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Nicht die Masse macht’s

03.09.2021

Regionale Herkunft, eine besonders tierartgerechte Haltung und Transparenz für die Verbraucher schreibt sich der „Naturverbund Niederrhein“ seit seiner Gründung 1988 auf die Fahnen. Damit kann man die Idee, Naturfleisch in Kooperation mit regionalen Landwirten zu vermarkten, in den 1980-er Jahren als beinahe visionär bezeichnen. Denn der Trend ging vor rund 40 Jahren in die gegenläufige Richtung.

Die Leidenschaft für Vieh und Fleisch war es, die Egidius Thönes, Sohn eines Viehhändlers und gelernter Bankkaufmann, veranlasst hat, seinen Bankberuf an den Nagel zu hängen und sich ganz der Schlachtung und Vermarktung von Schweinen und Rindern zu widmen. 1972 gründete er den Schlachthof Thönes, 1980 siedelte er damit, dann schon als EG-zertifizierter Schlachthof, ins Gewerbegebiet der niederrheinischen Kleinstadt im Kreis Kleve aus. "Von Wachtendonk aus wurden die Metropolregionen rund um Düsseldorf und das Ruhrgebiet mit Fleisch versorgt", erzählt Schwiegersohn Bruno Jöbkes, der heute für Kundenbetreuung und Vermarktung zuständig ist.

Die tiefgreifende Wende hin zu dem, was fortan als "Naturfleisch" erzeugt und vermarktet wurde, vollzog sich im Laufe der 1980-er Jahre. Wachstum und Intensivierung der Landwirtschaft und damit die Produktion von Masse wollte Egidius Thönes nicht mitmachen und suchte nach einem Weg jenseits dieser Massenkonzentration. Er sah sich die Schweinehaltungen der Erzeuger an, die Tiere an seinen Schlachthof lieferten. Er fand heraus, dass Schweine aus Dunkelstallhaltung auf Vollspaltenboden eher schlechte und Schweine aus Ställen mit Tageslicht und vor allem Stroh deutlich bessere Fleischqualität lieferten. Diese Haltungsformen zeichneten sich gleichzeitig durch eine verhaltenere Fütterung und Tiere mit unkupierten Schwänzen aus.

"Es war eindeutig: Die Haltung auf Stroh war ein Qualitätsmerkmal. Stroh liefert nicht nur gutes Fleisch, sondern hat auch weiteren Zusatznutzen, wie zum Beispiel die Bindung von Ammoniak. Und da sich in den 80-er Jahren die umweltrelevanten Vorfälle in der Massentierhaltung häuften, wollte sich Egidius Thönes in eine andere Richtung entwickeln", erklärt Jöbkes. Der Niederrhein habe schon damals ein echtes Nitratproblem gehabt, alle Trinkwasserbrunnen in Wachtendonk seien 1988 stillgelegt worden.

Ein eigenes Programm

Im Unternehmen gelten folgende Maßstäbe, die alle daran teilnehmenden Landwirte strikt einhalten: Regionale Herkunft aus bäuerlichen Familienbetrieben, was kurze Transportwege zum Schlachthof von maximal einer bis zwei Stunden für Schweine und etwa drei Stunden für Rinder bedeutet, eine besonders tiergerechte Haltung mit Stroh, viel Platz und Bewegungsfreiheit, den Einsatz von gentechnikfreien Futtermitteln und Futter ohne systematischen Antibiotika-Einsatz. Von 1988 bis 1993 habe es einen regelrechten Hype auf beiden Seiten gegeben und zahlreiche Landwirte und Metzgereien seien beim Schlachthof Thönes, dessen Fleisch heute nicht mehr "Thönes Natur" heißt, sondern das Logo "Naturverbund Niederrhein" trägt, eingestiegen.

Die Idee des Bündnisses aus Haupt- und Nebenerwerbs-Landwirten, den Metzgereien und dem Schlachtbetrieb war und ist bis heute: Fleischerzeuger, Schlachter und Metzger gehen aufeinander zu und sind einander wechselseitig verpflichtet. "Die Landwirte sind den Haltungsvorgaben verpflichtet, die Naturverbund-Metzgereien dazu, Fleisch nur aus dem Programm zu verkaufen", erklärt Bruno Jöbkes. Das ist durch das Logo leicht erkennbar. "In den Metzgereien liegen unsere Bauernbücher und Flyer aus, in denen die Landwirte, von denen wir die Tiere beziehen, in Kurzportraits beschrieben sind. Das schafft Kundennähe."

Natur und Bio nebeneinander

1998 gab es eine nächste Zäsur für den Schlachtbetrieb: Die EU-Ökoverordnung wurde 1992 verabschiedet und beinhaltete jetzt auch Vorgaben für die Tierhaltung. "Nun gab es neben dem Naturfleisch, das sich durch die strengen Regeln von anderem konventionell erzeugtem Fleisch absetzen konnte, eine weitere anspruchsvolle Art der Tierhaltung und Fleischerzeugung, der wir uns stellen wollten", resümiert Bruno Jöbkes. In demselben Jahr wurde der Schlachthof EU-Bio-zertifiziert. "Auch einige unserer Partner-Betriebe haben den Schritt in die Biolandwirtschaft mitgemacht", sagt Bruno Jöbkes. "Der Lebensmittel-Einzelhandel ist neben einzelnen Metzgereien auf die Biofleischschiene aufgesprungen, allerdings nicht mit Produkten aus der Frischetheke, sondern als teilweise vakuumierte Waren in der SB-Theke. Das gab es so bislang noch nicht", erinnert sich Bruno Jöbkes

Das Bio-Fleisch aus dem Naturverbund-Schlachthof wird neben den Metzgereien an den klassischen LEH, unter anderem REWE-Filialen, an Biosupermärkte, aber auch einige Karstadt-Filialen geliefert, die sich sehr früh für ihren Feinkost-Verkauf auf Bio-Fleisch- und Wurst spezialisiert haben. Auch einige Großküchen und Mensen gehören zu den Abnehmern.

