Wo findet die klassische Direktvermarktung ihren Platz in einem zunehmend digitaler werdenden Markt? Müssen Direktvermarkter dieser Entwicklung folgen? Welche Digitalisierungsmaßnahmen können im direktvermarktenden Betrieb Vorteile bringen? Was erwarten die Kunden und welche digitalen Trends akzeptieren sie?
Antworten auf diese Fragen gab es auf einem gut besuchten Seminar der Landservice-Beratung der Landwirtschaftskammer NRW in Essen. Die Landservice-Beraterinnen Birgit Jacquemin und Carina Steinhaus konnten einige Interessierte aus ganz Nordrhein-Westfalen begrüßen, die nicht nur Informationen und Einschätzungen von ihnen haben wollten, sondern sich auch rege untereinander austauschten.
Nach dem Boom der Corona-Jahre agieren die Verbraucher beim Lebensmitteleinkauf sehr verhalten. Aufgrund der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten wird weniger und vor allem preisgünstiger eingekauft. Dies spüren die Direktvermarkter deutlich. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden. Diese Entwicklungen treiben die Digitalisierung im Handel voran; man will in den Vermarktungsprozessen Kosten sparen und vom Personal unabhängiger werden. Aktuell seien daher folgende Entwicklungen zu beobachten, so die Landservice-Beratung:
Carina Steinhaus stellte verschiedene Möglichkeiten digitaler Lösungen für den Vertrieb vor. Einig waren sich alle Teilnehmer, dass elektronische Bezahlmöglichkeiten heute auch bei der Direktvermarktung nicht mehr wegzudenken sind, selbst auf dem Wochenmarkt werde nach dem Bezahlen mit Karte gefragt. Kunden möchten die Wahl haben, ob sie mit Karte oder bar bezahlen. Viele Direktvermarkter konnten die Erfahrung machen, dass nach Einführung der elektronischen Bezahlmöglichkeit in ihrem Laden der Umsatz gestiegen ist. Außer der klassischen Girocard werde inzwischen von den Kunden auch nach Kreditkarten oder online-Bezahldiensten wie PayPal gefragt. Bei Kreditkarten sollten Direktvermarkter sich gut über die Gebühren informieren und gegebenenfalls den Anbieter wechseln.
Selbst-Scan-Kassen und digitale Einkaufswagen setzen voraus, dass an jedem Produkt ein Etikett mit Barcode ist. Um den Kunden auch das selbst Scannen noch zu ersparen, gibt es inzwischen digitale Supermärkte, bei denen Kameras überwachen, was der Kunde in seine Einkaufstasche packt, bevor er ohne Kasse den Laden wieder verlässt. Per Girocard meldet er sich bei Betreten des Ladens an und so werden die entnommenen Produkte abgebucht.
Sogenannte Smart-Stores, die sich aktuell wachsender Beliebtheit erfreuen, funktionieren ähnlich. Einzelne Direktvermarkter investieren gerade in solche Container als digitale 24/7 Hofläden. Darin sind alle Produkte in Regalen wie in einem normalen Laden aufgebaut, nur, dass es kein Personal gibt. Der Kunde verschafft sich mit seiner Girocard den Zutritt, nimmt sich die Ware und scannt sie selbst, bevor er den Container wieder verlässt; Bar- oder Kartenzahlung sind möglich. Das Ganze ist videoüberwacht. So eine Investition will wohl überlegt sein, aber in Gegenden, wo der nächste Nahversorger weit weg ist, kann es sich auch für Direktvermarkter rentieren.
Seminarteilnehmer wandten ein, dass ein Laden ohne Personal für sie nicht in Frage käme, da ein guter Verkäufer einen Mehr-Einkauf erwirken könne. Auch dafür gebe es schon technische Lösungen, erläuterte Steinhaus. So könne beispielsweise an der Selbst-Scan-Kasse im Display – ähnlich wie man das aus Onlineshops kennt – erscheinen: „Kunden, die dieses Produkt kauften, kauften auch….“ Oder es ploppen Push-up-Nachrichten mit aktuellen Angeboten auf dem Handy auf, sobald der Kunde den Laden betritt.
Der Online-Einkauf von Lebensmitteln wird eine Nische bleiben, prophezeite Birgit Jacquemin. Ein klassischer Onlineshop mit Versand sei für die üblichen Bauernhofprodukte im Verhältnis logistisch zu aufwändig und die Versandkosten wären zu hoch gegenüber dem Warenwert. Bei Fleisch oder beispielsweise Spirituosen sehe das anders aus. Ob man sich nun einen eigenen Onlineshop programmieren lässt oder sich bei einem vorhandenen anmeldet, zum Beispiel Wochenmarkt24, Picnic, Flaschenpost, die notwendige Logistik dahinter sei nicht zu unterschätzen. Ähnlich sei es beim Konzept Lieferdienst oder Abokiste; wobei es auch hierfür inzwischen unterstützende Software gibt, die Packlisten generiert, Routen plant und Rechnungen automatisch erstellt.
