Der Pro-Kopf-Verzehr von Schweinefleisch lag 2019 bei rund 58 kg, 2021 bei 56,2 kg und 2022 bei 52 kg, was einen Rückgang innerhalb von zwei Jahren von 8,1 % bedeutet. Rund 30 Jahre zuvor, zwischen 1991 und 2018, lag der Pro-Kopf-Verzehr stabil zwischen 64 und 62,8 kg. Zwar befindet sich Schweinefleisch im Vergleich zu anderen Fleischarten mengenmäßig im Sinkflug, dennoch ist es mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 29 kg monetär gesehen nach wie vor an der Spitze, gefolgt von 12,7 kg Geflügelfleisch und 8,7 kg Rind- und Kalbfleisch.
Mit Blick auf den Markt wird ein weiterer Trend deutlich: Die Nachfrage nach Fleischalternativen stieg zuletzt und wird laut Prognosen weiter steigen. Neben Veganern und Vegetariern sollen die Flexitarier diesen weiteren Anstieg fördern. Die Zielgruppe der Flexitarier lässt sich wörtlich erklären mit „flexible Vegetarier“. Sie essen Fleisch, Fleischprodukte und Fisch, aber nicht täglich oder regelmäßig. Sie legen Wert auf die Herkunft und die Qualität der Lebensmittel. Gründe sind in einem verstärkten Gesundheitsbewusstsein und in Umweltaspekten zu finden. Die Gruppe der Flexitarier ist in der Regel weniger preissensibel und weiß ein gutes Stück Fleisch mit Herkunftsgarantie zu honorieren. Eine repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov in Kooperation mit dem Sinus-Institut aus dem Jahr 2023 zeigt, dass sich 38 % der deutschen Bevölkerung als Flexitarier bezeichnen.
Die Fleischvermarktung ab Hof ist in der Regel geprägt von besonderem Engagement hinsichtlich Haltungsbedingungen, Fütterung und Rasse. Dieses sind starke Kaufargumente für Flexitarier und weitere Kunden. Demnach gilt es, die Besonderheiten der eigenen Schweinehaltung herauszustellen und dem Kunden gegenüber zu kommunizieren. Nach wie vor gilt: Wer das beste Stück Fleisch produziert und nicht darüber spricht, bleibt auf der Ware sitzen. Nur wenn die Vorteile und Alleinstellungsmerkmale für die Kunden an den richtigen Stellen kommuniziert werden, kann das Produkt am Markt gewinnbringend platziert werden. Tue Gutes und sprich darüber, das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Schweinefleischvermarktung.
Schweinefleisch ist sehr vielseitig und überzeugt als Frischfleisch, als Wurst, als Grillfleisch und als verarbeitetes Fleisch. Für schweinehaltende Betriebe, die die benannten Kriterien, wie eine besondere Haltungsform, Rasse oder Fütterung, erfüllen, kann der Einstieg in die hofeigene Schweinefleischvermarktung interessant sein.
Bevor die Entscheidung für oder gegen die hofeigene Vermarktung getroffen wird, müssen Grundsatzfragen betriebsintern beantwortet werden. Folgende Fragen sind unter anderem relevant:
Die Entscheidung für oder gegen ein Produkt im Sortiment ist aus zweierlei Sicht zu betrachten. Naheliegend ist vor allem die Sichtweise der Direktvermarkter: Werden ausschließlich Fleischpakete oder Einzelteile auf Vorbestellung vermarktet, ist die Direktvermarktung gut planbar. Schlachttermine können festgelegt und Kunden für die definierten Pakete/Einzelteile gefunden werden. Erst, wenn das gesamte Tier vorbestellt ist, wird geschlachtet. Die Vorteile für den Vermarkter sind eindeutig: Planbarkeit, überschaubarer Arbeitsaufwand und der gesicherte Absatz.
Dagegen steht die Sichtweise der Verbraucher. Kaum ein Verbraucher hat die Lagermöglichkeiten für größere Mengen an Fleisch, wie ein Fleischpaket von zum Beispiel 10 kg. Außerdem schätzt der Verbraucher spontane Einkäufe, die zu seinem Lebensstil passen. Kündigt sich spontan Besuch an, wird frisch und bedarfsgerecht eingekauft. Aktuelle Rezepte und Lebensumstände, wie die Berufstätigkeit sowie schrumpfende Haushaltsgrößen, zielen auf die schnelle und einfache Zubereitung ab. Schmorgerichte, wie Gulasch oder Braten, sind häufig nicht mehr zeitgemäß. Kleine Verkaufseinheiten, bratfertige Produkte, wie Burgerpatties und Gyrosfleisch, sowie verarbeitetes Fleisch treffen vermehrt auf Zustimmung. Somit stehen die Wünsche der Verbraucher den Vorstellungen der Direktvermarkter entgegen.
Eine Direktvermarktung kann nur erfolgreich sein, wenn sich das Produktsortiment am Markt und somit an den Bedürfnissen der Kunden orientiert. Demzufolge müssen Direktvermarkter einen Kompromiss finden, um die Kunden zu erreichen und andererseits den Vermarktungsaufwand stemmen zu können.
Grundsätzlich sind zahlreiche Absatzwege in der Schweinefleischvermarktung denkbar. Den Königsweg gibt es nicht, sodass ein individuelles Konzept gefunden werden muss, das den Kundenbedarf trifft und Möglichkeiten des Direktvermarkters entspricht. Je nach Absatzweg ist mit unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich Standort, Arbeitsaufwand, Investitionen und des Absatzpotentials zu rechnen.
Auch, wenn der Fleischkonsum rückläufig ist, kann die Direktvermarktung von Schweinefleisch Entwicklungspotenzial für landwirtschaftliche Betriebe bieten. Allerdings sollten vor dem Einstieg die Zielsetzung, die Rahmenbedingungen auf dem Betrieb, rechtliche Grundsätze sowie das Absatzpotenzial genauer beleuchtet werden. Als Zielgruppe sind Flexitarier interessant, da diese Gruppe Wert auf die Herkunft und Qualität von Lebensmittel legt.
Benötigen Sie Unterstützung bei Ihrer Vermarktungsstrategie, Absatzförderung oder Lebensmittelkennzeichnung? Dann kontaktieren Sie gerne die Beraterinnen des Landservice NRW.
Leonie Sulk,
Landwirtschaftskammer NRW
Vor Einstieg in die Fleischvermarktung müssen rechtliche Grundvoraussetzungen berücksichtigt werden. Immer ist der Kontakt zur zuständigen Lebensmittelüberwachung aufzunehmen und das Konzept durchzusprechen. Außerdem gilt es, eine Erstbelehrung nach dem Infektionsschutzgesetz beim zuständigen Gesundheitsamt aufzusuchen. Wenn Fleisch und weitere Produkte verpackt vermarktet werden, müssen die geltenden Kennzeichnungsvorschriften berücksichtigt werden. Ebenso sind die Pflichten der staatlich verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung zu erfüllen. Das entsprechende Gesetz ist im August 2023 in Kraft getreten und soll für Transparenz und Klarheit bezüglich der Haltungsform von Tieren sorgen und eine bewusste Kaufentscheidung ermöglichen.
Außerdem sollte vor der Vermarktung Rücksprache mit dem Steuerberater gehalten werden. Werden Räumlichkeiten für die Zubereitung und/oder Vermarktung geschaffen, bedarf es einer Genehmigung des zuständigen Bauamtes. Hinweisschilder an der Straße unterliegen ebenfalls bau- sowie straßenbaurechtlichen Vorschriften.