Stöbert man auf der Webseite der Bio-Region Niederrhein nach den Anfängen der Erzeugergemeinschaft und landet dabei in dem Kapitel „Wie alles begann“, stößt man unwillkürlich auf die Namen, die die Biobranche im nordwestlichen NRW seit den 1980er-Jahren maßgeblich geprägt und die den Weg geebnet haben für eine koordinierte Vermarktung bioregional erzeugter Lebensmittel. Die Gründung der Vermarktungsorganisation „Bio-Region Niederrhein“ 2013 war daher ein logischer Schritt. Ein Selbstläufer ist die bioregionale Landwirtschaft am Niederrhein damit aber noch lange nicht.
Die Philosophie des Vereins ist einleuchtend: Höchste Bioqualität aus der Region für die Region. Die Erkennbarkeit von regional erzeugten Verbands-Bioprodukten soll gefördert werden. Der Ansatz ist nicht minder eingängig: Die Hauptwertschöpfung soll zurück zu den regionalen Biobetrieben durch den Ausbau der Direktvermarktung. „Dieser Ansatz ließ sich bis kurz vor der Corona-Pandemie recht konsequent verfolgen, unsere Mitgliedsbetriebe haben produziert und konnten ab Hof, auf Wochenmärkten oder über Abo-Kisten ihre Bioprodukte gut vermarkten. Dann kamen der Absatz- und auch Umsatz-Boom während der Corona-Zeit, die Betriebe sind wie von selbst gewachsen! - und danach bekannter Maßen der Einbruch“, fasst Joachim Kamphausen den Trend der letzten paar Jahre knapp zusammen. „Es gab einen kleinen Durchhänger und wir haben uns gefragt: Was ist denn nun? Wie soll es weitergehen?“
Kamphausen bewirtschaftet den Lenßenhof in Mönchengladbach und ist, ebenso wie die Demeter-Imkerin Beate Görgens aus Dormargen, engagiertes Mitglied bei der Bio-Region. Bio und Regionalität in der Land- und Lebensmittelwirtschaft sind auch Heiner Hannen vom Lammertzhof in Kaarst ein großes Anliegen. „Gemeinsam, mit gebündelten Kräften, können wir hier mehr erreichen als als Einzelkämpfer“, so Hannen, der zusammen mit Harald Vienhues von „Vienhues Biomarkt“ in Willich als Vorsitzender die Geschicke des Vereins lenkt. Neuerdings wird der Vereinsvorstand unterstützt von Jan-Paul van Leendert, der den Biogroßhandel Bio-Rhein-Maas in Kerken leitet und vor allem deshalb eine Bereicherung für die Vermarktungsorganisation darstellt, weil mit Bio-Rhein-Maas auch die Logistik und das Netzwerk des etablierten Großhändlers für Frischeprodukte am Niederrhein mit am Start und nutzbar sind. „Damit lassen sich für die Mitgliedsbetriebe vorhandene Strukturen aufgreifen und verstärken“, betonen die drei Erzeuger im Bunde.
Besagter Durchhänger und der durch die wirtschaftliche Lage hervorgerufene Rückgang an Inspiration und Motivation der ehrenamtlich tätigen Biolandwirte rief Stefan Gothe auf den Plan. „Wir sind Mitglieder in der Regionalwert AG Rheinland und Stefan Gothe hat uns auf die Idee gebracht, das RiWert-Förderprogramm, eine Maßnahme des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL), zu nutzen und damit unserem Verein zu neuem Schwung zu verhelfen“, so Heiner Hannen zur weiteren Entwicklung. Im Rahmen des entwickelten Projekts sollen in der Projektregion Niederrhein Bio-Wertschöpfungsketten für Verbands-Bioware auf- und weiter ausgebaut werden. Besonderer Fokus liegt dabei im Aufbau von Verarbeitungskapazitäten für Biogemüse und -Obst, das einerseits regionstypisch konserviert und andererseits, zum Beispiel zur Verwendung in (Groß-) Küchen, vor-verarbeitet werden soll.
„Mit der künftigen Sortimentserweiterung von regionalen Bioprodukten sollen bestehende Direktvermarktungswege, also Hofläden, Abo-Kisten und Marktstände, gestärkt werden. Zusätzlich möchten wir auch neue Absatzmärkte erschließen. Das könnte zum Beispiel die Außer-Haus-Verpflegung sein. Der dafür notwendige Ausbau von Logistikstrukturen sowie die Etablierung der Marke „Bio-Region-Niederrhein“ sind ebenfalls Bestandteile des Projekts“, erläutert Mareike Jarosch dessen Inhalte weiter. Seit gut einem Jahr steht sie als Bio-Wertschöpfungskettenmanagerin der Bio-Region bei der Projektumsetzung zur Seite. „Eine solche Stelle wäre ohne die Fördermittel vom Bund undenkbar. Die hochgesteckten Projektziele sind aber dringend notwendig zur Stärkung des ökologischen Landbaus am Niederrhein - und sie machen einen Haufen Arbeit, den die auf ihren Betrieben gut ausgelasteten Landwirte allein nicht stemmen können“, sind Heiner Hannen und seine Kollegen froh über diese Unterstützung.
