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Schweinefleisch direkt mit Erfolg vermarkten

08.04.2024

Der Pro-Kopf-Verzehr von Schweinefleisch lag 2019 bei rund 58 kg, 2021 bei 56,2 kg und 2022 bei 52 kg, was einen Rückgang innerhalb von zwei Jahren von 8,1 % bedeutet. Rund 30 Jahre zuvor, zwischen 1991 und 2018, lag der Pro-Kopf-Verzehr stabil zwischen 64 und 62,8 kg. Zwar befindet sich Schweinefleisch im Vergleich zu anderen Fleischarten mengenmäßig im Sinkflug, dennoch ist es mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 29 kg monetär gesehen nach wie vor an der Spitze, gefolgt von 12,7 kg Geflügelfleisch und 8,7 kg Rind- und Kalbfleisch.

Mit Blick auf den Markt wird ein weiterer Trend deutlich: Die Nachfrage nach Fleischalternativen stieg zuletzt und wird laut Prognosen weiter steigen. Neben Veganern und Vegetariern sollen die Flexitarier diesen weiteren Anstieg fördern. Die Zielgruppe der Flexitarier lässt sich wörtlich erklären mit „flexible Vegetarier“. Sie essen Fleisch, Fleischprodukte und Fisch, aber nicht täglich oder regelmäßig. Sie legen Wert auf die Herkunft und die Qualität der Lebensmittel. Gründe sind in einem verstärkten Gesundheitsbewusstsein und in Umweltaspekten zu finden. Die Gruppe der Flexitarier ist in der Regel weniger preissensibel und weiß ein gutes Stück Fleisch mit Herkunftsgarantie zu honorieren. Eine repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov in Kooperation mit dem Sinus-Institut aus dem Jahr 2023 zeigt, dass sich 38 % der deutschen Bevölkerung als Flexitarier bezeichnen.

Chancen für die eigene Vermarktung

Die Fleischvermarktung ab Hof ist in der Regel geprägt von besonderem Engagement hinsichtlich Haltungsbedingungen, Fütterung und Rasse. Dieses sind starke Kaufargumente für Flexitarier und weitere Kunden. Demnach gilt es, die Besonderheiten der eigenen Schweinehaltung herauszustellen und dem Kunden gegenüber zu kommunizieren. Nach wie vor gilt: Wer das beste Stück Fleisch produziert und nicht darüber spricht, bleibt auf der Ware sitzen. Nur wenn die Vorteile und Alleinstellungsmerkmale für die Kunden an den richtigen Stellen kommuniziert werden, kann das Produkt am Markt gewinnbringend platziert werden. Tue Gutes und sprich darüber, das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Schweinefleischvermarktung.

Schweinefleisch ist sehr vielseitig und überzeugt als Frischfleisch, als Wurst, als Grillfleisch und als verarbeitetes Fleisch. Für schweinehaltende Betriebe, die die benannten Kriterien, wie eine besondere Haltungsform, Rasse oder Fütterung, erfüllen, kann der Einstieg in die hofeigene Schweinefleischvermarktung interessant sein.

Die ersten Schritte zur Vermarktung

Bevor die Entscheidung für oder gegen die hofeigene Vermarktung getroffen wird, müssen Grundsatzfragen betriebsintern beantwortet werden. Folgende Fragen sind unter anderem relevant:

  • Welche Zielsetzung wird mit dem Einstieg in die Fleischvermarktung angestrebt? Je konkreter das Ziel definiert wird, desto detaillierter können die Auswirkungen, die notwendigen Maßnahmen und die benötigten Ressourcen bestimmt und abgeschätzt werden.
  • Wer übernimmt welche Rollen und Aufgaben vor Ort? Aufgaben wie die Organisation und Planung rund um Schlachtung und Zerlegung, Produktoptimierung, Kundengewinnung, Verkaufszeiten und andere gehören dazu.
  • Wie geht der Ablauf von Schlachtung, Zerlegung, Verkauf vonstatten? Welche Kooperationsbetriebe - Schlachter und Zerlegebetrieb - können gewonnen werden und werden benötigt?
  • Welche Produkte werden angeboten?
  • Welche Absatzwege werden fokussiert?
  • An welche Zielgruppe richtet sich das Angebot?
  • Wie wird das Angebot gegenüber der Zielgruppe kommuniziert?
Fleischpakete, Einzelteile und Wurstwaren

Die Entscheidung für oder gegen ein Produkt im Sortiment ist aus zweierlei Sicht zu betrachten. Naheliegend ist vor allem die Sichtweise der Direktvermarkter: Werden ausschließlich Fleischpakete oder Einzelteile auf Vorbestellung vermarktet, ist die Direktvermarktung gut planbar. Schlachttermine können festgelegt und Kunden für die definierten Pakete/Einzelteile gefunden werden. Erst, wenn das gesamte Tier vorbestellt ist, wird geschlachtet. Die Vorteile für den Vermarkter sind eindeutig: Planbarkeit, überschaubarer Arbeitsaufwand und der gesicherte Absatz.

