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Haltungsstufe 3 auf dem Vormarsch

19.04.2024

Unter den Rinderhalterinnen und -haltern herrscht Verunsicherung: Auf deutliche Ansage der Schlachtunternehmen hin befürchten einige Vermarktungsunternehmen und viele Bullenmäster, dass ihnen künftig der normale QS-Bulle nicht mehr - oder nur mit Preisabschlägen - abgenommen wird.

Der LEH macht Druck

Der Druck des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) auf die Rinderschlachtunternehmen zur Lieferung von Rindfleisch aus der Haltungsform (HF) 3 nimmt zu. Bei den Schlachtkühen ist das noch nicht ganz so deutlich zu spüren, weil durch die Anerkennung vieler Milchviehbetriebe durch die Molkereien für QM ++ die Lieferung von Schlachtkühen der HF3, zumindest in einigen Regionen Deutschlands, gestiegen ist. Hier ist der Markt mit Verarbeitungsware aus HF3 offenbar besser versorgt. Es wird weiter gesucht, aber nicht mit der Vehemenz wie bei den Jungbullen.

Beim Rindfleisch in der Frischvermarktung an der Theke macht der LEH jetzt richtig Druck. Aldi will ab Ostern bei den Eigenmarken nur noch Rindfleisch der HF3 anbieten, Lidl will in Kürze folgen. Auch Edeka erweitert das Programm mit Rasting und andere müssen oder werden folgen. Wenn der LEH das Standard QS-Fleisch nicht mehr anbietet, erübrigt sich die Frage, ob der Kunde nicht doch lieber das preiswerte kauft. Ob der Konsument doch mit etwas größerer Kaufzurückhaltung reagiert, wird man dann sehen.

In Sachen Qualitätsfleischprogramme für Jungbullen ist im Nordwesten die Westfleisch SCE vorgeprescht. Sie hat verschiedene Programme initiiert. Am schnellsten ging es mit den Strohbetrieben, die ohnehin ihre Besatzdichte abstocken mussten, um die öffentliche Förderung zu erhalten. Dementsprechend waren hier keine hohen Preisaufschläge nötig, um Bullen in die Programme zu bringen. Dieser erste, relativ geräuschlose Angang könnte Schlachtunternehmen und LEH zur irrigen Annahme veranlassen, dass der Rest der Bullenmäster schon noch folgen wird.

Erst wenige Betriebe

Im Nordwesten sowie regional in Bayern erfüllen aber nur 10 bis 20 % der Betriebe ohnehin die Anforderung der HF3. Der Anteil wächst stetig, aber bei den meisten konventionellen Bullenmastbetrieben bedeutet die Umstellung einen bis zwei Jungbullen weniger pro Bucht, was bekanntlich erst nach Neueinstallung am besten passt. Dann kommen die Umbauten mit je nach Betrieb sehr unterschiedlichen Kosten. Wenn Mäster zwei Jungbullen aus der Bucht nehmen müssen, wäre ein finanzieller Zuschlag von circa 40 Cent je kg Schlachtgewicht nötig, um die Kosten auszugleichen. Doch zurzeit liegen die Zuschläge nur bei 20 bis 25 Cent.

Was vielen Bullenmästern nicht passt, ist der Umstand, dass die bisherigen Auditierungen für HF3 automatisch zu einem Liefervertrag führen. Schlachtbetriebe signalisieren jetzt, dass sie auch HF3-Bullen aus Betrieben ohne Vermarktungsvertrag übernehmen. Der Mäster muss dann sein Audit selbst zahlen, was aber kein Hemmnis sein sollte.

Färsen der Handelsklasse R3 werden häufig wie Jungbullen bezahlt. Kurzbratstücke sind bei Kennern sehr begehrt. Aktuell zeichnet sich ab, dass auch im Sektor Färsenmast zunehmend HF3 gefragt wird. Bei den oft extensiveren Haltungsformen in der Färsenaufzucht dürfte eine HF3-Auditierung häufig leichter sein. Das spricht dafür, die Prämien ohne großen Aufwand mitzunehmen, zumal der Preisaufschlag ähnlich hoch ist wie in der Jungbullenmast.

Lohnt die Haltungsform 3?

Neben hochspezialisierten großen Bullenmastbetrieben, vor allem im Westmünsterland und im Emsland, findet Bullenmast oft in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben in älteren Ställen im Nebenerwerb statt. Ökonomisch macht es wenig Sinn, die Bestandsdichte herunterzufahren und bei hohen Baukosten zu investieren. In diesen Betrieben wird sich die Umstellung auf HF3 nicht rechnen.

Nicht unerheblich ist die Anzahl von Betrieben mit Bullenmast in durchaus unterschiedlichen Haltungsformen - von konventionellen Mastställen, oft noch aus den 80er- und 90er-Jahren, über umgebaute Tieflaufställe bis zu ehemaligen Milchviehställen. Hier gilt es, durchzukalkulieren, ob bei Fortsetzung des Betriebszweiges die relativ geringen Umstellungskosten in einigen Teilbereichen größere Investitionen im letzten Stallbereich nicht doch zum guten Teil mitfinanzieren. Hier ist eine betriebsindividuelle Beratung nötig.

