"Die Transformation hat begonnen“ - mit dieser frohen Botschaft startete vergangene Woche eine digitale Informationsveranstaltung für Kommunen innerhalb der fünf Öko-Modellregionen in NRW. Ausrichter waren eben diese in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen a’verdis. Gut 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer interessierten sich dafür, wie eine nachhaltige Beschaffung von Lebensmitteln und Verpflegungsdienstleistungen mit dem Schwerpunkt Bio-Regional möglich und „bio“ sowie weitere Nachhaltigkeitskriterien im Kontext von Vergabeverfahren und Ratsbeschlüssen zu sehen sind.
Spannend war es, einleitend zu hören, wie es um die Transformation hin zu mehr regionalen Bio-Lebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung in den nordrhein-westfälischen Öko-Modellregionen (ÖMR) bestellt ist. Vier der fünf Regionen stellten ihren Transformations-Weg vor; den Anfang machte die ÖMR Höxter: In den insgesamt zehn dort ansässigen Kommunen mit knapp 142 000 Einwohnerinnen und Einwohnern werden Informationsveranstaltungen, zum Beispiel für Kitas und Schulen, angeboten und intensive Gespräche zum Einsatz von Bio-Produkten, zu Abnahmemengen und Verarbeitungsgrad mit den Caterern im Kreis geführt. „Zurzeit sind wir dabei, einen Bio-Schälbetrieb für die Region aufzubauen“, so die Managerin Laura Jäger.
Auch in der ÖMR Niederrhein, die 29 Kommunen und 770 000 Bürgerinnen und Bürger umfasst, werden Gespräche für den Aufbau eines Bio-Schälbetriebs für die Region geführt. So gebe es eine Arbeitsgruppe „Heimische Bio-Produkte in der AHV“, die sich damit befasse, über Bündler größere Mengen an Bioprodukten verfügbar zu machen. „Ganz neu ist die Möglichkeit einer finanziellen Förderung der ersten Bio-Zertifizierungskosten“, betonte Managerin Kirstin Surmann und fügte stolz hinzu, dass sich die erste Schulmensa in Kevelaer bereits habe Bio-zertifizieren lassen.
In der ÖMR BergischesRheinland mit 28 Kommunen in drei Kreisen und 700 000 Bürgerinnen und Bürgern liegt der Schwerpunkt auf dem Aufbau von Wertschöpfungsketten, die als Basis für die AVH dienen. Als Grünlandregion werde vor allem die regionale Erzeugung und Verarbeitung von Bio-Rindfleisch gefördert, ein Modellprojekt mit regionalem Bio-Rindfleisch in drei KiTas sei in Planung.
Die ÖMR Münsterland hat das quantitativ wohl größte Transformationspotenzial: In 66 Kommunen leben 1,6 Mio. Bürgerinnen und Bürger. „Wir sorgen für die Kontaktvermittlung zu regionalen Bio-Erzeugern und konnten zum Beispiel bio-regionales Hähnchenfleisch für die LWL-Kliniken in Lengerich vermitteln“, nannte Dr. Christine Kanand eine aktuell erfolgreiche Aktion. Im Oktober habe es bio-regionale Nachzielverpflegung auf dem Radsportrennen Münsterland Giro gegeben. „Zurzeit sind wir unter dem Titel „Marktplatz bioregional!“ mit dem Aufbau eines Unternehmensnetzwerkes beschäftigt, um Kooperationen und Projekte zu fördern“, so die Managerin aus Münster. In allen vier Öko-Modellregionen hat die Transformation somit begonnen.
Rainer Roehl, a’verdis, wies in seinem Vortrag über „bio“ und weitere Nachhaltigkeitskriterien im Kontext von Vergabeverfahren und Ratsbeschlüssen unter anderem auf einige Neuerungen hin. So gebe es zum Beispiel neue Bundeskantinenrichtlinien, die festschreiben, dass „bis spätestens 2030 der Bio-Anteil im Speiseangebot (ohne Getränke) der Kantinen auf mindestens 30 % des monetären Wareneinsatzes bezogen auf den Gesamtwareneinsatz erhöht werden soll, solange dem nicht aus Sicht der Dienststelle dringende Gründe entgegenstehen.“ Das berge ein großes Potenzial für die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) und spiegele sich auch bei den Ausschreibungen wider. Eine Motivation für (öffentliche) Kantinen seien dabei auch die von der Bundesregierung ausgelobten Bio-Zertifikate in Gold, Silber und Bronze, mit denen Kantinen und Mensen ihren Einsatz für eine nachhaltige Verpflegung freiwillig, einfach und überprüfbar kennzeichnen und so für sich werben könnten.