Interessanter sei „Click & Collect“, also die Bestellung online, der Direktvermarkter packt die Ware und der Kunde holt sie ab. Hier verschmelzen Online- und Offline-Handel. Zu diesen Konzepten zählen auch die Marktschwärmereien.
Einer Umfrage von Trendmonitor Deutschland zufolge seien deutsche Verbraucher aufgeschlossen für digitale Innovationen im stationären Lebensmitteleinzelhandel: Selbst-Scan-Kassen, digitale Supermärkte ohne Kasse, digitale Einkaufswagen. Überwiegend negative Reaktionen riefen jedoch schnell wechselbare digitale Preisauszeichnungen hervor; diese sind schon bei Tankstellen nicht beliebt. Bei dieser Umfrage zeigte sich die Hälfte der Befragten interessiert am Online-Einkauf von Lebensmitteln. Dies sei wohl darauf zurückzuführen, dass heute in immer mehr Familien beide arbeiten und Zeit der limitierende Faktor ist.
Von digitalen Preisschildern zeigten sich die Seminarteilnehmer aufgrund des Ambientes auch nicht so begeistert, ein Hofladen-Preisschild müsse handgeschrieben sein. Aufsteller gibt es inzwischen auch schon digital, sie funktionieren wie ein digitaler Bilderrahmen mit USB-Sticks und haben gegenüber Papier den Vorteil, dass auch bewegte Bilder möglich sind. Gleiches gilt für Bildschirme im Laden, die wechselnde Einstellungen mit Angeboten ebenso präsentieren können wie einen Blick per Kamera in den Stall.
Digital ist auch eine Laden-App, die dem Kunden hilft, Produkte im Laden zu finden - Baumärkte bieten so etwas beispielsweise schon an. Zugleich kann Push-Up-Werbung gesandt werden. Oder die Künstliche Intelligenz meldet der Verkäuferin, dass da in Gang XY gerade ein Kunde steht, der offensichtlich Beratungsbedarf hat. KI wird auch genutzt, wenn es darum geht, die Wege der Kunden durch den Laden nachzuvollziehen. Anhand der von Handys ausgesandten Strahlung können im Laden montierte Sensoren die Wege der Verbraucher durch den Laden verfolgen. Auswertungen können dann dazu beitragen, dass Wege optimiert werden oder Werbung gezielter platziert werden kann.
Viele Kassensysteme bieten CRM (Customer Relationship Management), also digitale Kundenkarten an. Dabei können Kundendaten verwaltet, Verkäufe den Kunden zugeordnet, ein Treueprogramm/Rabattsystem integriert oder Gutscheine automatisch versandt werden.
Wie kommuniziere ich mit meinem Kunden? Nach wie vor sei Papier dafür beliebt, nicht umsonst verschicken die großen Ketten wöchentlich ihre Werbezettel. Auch Flyer machen in der Direktvermarktung Sinn. Die digitale Welt bietet viele Möglichkeiten, die vor allem auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sein müssen. Es können Emails, Newsletter, aber natürlich auch Posts in den Sozialen Medien sein; je nach Altersgruppe Facebook, Instagram, YouTube oder Tiktok. Natürlich müssen zunächst Adressen beziehungsweise Handynummern der Kunden gesammelt und datenschutzrechtliche Hinweise geklärt werden.
Emails/Newsletter sind etwas schwerfälliger und werden seltener gelesen als WhatsApp. Auch Serien-Emails können – und sollten - personalisiert verschickt werden. Bei WhatsApp ist zu beachten, dass Unternehmen das „normale“ WhatsApp nicht nutzen dürfen. Für sie gibt es WhatsApp Business (kostenlos, für Kleinunternehmen bis drei Mitarbeiter, DSGVO nicht gewährleistet) oder WhatsApp Business API (kostenpflichtig, datenschutzkonform). Da es inzwischen schon Verbraucher gibt, die sich von den sozialen Netzwerken gelangweilt abwenden, sollten Direktvermarkter, die bei Facebook oder Instagram aktiv sind, die Auswertungen dort nutzen, um zu erfahren, welche ihrer Posts gut angekommen sind. Außerdem sollte man beobachten, ob Produkte, die über die Sozialen Medien beworben werden, auch tatsächlich verstärkt gekauft werden.
Und auch bei der „Arbeit“ des Antwortens auf digitale Reaktionen der Kunden auf die Posts kann man sich inzwischen von KI helfen lassen. So genannte Chatbots, wie Chat GPT oder WhatsApp-Chatbot in WhatsApp Business API, ahmen eine menschliche Unterhaltung nach und können bis zu 70 % aller möglichen Fragen automatisch beantworten. Für häufig gestellte Fragen wie beispielsweise die nach den Öffnungszeiten bietet sich das an.
Sabine Aldenhoff/ LZ Rheinland