Wer bodenphysikalische, -chemische und biologische Prozesse besser verstehen und diese in den Kontext mit dem Pflanzenbau bringen wollte, war auf der Tagung "Zwischenfruchtanbau und Klimaanpassung", die das INRES Institut für Agrarökologie und Organischen Landbau der Universität Bonn zusammen mit dem Leitbetriebe-Projekt der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen am 7. November 2019 auf dem Wiesengut in Hennef veranstaltete, genau richtig.
Programmflyer - Tagung "Zwischenfruchtanbau und Klimaanpassung"
In ihrem sehr anschaulichen Vortrag zeigte die Wissenschaftlerin Dr. Miriam Athmann, INRES, wie wichtig gerade in Trockenjahren der Zugang der Pflanzenwurzeln in den Unterboden ist, um dort Wasser und Nährstoffe zu mobilisieren. Dabei haben vor allem die durch Wurzeln und Regenwurmröhren entstandenen Bioporen eine ganz wichtige Funktion. "Insbesondere Pflanzen, die ausgeprägte und tiefreichende Pfahlwurzeln bilden, wie Wegwarte oder Luzerne, können mit ihren 2 bis 3 m tiefreichenden Wurzeln hervorragend den Unterboden erschließen. Dadurch können diese Arten ausgeprägte Trockenphasen meist problemlos überstehen", so die Wissenschaftlerin.
Wie endoskopische Aufnahmen zeigen, besiedeln vor allem anözische, das sind vertikal- und tiefgrabende Regenwürmer, solche Makro-Bioporen, kleiden diese mit nährstoffreicher Losung aus und stabilisieren diese zusätzlich. Auch nachfolgende Kulturen, wie Getreide, können maßgeblich von den hinterlassenen Bioporen profitieren, da deren Wurzeln diese ausgestalteten Röhren zur Erschließung tieferer Bodenschichten nutzen.
Welche Bedeutung eine gute und physikalisch stabile Bodenstruktur für den Pflanzenbau hat, verdeutlichte Prof. Dr. Stephan Peth von der Universität Kassel-Witzenhausen. "Diese Bodenstruktur gilt es insbesondere durch humusanreichernde Fruchtfolgen und Kompostwirtschaft zu fördern", betonte er. Denn Bodenfruchtbarkeit und eine gute Bodengare hingen untrennbar miteinander zusammen. "Dadurch ist das gesamte Anbausystem resilienter, also widerstandsfähiger gegenüber negativen Einflüssen, wie Trockenheit. Eine gute Bodenstruktur mit hohen Humusgehalten und hohen Anteilen an stabilen Bioporen hat nicht nur eine höhere Wasserspeicher- und Leitkapazität, sondern fördert vor allem auch eine intensivere und tiefere Durchwurzelung des Bodens. Dadurch steigt das Nährstoffaufnahme- und damit auch das Ertragsvermögen der Kulturpflanzen", fasste Peth die wichtigsten Vorteile zusammen.
Mulch- und Direktsaatverfahren könnten maßgeblich zur Förderung eines stabilen Bodengefüges beitragen. Sehr hohe Achslasten und Scherkräfte dagegen zerstören das Bodengefüge nachhaltig und verdichten den Boden. Die Folgen seien ein gestörter Luft-Wasserhaushalt, schlechteres Wurzelwachstum, schlechte Wasserinfiltration und am Ende geringere Ertragsleistungen. Prof. Dr. Peth warnte aber auch: "Eine tiefe Bodenlockerung ist nicht grundsätzlich sinnvoll, sondern nur bei Krumenbasisverdichtungen angezeigt. Mit tiefer Bodenlockerung sollte unbedingt eine biologische Bodengefügestabilisierung, beispielsweise mit Zwischenfrüchten, einhergehen."
Durch die Frühsommertrockenheit verursachter Trockenstress kann zu einer verminderten Nährstoffverfügbarkeit durch eine eingeschränkte Mineralisation im Boden führen, was wiederum reduzierte Erträge zur Folge hat. Auch Leguminosen, die mit ihrer N-Fixierleistung die Stickstoffversorgung der Nutzpflanzen sichern sollen, leiden unter Trockenheit, deren Erträge gehen zurück und damit ist der Transfer von Stickstoff in die Folgepflanzen gestört.