In NRW und Niedersachsen sind vielfach neue Bullenmastställe in der Planung. Ob sie im Hinblick auf die rasant steigenden Baukosten alle realisiert werden, sei dahingestellt. Sicher ist aber: Wer für die Zukunft baut, kommt an der HF3 nicht vorbei.

QS weiter zu vermarkten

Der normale QS-Bulle der HF 1 wird auch in Zukunft zu vermarkten sein, aber es könnte schwieriger werden, da seine edlen Teilstücke nicht mehr vollständig über die großen Konzerne des LEH abfließen werden. Das Verarbeitungsfleisch, wie die Vorderviertel, werden wohl auf längere Zeit nicht in Vermarktungswege mit HF 3 abfließen. Der Lebendexport von Rindern mit guten Schlachtkörpereigenschaften in Nachbarländer, wie die Niederlande, könnte bei der Vermarktung von QS-Standardtieren an Bedeutung gewinnen.

Fazit
  • Der LEH drängt beim Rind auf die Umstellung auf Haltungsform (HF) 3 beim Frischfleisch für die Theke.
  • Ob sich die Umstellung auf HF3 lohnt, ist betriebsindividuell zu entscheiden. Bei Neubauten führt kein Weg an HF 3 vorbei.
  • Bullen der HF1 werden auch in Zukunft zu vermarkten sein, wenn auch schwieriger.

Dr. Albert Hortmann-Scholten, Landwirtschaftskammer Niedersachsen,

Dr. Frank Greshake, Landwirtschaftskammer NRW

Weitere Informationen

Man kann die Nutztierhaltung nicht mit der Brechstange umstellen

Vor drei Jahren haben die LEH-Größen angekündigt, in Zukunft nur noch Fleisch aus Haltungsstufe 3 und höher anzubieten.

In breit angelegten Marketingkampagnen zeigte man sich entschlossen, ab 2030 bei Rind, Schwein und Geflügel die Stufen 1 und 2 (ITW) nicht mehr führen zu wollen. Ob die deutschen Erzeuger diese hoch gesteckten Ziele in einem so kurzen Zeitraum erreichen würden, wurde nicht geprüft. Die Meinung des Berufsstandes war offensichtlich nicht gefragt.

Nun kann man bezüglich der Änderung der Haltungsverfahren nicht alle Nutztierarten über einen Kamm scheren, sondern muss genauer hinsehen:

  • In der Milchviehhaltung ist in den Grünlandregionen Weidehaltung mit vergleichsweise geringem Mehraufwand möglich. Molkereien honorieren das häufig mit einem Preisaufschlag. Die Altkühe von der Weide entsprechen HF3 und werden in der Regel mit einem Preisaufschlag von 15 Cent je kg SG vergütet.
  • Bei Jungbullen ist es schon komplizierter und kostenaufwändiger.  Die Umstellung auf HF3 können längst nicht alle Betriebe umsetzen. Ohne die Strohbetriebe liegt das Potenzial schnell umzustellender konventioneller Betriebe bei 10 bis 20 %. Wenn es nicht flott genug geht, wird französische Ware gekauft und intensiv beworben, wie das Beispiel Rewe Nord zeigt.
  • Beim Geflügel kann man zum Beispiel bei der Pute für HF3 die Luisianaställe als Haltung mit Außenklimareizen definieren. Doch seuchenhygienische Risiken für die Tiere nehmen zu, genau wie die Produktionskosten in einer auf Kostenminimierung ausgelegten EU-Fleischwirtschaft. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Weißfleischerzeugung würde in der EU 27 sinken und Marktanteile verloren gehen.
  • Beim Schweinefleisch sprechen gleich mehre Fakten dafür, dass die Ziele des LEH unrealistisch sind. Der Marktanteil von HF3 und HF4 liegt derzeit bei maximal 3 % - und wenn Schweinehalter auf HF3 und HF4 umbauen wollen, scheitern sie wegen der Genehmigungspraxis und aus finanziellen Gründen.

Ob und wieviel der Verbraucher am Ende von dem höherpreisigen Fleisch kaufen wird, ist fraglich. Der LEH muss erkennen, dass man die Nutztierhaltung nicht mit der Brechstange auf alternative System umstellen kann. Es gibt gute Gründe, warum Generationen von Landwirten Nutztiere in Ställen untergebracht haben, die im Hinblick auf Tierkomfort und Tiergesundheit immer besser geworden sind. Schließlich darf man den gesundheitlichen Verbraucherschutz bei der Lebensmittelerzeugung nicht aus dem Auge verlieren. Da gibt es Zielkonflikte, die der LEH nicht hinreichend durchdacht hat.


Dr. Frank Greshake,

Landwirtschaftskammer NRW

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