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Ökomärkte entwickeln sich in unterschiedlichem Tempo

30.12.2022

Die Nachfrage nach Ökolebensmitteln erweist sich auch in Krisenzeiten, wie sie aktuell erlebt werden, als grundsätzlich beständig und wachsend. Zu Beginn des Jahres betrugen die Gesamtumsätze mit Ökolebensmitteln in Deutschland knapp 16 Mrd. € und legten damit erneut zu - und zwar um 5,8 % gegenüber dem Vorjahr. Auch steigt der Anteil der Ökolebensmittel am gesamten Lebensmittelmarkt weiter kontinuierlich und beträgt über alle Warengruppen hinweg nun fast 7 %. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die unter anderem das Kaufverhalten an den Kassen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) misst, kommt in der August-Ausgabe ihres „Consumer-Index“ zu dem Ergebnis, dass die Ökolebensmittel zu den wenigen Sektoren des gesamten Konsumgüterbereichs zählen, die zurzeit noch moderat wachsen.

Gleichzeitig ist jedoch festzustellen, dass die Entwicklungen doch deutlich auseinanderfallen, wenn man die unterschiedlichen Vermarktungskanäle jeweils für sich betrachtet. Von den hier beschriebenen Steigerungen profitieren hauptsächlich die Discounter und Vollsortimenter des LEH. Und in diesem Bereich legen vor allem die Bio-Handelsmarken zu, die sich insbesondere durch die besonders niedrigen Verkaufspreise auszeichnen. Es liegt auf der Hand, dass die Einkäufer zur Erreichung ihrer Tiefpreis-Ziele nicht gerade zimperlich mit den Erzeugern oder Zwischenhändlern von Biowaren umgehen, wenn es um die Verhandlung der Abgabepreise geht. Die besondere Tragweite dieser Einwicklung wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass der Löwenanteil der 16 Mrd. €, nämlich derzeit rund 62 %, auf diese Vertriebswege entfällt.

Rückgang beim Naturkosthandel

Der Naturkostfachhandel hingegen hatte in den letzten Monaten und für das Jahr 2022 insgesamt mit Umsatzrückgängen zu kämpfen, zum Teil auch im zweistelligen Prozentbereich. Die notwendigen Preisanpassungen, hauptsächlich aufgrund gestiegener Personal- und Energiekosten, ließen sich nur schwer bei der angestammten Kundschaft durchsetzen. Die Kaufzurückhaltung in den hochpreisigen Segmenten insgesamt und die beschriebene Abwanderung zu günstigeren Bio-Handelsmarken erschweren dem Naturkosthandel derzeit die Geschäftsentwicklung.

Vergleichbares ist in der Direktvermarktung, also bei den Wochenmärkten, den Abo-Kisten und Hofläden der Ökobetriebe, zu beobachten. Augenblicklich deutet sich allerdings eine gewisse Erholung des Absatzes an, die Umsätze erreichen annährend wieder das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019. Insofern liefert der Vergleich mit den pandemiebedingten Boom-Jahren 2020 und 2021 ohnehin ein etwas verzerrtes Bild.


Hohe Produktionskosten

Den Erzeugerbetrieben gelingt es nur zum Teil, ihre gestiegenen Kosten beim Handel und bei den Verarbeitern in Form höherer Abgabepreise durchzusetzen. In den besonders arbeitsintensiven Verfahren des Ökolandbaus, also zum Beispiel in der Erzeugung von Obst und Gemüse, schlagen die Kosten für Fremdarbeitskräfte derzeit besonders stark zu Buche. Aber auch die teils deutlich gestiegenen Kosten für Energie und Treibstoffe sowie die in der Tierhaltung erheblichen Futterkostensteigerungen führen auch in allen anderen Produktionsbereichen zu einer Verteuerung der Erzeugung.

Betriebe, die für den LEH produzieren, bekommen dessen erhebliche Marktmacht zu spüren. Wer mit Hinweis auf die gestiegenen Produktionskosten höhere Erzeugerpreise einfordert, kann dennoch nicht sicher sein, mit diesem Argument auch gehört zu werden. Im Naturkosthandel und in der Direktvermarktung scheuen die Erzeuger oftmals die eigentlich erforderlichen Preisanhebungen. Die hohe Inflationsrate, das damit einhergehende Sinken der verfügbaren Nettoeinkommen breiter Käuferschichten sowie die allgemeine Krisenstimmung passen augenblicklich nicht gut zu den notwendigen Anpassungen im Ökomarkt.