„Ein weiterer Anreiz, mehr Bio-Essen in der AHV anzubieten, ist ganz sicher auch die Beratungsförderung auf Bundesebene, in deren Rahmen sich die direkten Zuschüsse auch direkt umsetzen lassen“, betonte Roehl das Instrument der Förderung von AHV-Unternehmen durch Mittel des Bundesprogramms Ökologischer Landbau. Damit werde in der Folge auch die ökologische Landwirtschaft gestärkt.
Verbindlichkeit des Ziels von mehr Bio in der AHV werde erreicht, wenn dieses Ziel auch in den Ratsbeschlüssen der Kommunen verankert sei. „Das „soll…“ in Ausschreibungen und Beschlüssen, also das Bekenntnis von Politik und Verwaltungsspitze für eine nachhaltige Verpflegung mit Bio-Lebensmitteln, wird gestärkt, wenn diese Option beschlusskräftig verankert ist“, gab der Referent zu bedenken. Doch auch hier sei Hilfe verfügbar: Die Bundes-Initiative „BioBitte“ zeigt fünf Schritte zu eben dieser Verankerung von Bio-Lebensmitteln in Ratsbeschlüssen auf und unterstützt Betriebe bei der Umsetzung ihres Plans. „Es ist wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, was man ausschreiben will, wie hoch der Vergabewert ist, welche Leistung gewünscht wird, welche Mindestkriterien es gibt. Eine Markterkundung stellt zudem heraus, wer in der entsprechenden Region das Vorhaben umsetzen, also - verarbeitete - Lebensmittel in Bioqualität in ausreichender Menge liefern kann“, fasste Roehl einige der Schritte zusammen und empfahl den Zuhörerinnen und Zuhörern, die umfangreichen Materialien der BioBitte in Anspruch zu nehmen. Diese sind hier zu bekommen: Über BioBitte (oekolandbau.de).
Sabine Müller stellte ihre Bio-Gemeinde Much und die Vorteile vor, die sich ergeben, Partner im Netzwerk Bio-Städte zu sein. „Wir sind eine kleine Kommune im Köln-Bonner Raum mit knapp 15 000 Einwohnern und arbeiten daran, mehr ökologische Ansätze auszugestalten, sei es nun der Grünstreifen entlang der Bundesstraße oder eben die Erhöhung des Anteils von Bio-Essen in den KiTas“, meinte Müller. Das sei nicht ganz einfach, da Politik und Landwirtschaft in der bergischen Grünlandregion eher konservativ beziehungsweise konventionell geprägt seien. „Über die Politik ist es uns nicht gelungen, „Öko“ in die Kommune zu holen“, so Sabine Müller. Daher seien bürgerschaftliches Engagement und die Energie Einzelner gefragt gewesen, etwas in diese Richtung zu bewegen.
„Die Vernetzung ist das A und O - auch im politische Raum!“, sprach die Referentin aus ihrer Erfahrung. Genossenschaften, der Ernährungsrat der Kommune, die Öko-Modellregion…. Alle seien gemeinsam gefordert gewesen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen: „Wir wollten Mitglied bei der Initiative „Bio-Städte“ werden, um weiter ökologische Projekte anzustoßen und umzusetzen. Das ist mit einer Mitgliedschaft in einer Organisation deutlich einfacher, da Politik und Verwaltung mit eingebunden sind“, wusste Müller zu berichten. So habe ein Organisations-Team aus Mucher Bürgerinnen und Bürgern die Steuerung übernommen und unter anderem auch den Kreislandwirt mit ins Boot geholt. „In der Ratssitzung haben wir den Antrag vorgestellt mit dem Ziel, einen Ratsentscheid für die Aufnahme ins Netzwerk herbeizuführen. Das Ergebnis war dann sogar ein einstimmiger Ratsentscheid“, zeigte sich Sabine Müller auch drei Jahre danach noch zufrieden. Seit 2020 ist die Gemeinde Much nun Mitglied bei den Bio-Städten. Nach dem positiven Ratsentscheid und durch die damit einhergehende Anbindung an die Verwaltung würden außerdem sechs Stunden des Umweltschutzbeauftragten für die Unterstützung der Bio-Gemeinde geltend gemacht. In der Steuerungsgruppe sitzen neben besagtem Umweltschutzbeauftragten auch die Vertreterinnen und Vertreter aus den drei großen Parteien sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger. „Damit ist die politische Legitimation gegeben, mehr Bio in der Gemeinde weiter zu forcieren“, erläuterte Sabine Müller.