"Stickstoffmangel ist bei ökologisch angebautem Getreide häufig der ertragslimitierende Faktor", so Dr. Daniel Neuhoff, INRES, der daher zur Klimaanpassung durch Beregnung forscht. So geht es in einem aktuellen Projekt, das das Institut zusammen mit dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft, BÖLN, durchführt, um die gezielte Beregnung im ökologischen Landbau zur Steigerung von Produktivität und Nährstoffeffizienz. "Welche Kulturen sind beregnungswürdig? Wie hoch ist deren Ertragspotenzial? Und ist eine Beregnung wirtschaftlich? Diese Fragen standen am Anfang unserer Forschung, ob eine ökologische Intensivierung durch optimierte Wasserversorgung und verbesserte Nährstoffversorgung möglich und vor allem sinnvoll ist", fasste Neuhoff den Hintergrund zusammen.
In einzelnen Arbeitsschritten wurden und werden unter anderem die Ertragsverluste, die durch den Wassermangel entstehen, quantifiziert, die N-Fixierleistung von Leguminosen sowie die Nährstoffeffizienz gemessen und die Beregnungs- und Düngungseffekte auf die Hoftorbilanzen erfasst. "Dazu haben wir in zweijährigen Feldversuchen an drei Standorten eine Ertragsanalyse zur Bestimmung der nährstoff- und wasserlimitierten Erträge von Rotkleegras, Ackerbohne und Sommerweizen durchgeführt. In einem zweiten Schritt werden wir ab 2020 standortspezifische Optimierungsmaßnahmen für Rotkleegras, Ackerbohnen und Sommerweizen zweijährig auf ökologischen Praxisflächen prüfen", erläuterte der Wissenschaftler das Vorgehen.
"Wir erwarten, dass wir eine realistische Einschätzung der wasser- und nährstofflimitierten Erträge im Ökolandbau vornehmen und daraus neue Ansätze zur Nährstoffversorgung ableiten können. Bei Leguminosen erwarten wir durch die Bewässerung zum Beispiel einen erhöhten Hülsenansatz und dadurch steigende Erträge. Außerdem erhoffen wir uns standortspezifische Ansätze zur Ertragsoptimierung", schloss Dr. Daniel Neuhoff.
Im Rahmen der Feldbesichtigung konnten in einem sehr weitläufigen und begehbaren, etwa 1,80 m tiefen Bodenprofil die Durchwurzelungsintensität und der Wurzeltiefgang verschiedener Zwischenfruchtarten und -mischungen unter die Lupe genommen werden. Dort wurde deutlich, dass die Kombination von Zwischenfrüchten mit unterschiedlicher Wurzelarchitektur den Boden bis in tiefere Bodenschichten viel intensiver durchwurzeln als der Anbau einer Zwischenfruchtart. Zur Verbesserung der Ressourceneffizienz sind beispielsweise Zwischenfruchtmischungen aus Arten, die eine ausgesprochene Pfahlwurzel bilden, wie Ölrettich, Winterrübsen, Inkarnatklee oder Lupine, mit Arten, die eine ausgeprägte Büschelwurzel haben, wie Roggen, Sandhafer oder andere Gräser, ideale Kombinationspartner, die sich hervorragend ergänzen können. Bei genauem Hinsehen ließ sich in den Profilen genau erkennen, wie Pflanzenwurzeln bereits bestehende Bioporen durchdringen.
Dass Zwischenfrüchte in der Lage sind, mehr oder weniger große Mengen an Stickstoff speichern zu können, um diesen über den Winter vor Auswaschung zu schützen, ist hinreichend bekannt und vielfach in Versuchen bestätigt. Christoph Stumm, INRES, machte deutlich, dass die Nährstoffflüsse von der Zwischenfrucht in die Bodenmatrix und in die nachfolgende Kultur unzureichend bekannt und quantitativ methodisch schwer nachzuweisen sind. „Fakt ist, dass insbesondere bei abfrierenden Zwischenfrüchten ein Großteil des organisch gebundenen Stickstoffs nach Winter in den Pflanzenresten nicht mehr zu finden ist. Wie hoch der Anteil des organisch gebundenen Stickstoffs in der Zwischenfrucht im Laufe der Vegetationszeit der Folgekultur in mineralischer Form pflanzenverfügbar ist, oder ob dieser zunächst in organischer Form im Boden gebunden ist oder aber in tiefere Bodenschichten in Lösung mit dem Bodenwasser versickert, lässt sich nicht ohne Weiteres vorhersagen und nachweisen“, schränkte Stumm ein. Auch gasförmige Verluste in Form von Lachgasemissionen in der Größenordnung von 10 bis 15 kg/ha N seien durchaus möglich. Um die Dynamik von Nährstofffreisetzungs- und Akkumulationsprozessen in der „Blackbox Boden“ besser zu verstehen und zu quantifizieren, ergibt sich nach Ansicht des Wissenschaftlers weiterer Forschungsbedarf.
Quelle: Hubert Kivelitz, Landwirtschaftskammer NRW, LZ Rheinland, Nr. 46-2019, 7. November 2019