Dagegen steht die Sichtweise der Verbraucher. Kaum ein Verbraucher hat die Lagermöglichkeiten für größere Mengen an Fleisch, wie ein Fleischpaket von zum Beispiel 10 kg. Außerdem schätzt der Verbraucher spontane Einkäufe, die zu seinem Lebensstil passen. Kündigt sich spontan Besuch an, wird frisch und bedarfsgerecht eingekauft. Aktuelle Rezepte und Lebensumstände, wie die Berufstätigkeit sowie schrumpfende Haushaltsgrößen, zielen auf die schnelle und einfache Zubereitung ab. Schmorgerichte, wie Gulasch oder Braten, sind häufig nicht mehr zeitgemäß. Kleine Verkaufseinheiten, bratfertige Produkte, wie Burgerpatties und Gyrosfleisch, sowie verarbeitetes Fleisch treffen vermehrt auf Zustimmung. Somit stehen die Wünsche der Verbraucher den Vorstellungen der Direktvermarkter entgegen.

Eine Direktvermarktung kann nur erfolgreich sein, wenn sich das Produktsortiment am Markt und somit an den Bedürfnissen der Kunden orientiert. Demzufolge müssen Direktvermarkter einen Kompromiss finden, um die Kunden zu erreichen und andererseits den Vermarktungsaufwand stemmen zu können.

Die Wahl des Absatzweges

Grundsätzlich sind zahlreiche Absatzwege in der Schweinefleischvermarktung denkbar. Den Königsweg gibt es nicht, sodass ein individuelles Konzept gefunden werden muss, das den Kundenbedarf trifft und Möglichkeiten des Direktvermarkters entspricht. Je nach Absatzweg ist mit unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich Standort, Arbeitsaufwand, Investitionen und des Absatzpotentials zu rechnen.