Ihr Fazit: „Es ist so wichtig, zu kommunizieren! Die Energie geht zwar vom Ehrenamt aus; wenn aber die Bedenken und Widerstände aller konstruktiv mit in den Prozess eingebunden werden, hat man am Ende die meisten auf seiner Seite.“
Jutta Höper, Stadt Münster, stellte die Bio-Stadt Münster vor. „In Münster ist ein nachhaltiges Ernährungssystem, das auch die Bio-Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen umfasst, in einen großen, gesamtstädtischen Nachhaltigkeitsprozess eingebettet“, so Höper einleitend. Die Grundlage zum Beitritt in das Netzwerk der Biostädte war der Ratsbeschluss im März 2021. Das Maßnahmenprogramm „Münster-Biostadt 2022“ sei dabei abgeleitet aus der Nachhaltigkeitsstrategie Münster 2030, in der auch ein integrierter Ansatz für ein nachhaltiges Ernährungssystem zu finden ist. „Das bedeutet, dass „bio“ nicht isoliert dasteht, sondern ins Gesamtsystem eingebettet wird“, erläuterte sie.
Maßnahmen seien zum Beispiel die Verpflegung und Beschaffung von (Bio)Lebensmitteln für städtische Kantinen und bei städtischen Veranstaltungen. „Wir machen verschiedene Aktionen, wie zum Beispiel die Plakatserie „Münster is(s)t bio, regional, fair“ mit engem Bezug zum Münsterland, oder geben Flyer heraus, die regionale Bio- und konventionelle Hofläden zeigen. Das kommt bei den Bürgerinnen und Bürgern gut an!“, wusste Jutta Höper zu berichten. Bildung und Beratung zu Ernährungsthemen würden zukünftig im Haus der Nachhaltigkeit der Stadt Münster gebündelt. Alle Aktionen der Bio-Stadt finden Sie hier.
Am Ende der Veranstaltung stand der Ansporn: „Sie als Kommune und Träger von Schulen und Kitas können eine entscheidende Rolle bei der Transformation hin zu mehr regionalen Bio-Lebensmitteln in Großküchen einnehmen und dadurch zu einer nachhaltigen und gesunden Ernährung der Bürger in Ihrer Kommune beitragen. Die Öko-Modellregionen NRW unterstützen Sie dabei!“
Meike Siebel,
Landwirtschaftskammer NRW
Die Veranstalter haben eine Auswahl an Muster-Ausschreibungsunterlagen zusammengetragen, die als Orientierung und Formulierungsgrundlage für eigene Ausschreibungen genutzt werden können. Neben den Aspekten Bio und Regionalität finden sich darin auch Formulierungen für eine Vielzahl an weiteren Gesundheits- und Nachhaltigkeitsaspekten. Dabei ist zu beachten, dass sich alle derzeit veröffentlichten Formulierungen zu Bio noch auf die alte Verordnung 2018/848 (EU-Öko-VO) beziehen. Am 4. Oktober 2023 wurde die neue Bio-Außer-Haus-Verpflegung-Verordnung (Bio-AHVV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist damit seit dem 5. Oktober 2023 gültiges Recht, weswegen sich zukünftige Ausschreibungsformulierungen auch auf die neue Bio-AHVV beziehen müssen.
Zum Ende des Jahres wird das BMEL einen Leitfaden zur neuen Bio-AHVV veröffentlichen, in dem es dann auch eine aktualisierte Formulierungshilfe für das Ausschreiben von Bio-Lebensmitteln oder Bio-Quoten geben wird. Bei Rückfragen zu weiteren Ressourcen stehen die Öko-Modellregions-Managerinnen zur Verfügung.