Bio-Milcherzeugung in NRW unter Druck

Bio-Milch als hochpreisiges Lebensmittel wird im Vergleich zur konventionellen Milch aktuell von den Verbraucherinnen und Verbrauchern häufiger gemieden. Auf die steigenden Kosten für Energie, Löhne und Futtermittel können augenblicklich konventionelle Milcherzeuger mit in der Relation stärker gestiegenen konventionellen Milchpreisen besser reagieren als Ökobetriebe. Das bremst tendenziell den Erzeugerpreisanstieg im Bio-Sektor, weshalb auch kaum Nachfrage nach Umstellung festzustellen ist. Gleichzeitig ist bemerkenswert, wie stark der Milchpreis unter den Bio-Molkereien in NRW differiert und es ist erkennbar, dass der Absatz im LEH mehr Preiszugeständnisse zulässt als der Absatz im klassischen Naturkosthandel. Demzufolge ist zumindest für einen Teil der Bio-Milchviehbetriebe in NRW die erforderliche Kostendeckung derzeit nur schwer zu erreichen. Unter diesen Umständen und Marktbedingungen ist es nachvollziehbar, dass auch Rückumstellungen zu beobachten sind.


Ein Blick auf die Öko-Märkte

Hinsichtlich der Erzeugerpreisentwicklungen sieht es in anderen Produktionsbereichen des Ökolandbaus deutlich besser aus. Im Bereich der Öko-Schweinehaltung haben sich die Erzeugerpreissteigerungen zuletzt zwar etwas abgeflacht, jedoch erzielten Öko-Mäster noch nie so viel für ihr Schweinefleisch wie gegenwärtig. Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) notiert augenblicklich Erzeugerpreise von etwa 4,30 € netto je Kilogramm Schlachtgewicht, einzelne Verarbeiten zahlen sogar noch deutlich höhere Preise aus. Auch bei der Ferkelerzeugung schwingen sich die Erzeugerpreise von einem Allzeithoch zum nächsten. Die Dynamik verringert sich zwar auch hier, es werden aber immer noch Ferkelpreise von 165 bis 170 € netto je Ferkel, in einigen Fällen auch noch deutlich darüber, aufgerufen.

Auch im Öko-Ackerbau haben sich die Erzeugerpreise in vielen Fällen deutlich nach oben bewegt. Brotweizen etwa wird mit 53 bis 56 € netto je Dezitonne (dt) je nach Qualität gehandelt - ein Niveau, das zumindest in den letzten sieben Jahren nicht erreicht wurde. Auch bei Öko-Futtergetreide kann eine Hochphase bei den Erzeugerpreisen beobachtet werden. Zwischen rund 38 € netto je dt (Futterhafer) und etwa 50 €  netto je dt (Körnermais) bewegen sich momentan die Notierungen und ein Abschwung ist auch hier nicht in Sicht. Sorgenkind ist lediglich der Dinkel, dessen traditionell stark schwankender Erzeugerpreis im Moment mal wieder eine Talsohle durchschreitet.

Bei den Eiweißkomponenten, also Ackerbohnen, Futtererbsen und Lupinen, ist auch eine Hochpreisphase zu verzeichnen. Hier werden aktuell zwischen 65 und 70 € netto je dt erzielt und angesichts der knappen Verfügbarkeiten mit heimischen Eiweißträgern ist auch hier nicht mit nennenswerten Einbrüchen zu rechnen. Insgesamt relativieren natürlich auch in der Bodenproduktion die gestiegenen Erzeugungskosten die guten bis sehr guten Erzeugerpreise.

Fazit: Traditionell Krisen-resistent

Einerseits gibt es nichts zu beschönigen bei der Beurteilung der Lage im Ökomarkt. Andererseits ist die Stimmung in Teilen der Branche deutlich schlechter, als es, von Ausnahmen abgesehen, angesichts der näheren Umstände tatsächlich gerechtfertigt wäre. Es bleiben eine Reihe von Unwägbarkeiten bestehen, die ein Abschätzen der weiteren Marktentwicklung derzeit erschweren. Die ökologische Erzeugung und der Ökomarkt haben sich jedoch in der Vergangenheit bereits mehrfach als in hohem Maße resistent gegenüber Krisen ausgezeichnet. Es deutet wenig darauf hin, dass sich das fundamental ändern könnte. Bio wird auch zukünftig bedeutsam sein, wachsen und im Markt seine Chancen wahren.

Georg Pohl,

Landwirtschaftskammer NRW

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