Wohin geht der Trend?

Ab 2008 entbrannte eine neue Diskussion in Politik, unter Verbrauchern und Landwirten: Mit dem Thema "Tierwohl" rückten Haltungssysteme jenseits von Bio wieder mehr in den Mittelpunkt. "Regionalität und Nähe zum Schlachthof sind in der Tierwohl-Debatte entscheidende Aspekte. Diesen Vertrauensvorschuss hatte "Thönes Natur" ja schon von Beginn an, ganz abgesehen von den tierartfreundlichen Haltungsvorgaben. Und so hat unser Markenfleisch-Programm neuen Aufwind erfahren", zeigt sich Bruno Jöbkes zufrieden.

Schonendes Schlachten mit Patent

"Beim Schlachten kann man ganz viel Qualität kaputtmachen!", weiß Kollege Klemens Hinßen aus Erfahrung. Er ist unter anderem für die Qualitätssicherung bei der Schlachtung zuständig. Daher sind Hinßen und sein Team in der Lage, den Tierschutz im Schlachthof selber streng zu überwachen. "Wir arbeiten zum Beispiel nicht mit Kolonnen, sondern mit fest angestellten Mitarbeitern, die keinen Akkord-Druck im Rücken haben, den sie so auch nicht an die Tiere weitergeben können." Eine ruhigere Hand bringe ebenso viel Ruhe in den Schlachthof wie viele technische Details, die im "Naturverbund"-Schlachthof nach und nach verbessert worden seien. Die Schweine erhielten nur zwei bis vier Sekunden nach der Betäubung den Entblutungsstich, das Entbluten selber erfolge im Liegen. "So ist vom Veterinär und allen anderen beteiligten Personen viel besser zu beobachten, ob das Schwein auch tatsächlich tot ist und sich nicht quält", betont Hinßen.

Statt der möglichen 170 Schweine werden 100 Schweine in einer Stunde geschlachtet, auch das nimmt Druck aus dem Prozess. Wöchentlich verlassen rund 600 Schweine und 50 Fleischrinder den Schlachthof Richtung Metzgereien; es werden außerdem gut 3 500 Hähnchen und 300 Puten in Wachtendonk geschlachtet. "Und wenn die Schlachtkörperqualität nicht stimmt, können wir vom Haken weg den Landwirt anrufen und die Qualität unmittelbar mit ihm besprechen", ergänzt Hinßen. So komme es zum Beispiel nicht selten vor, dass ein Landwirt die Rinderhälften seiner Tiere anschaut und vor Ort mit Hinßen über den Schlachtkörper fachsimpelt.

Im Jahr 2006 hat Thomas Thönes, Sohn des Firmengründers, in Mecklenburg-Vorpommern eine Zweigstelle von "Thönes Natur" gegründet. "Wir haben an der Müritz unser Verbundsystem gespiegelt und dabei nicht etwa die ostdeutschen Großstrukturen angewendet, sondern unsere rheinländischen Strukturen mit vielen kleinbäuerlichen Familienbetrieben übernommen." Das Konzept kommt auch dort bestens an.

Enge Kontakte zu Landwirten

Thönes, Jöbkes und Hinßen stehen in stetem Austausch mit ihren Bauern. Das sind zurzeit 130, davon der Großteil Rinderhalter, 30 Schweinemäster und zehn Geflügelbetriebe. Der Schlachthof garantiert den Bauern, das Fleisch zu fair verhandelten Preisen abzunehmen. Damit haben die Landwirte die Gewähr, nicht auf ihren Tieren sitzen zu bleiben - und der Schlachthof wiederum ist in der Lage, die Mengen zu steuern und erzielt Kontinuität in der Belieferung. Die Metzger als Dritte in dieser Beziehung bekommen ebenfalls Sonderkonditionen, um zum Beispiel auch ganze Tiere zu verarbeiten, statt nur auf die Filetstücke zu setzen.

Die Zusammenarbeit umfasst auch runde Tische zu Haltungsfragen. Ab und zu werden zum Beispiel Schweinehalter zusammen mit Stallbauberatern eingeladen, um über neue Lösungen passend zu den "Naturverbund"-Richtlinien zu diskutieren. "Dabei wird immer ganz betriebsindividuell überlegt, was man machen kann, niemandem soll ein bestimmtes System übergestülpt werden", betont Bruno Jöbkes. Und auch der Erfahrungsaustausch unter den Landwirten zu Fütterungsfragen sei wichtig. Was lässt sich wie auf andere Betriebe übertragen? Ein offener Austausch ist die Grundlage für die gute Zusammenarbeit aller, von Landwirten, dem Schlachthof und den Metzgereien. "Das haben wir jetzt davon: Richtig gutes Schweinefleisch, Rindfleisch, Kalbfleisch, Hähnchen, Puten, Gänse und Lamm. Als Naturfleisch oder Biofleisch." So wirbt der Flyer für den Naturverbund Niederrhein - und so würde es wohl auch jedes Mitglied unterschreiben.

Meike Siebel, 
Landwirtschaftskammer NRW

Fotos: Meike Siebel

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