engemann@engemann-bio.de zur Andreas Engemann GbR (Obst und Gemüse) offen.


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