34 Biobetriebe sind derzeit in der Bio-Region organisiert. Das Potenzial liegt bei rund 100 Betrieben. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft sind drei „Basics“: Man muss Erzeuger sein, also selbst produzieren und vermarkten, einem der drei Bio-Anbauverbände angehören - und natürlich in der Region liegen. „Bisher sind nur Erzeugerbetriebe in der Bio-Region organisiert. Wir möchten den Verein aber öffnen für Betriebe aus dem nachgelagerten Bereich, wie Mühlen, Bäckereien, Metzger. Denn am Handwerk und der Verarbeitung mangelt es ja häufig am meisten“, fasst Heiner Hannen ein Grundproblem zusammen.
Der Mehrwert für die Mitgliedsbetriebe sei nicht auf den ersten Blick greifbar, werde aber bei näherem Hinsehen deutlich. Auch durch das Logo der Bio-Region Niederrhein, das die Produkte ziert. „Wir produzieren in der Region und vermarkten vorzugsweise auch in der Region. Strukturelle Ansätze sind da, ein Absatzmarkt mit den Ballungsgebieten um Düsseldorf und dem nördlichen Ruhrgebiet direkt vor der Haustür. Die Verbraucherinnen und Verbraucher, die unsere Produkte kaufen, bekommen mit selbigen die größtmögliche Transparenz und wissen, dass sie mit dem Blumenkohl, dem Porree, den Kartoffeln oder dem Glas Honig auch noch all das, was dem Produkt vorausgegangen oder nachgelagert ist, mit einkaufen“, betont Joachim Kamphausen und meint damit zum Beispiel die Biodiversitätsmaßnahmen, die die Betriebe zusätzlich durchführen, die Anstrengungen fürs Tierwohl oder das soziale Engagement vieler Höfe in ihrer Nachbarschaft. In den Hofläden, die die Erzeugnisse der Kolleginnen und Kollegen ebenfalls weiterverkaufen, seien alle Waren, die von Mitgliedsbetrieben der Bio-Region stammen, als solche mit dem Logo ausgezeichnet und in Listen sortiert. „Im direkten Kontakt mit den Kunden lässt sich dieses Mehr an Bio-Qualität doch deutlich besser und authentischer darstellen als zum Beispiel bei der Vermarktung der Produkte über den LEH oder gar im Discounter“, nennt Kamphausen den für ihn offensichtlichsten Vorteil, bio-regional zu produzieren und zu vermarkten.
Doch bei der Direktvermarktung unter dem Logo mit der schönen Kopfweide alleine könne es zukünftig nicht bleiben - über diese Erkenntnis aus den zurückliegenden harten Monaten sind sich alle Beteiligten einig. Neue Absatzwege müssen her. „Der Markt für die Direktvermarktung ist begrenzt. Alternativ oder zusätzlich sehen wir eine Chance in der Außer-Haus-Verpflegung“, nennt Mareike Jarosch die Perspektive, der die Betriebe der Bio-Region Niederrhein nun folgen. „Der Bund möchte die Lebensmittelwirtschaft regionalisieren. Ein Hebel kann dabei die AHV sein. Dazu müssen wir aber den Rückgang der Verarbeitungsbetriebe verlangsamen oder noch besser aufhalten“, sind Heiner Hannen und seine Kollegen überzeugt.
Und tatsächlich ist ein Projekt dazu angestoßen, wie sich typisch niederrheinische Produkte auch in Großküchen vermarkten lassen: Gemeinsam mit dem Bio-Großhandelsbetrieb Bio-Rhein-Maas, der Regionalwert AG Rheinland sowie der Öko-Modellregion Niederrhein als starke Unterstützer möchten die Akteurinnen und Akteure der Bio-Region einen Verarbeitungsbetrieb für Bio-Gemüse aufbauen. „Wir wollen künftig Betrieben der Außer-Haus-Verpflegung geschältes und geschnittenes, wohlmöglich zudem höher verarbeitetes Bio-Gemüse in großer Menge und kontinuierlicher Verfügbarkeit anbieten können. Damit möchten wir die Lücken in der Wertschöpfungskette für eine Belieferung regionaler Bio-Produkte in die AHV weiter schließen“, erläutert Mareike Jarosch, die die Aktion als Projektmanagerin begleitet. Und seien in den letzten Jahren „die Bios unter sich“ gewesen, ergäben sich über die AHV zunehmend Schnittmengen mit konventionellen Betrieben und Küchen in der Region. „Wenn wir Biobetriebe da als Bio-Region gebündelt auftreten, wird es sicherlich einfacher, dass wir als regional und bio wahrgenommen werden. Denn bei aller gemeinsamen Anstrengung ist es uns nach wie vor wichtig, dass „regional“ eben nicht das „neue Bio“ ist, sondern der Mehrwert von Bioprodukten immer noch deutlich erkennbar bleibt.“
Wenn das Engagement für die Außer-Haus-Verpflegung gut gestartet ist und sich im Laufe der Zeit Vorteile oder ein Mehrwert für die Biobetriebe am Niederrhein erkennen lassen, könnte der Verein auch darüber nachdenken, weitere landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe als Mitglieder aufzunehmen. „Unser Verein unterliegt ebenso wie unsere Region einem organischen Wachstum. Wenn wir uns mit allem die gebotene Zeit lassen und die Bedürfnisse am Niederrhein sehen und kennen, wachsen auch die Betriebe am besten mit.“
Meike Siebel,
Landwirtschaftskammer NRW