  • Komprimierte Verkaufszeiten / Vorbestellung: Häufig gelingt der Einstieg in die Vermarktung über das Konzept der Vorbestellung. Fleischpakete und / oder Einzelteile werden zu einem bestimmten Termin vorbestellt und zu einem daran angepassten Zeitraum am Hof abgeholt. Gerade zu Beginn wird häufig auf Investitionen in Räumlichkeiten verzichtet. Um bei der Fleischlagerung die Kühlkette einhalten zu können, wird in der Regel ein Kühlanhänger angeschafft oder ausgeliehen. Aus dem Anhänger heraus wird die vorbestellte Ware an die Kunden ausgegeben.
  • Hofladen: Der Hofladen gilt nach wie vor als Klassiker in der Direktvermarktung. Fleisch wird frisch in einer Fleischtheke oder fertig portioniert und vakuumiert angeboten. Neben Frischfleisch ist zum Teil auch Tiefkühlware im Sortiment zu finden. Teilweise ist Fleisch saisonal oder nur zu bestimmten Terminen vorrätig. Verarbeitete Ware, zum Beispiel im Glas, gehört zum Standardsortiment. Grillfleisch und Grillwürstchen vom Schwein sind vor allem im Sommer beliebt. Neben Hofläden mit einem kleinen Grundsortiment gibt es spezialisierte Hofläden, wie die Hoffleischerei oder Vollsortimenter, die auf Grund der Sortimentsbreite und -tiefe einen Wocheneinkauf ermöglichen. Tendenziell sind die Investitionskosten sowie der Ressourcenbedarf (Arbeit und Kapital) größer als bei anderen Absatzwegen.
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  • Warenautomaten: Der Fleischverkauf über den Warenautomaten lässt sich durch kleine Verkaufseinheiten und den stummen Verkauf charakterisieren. Ein Vorteil dieses Absatzweges sind die Öffnungszeiten. Häufig können 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, Produkte gekauft werden. Durch einen Überstand oder eine Umhausung geschützt, können Kunden vor Ort zwischen den vorrätigen Produkten auswählen und anschließend mit Bargeld oder bargeldlos bezahlen. Grundsätzlich spielen der Automatenstandort und die Zielgruppen bei der Sortimentszusammenstellung eine wichtige Rolle. Ein gängiges Fleisch-Sortiment besteht aus Grillfleisch und Wurstwaren, seltener aus weiteren Einzelteilen, wie Hackfleisch oder Braten. Kaufargumente sind neben Geschmack und Herkunft „vom Hof“ vor allem die Flexibilität beim Einkaufen. Spontane Gäste oder gutes Wetter locken Kunden an den Warenautomaten. Praxisbeispiele zeigen, dass vor allem Grillware für eine gute Nachfrage sorgt. Allerdings bleiben die Kunden bei schlechtem Wetter zu Hause und die Automatenregale bleiben voll. Da frisches Grillfleisch ein begrenztes Mindesthaltbarkeitsdatum hat, ist mit der Vermarktung von frischem Fleisch über Warenautomaten ein enormes Absatzrisiko verbunden. Produkte, wie Wurstwaren, die meistens länger haltbar sind, bieten sich demnach aus Betreibersicht an.
  • Verkauf in Selbstbedienung (SB): Der Verkauf über Selbstbedienungsläden ist vergleichbar mit dem Verkauf über Warenautomaten. Besonderes Augenmerkt muss auf das Einhalten der Kühlkette sowie auf den Bezahlvorgang gelegt werden. Ware wie Frischfleisch verdirbt schnell, wenn die Kühlkette zum Beispiel durch eine offene Kühlschranktür unterbrochen wird. Systeme zur Ein- und Auslasskontrolle verringern die Diebstahlquote.
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  • Online-Handel: Das Produkt Fleisch bietet sich grundsätzlich für den Verkauf über einen Online-Shop an. Es handelt sich um ein hochwertiges Produkt, bei dem schnell ein gewisser Bestellbetrag erreicht wird. Somit relativieren sich die Zusatzkosten für Verpackungs- und Versandkosten für den Kunden und der Online-Einkauf wird interessant. Als Direktvermarkter gilt es, eine geeignete Verpackung zu finden sowie die Online-Vermarktung rechtlich korrekt aufzubauen.
Entwicklungspotenzial ist da

Auch, wenn der Fleischkonsum rückläufig ist, kann die Direktvermarktung von Schweinefleisch Entwicklungspotenzial für landwirtschaftliche Betriebe bieten. Allerdings sollten vor dem Einstieg die Zielsetzung, die Rahmenbedingungen auf dem Betrieb, rechtliche Grundsätze sowie das Absatzpotenzial genauer beleuchtet werden. Als Zielgruppe sind Flexitarier interessant, da diese Gruppe Wert auf die Herkunft und Qualität von Lebensmittel legt.

Benötigen Sie Unterstützung bei Ihrer Vermarktungsstrategie, Absatzförderung oder Lebensmittelkennzeichnung? Dann kontaktieren Sie gerne die Beraterinnen des Landservice NRW.


Leonie Sulk,

Landwirtschaftskammer NRW

Weitere Informationen

Rechtliche Rahmenbedingungen

Vor Einstieg in die Fleischvermarktung müssen rechtliche Grundvoraussetzungen berücksichtigt werden. Immer ist der Kontakt zur zuständigen Lebensmittelüberwachung aufzunehmen und das Konzept durchzusprechen. Außerdem gilt es, eine Erstbelehrung nach dem Infektionsschutzgesetz beim zuständigen Gesundheitsamt aufzusuchen. Wenn Fleisch und weitere Produkte verpackt vermarktet werden, müssen die geltenden Kennzeichnungsvorschriften berücksichtigt werden. Ebenso sind die Pflichten der staatlich verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung zu erfüllen. Das entsprechende Gesetz ist im August 2023 in Kraft getreten und soll für Transparenz und Klarheit bezüglich der Haltungsform von Tieren sorgen und eine bewusste Kaufentscheidung ermöglichen.

Außerdem sollte vor der Vermarktung Rücksprache mit dem Steuerberater gehalten werden. Werden Räumlichkeiten für die Zubereitung und/oder Vermarktung geschaffen, bedarf es einer Genehmigung des zuständigen Bauamtes. Hinweisschilder an der Straße unterliegen ebenfalls bau- sowie straßenbaurechtlichen Vorschriften.

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