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Mit Blümchenkaffee auf Erfolgskurs

18.05.2020

Lupinen sind hierzulande eine eher unbekannte Kultur. Auf dem Biolandhof Kelly/Warnke in Herdwangen Oberndorf durften 2013 - der Neugier und Experimentierfreude der Betriebsleiterfamilie geschuldet - ein paar Reihen probehalber wachsen. Inzwischen ist mit Anbau, Verarbeitung und Vermarktung der seltenen Kulturpflanze ein neuer Betriebszweig entstanden.

"Diese kleinen, weißen Kügelchen haben uns fasziniert," erinnert sich Linda Kelly. Gemeinsam mit ihrer Mutter Johanna Warnke ließ sie die erste Ernte von 300 kg Lupinenkernen durch die Finger rieseln. Auf einem ausgewinterten Weizenacker neben einem Blumenfeld zur Selbsternte hatte die Familie Lupinen gesät. "Sie blühen ja auch schön, vielleicht nimmt sie jemand zum Blumenstrauß dazu," dachten sie. Das war dann nicht der Fall, folglich stellte sich nun die Frage: Was macht man eigentlich mit der Ernte? Recherchen im Internet und Gespräche mit alten Frauen im Dorf führten zum Lupinenkaffee. Die ersten Chargen jagten Mutter und Tochter gemeinsam durch den Thermomix; die Hausröstung erfolgte in der Bratpfanne. Das Ergebnis wurde statt herkömmlichen Kaffeepulvers in die Kaffeemaschine gefüllt. Der Geschmack hat die ganze Familie postwendend überzeugt. Und in der Anbauplanung fürs nächste Jahr bekam die Lupine einen festen Platz.

Für Linda Kelly kam die Zufallsbekanntschaft mit der Lupine gerade zur rechten Zeit. Die gelernte Industriekauffrau pendelte einige Jahre täglich vom elterlichen Betrieb zu ihrem 60 km entfernten Arbeitgeber. Das erste gemeinsame Kind mit Ehemann Michael Kelly kam 2012 auf die Welt – nun schien der Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz vor Ort ein attraktiver Weg.´

Biohof Warnke/Kelly & Lupinello

In Herdwangen-Oberndorf im Bodenseehinterland bewirtschaften zwei Generationen gemeinsam einen Biolandhof mit knapp 300 ha Fläche sowie 50 Mastrindern, zehn Mutterkühen mit Kälbern und acht Zuchtpferden. Josef Warnke (61, Landwirtschaftsmeister) und Johanna Warnke (63, Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft) sind beide in Vollzeit im Betrieb engagiert. Auf 3 bis 6 ha wachsen Lupinen, die Tochter Linda Kelly (37, Industriekauffrau und Landwirtin) zu verschiedenen Produkten verarbeitet und unter der geschützten Marke Lupinello über einen eigenen Onlineshop an Endverbraucher und Wiederverkäufer vermarktet. Ihr Mann Michael Kelly ist gerade mit einem eigenen Betriebszweig auf den Hof mit eingestiegen. Linda Kelly wurde beim diesjährigen Ceres Award in der Kategorie "Unternehmerin des Jahres" und sogar als erste Frau zur "Landwirtin des Jahres" nominiert; die Endausscheidung fand am 16. Oktober 2019 in Berlin statt. Auch von "FRAUEN unternehmen", einer Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, wurde sie als Vorbildunternehmerin ausgezeichnet.
Näheres im Internet unter www.biolandhof-kelly.de oder www.lupinello-shop.de.

Von der Küche zum Unternehmen

Mit beeindruckender Gradlinigkeit begann sie, das Bratpfannen-Thermomix-Projekt in ein zukunftsweisendes Unternehmen umzustricken. Je nach aktuellem Bedarf wachsen mittlerweile 3 bis 6haLupinen auf den Flächen des Biolandhofs Kelly/Warnke. Die Lupine wird mit einer Einzelkornsämaschine in Reihen ausgesät, hierfür beauftragt Linda Kelly ein Lohnunternehmen. Sie hat sich für den Anbau der Blauen Lupine entschieden, die zwar ihres Namens zum Trotz weiße Samen und auch weiße Blüten bildet, aber im Gegensatz zur Weißen Lupine mit dem Klima im Bodenseehinterland gut zurecht kommt und keine Krankheitsanfälligkeiten zeigt. Die Vegetationszeit über sind Striegeln, Hand- und Maschinenhacke die wichtigsten Kulturmaßnahmen. Die Ernte erfolgt – ebenfalls in Kooperation mit einem Lohnunternehmen – mit einem herkömmlichen Mähdrescher.

In einer Saatgutreinigungsmaschine wird die Ernte zunächst grob von Unkrautsamen gereinigt. In einer Containertrocknung wird sie auf eine Restfeuchte von maximal 14 % getrocknet. Ein Farbauslesegerät übernimmt das Aussortieren verfärbter Kerne und anderer Fremdkörper, was Linda Kelly in den ersten Jahren noch per Hand erledigt hat. Die getrocknete und speisetauglich sortierte Ware wird in lebensmitteltauglichen Containern gelagert und wartet auf ihre weiteren Verarbeitungsschritte.

Alles selbst gebaut

Die passende Aufbereitungstechnik für eine Lupinenernte findet man nicht beim örtlichen Landtechnikhändler. Da ist es für Linda Kelly ein ausgesprochen nützlicher Zufall, dass Ehemann Michael Kelly Maschinenbauingenieur ist. Neben seiner Beschäftigung bei einem Hersteller von Minenräumgeräten hört er seiner Frau (fast) unermüdlich zu und richtete sich eine eigene Werkstatt am Betrieb ein. Hier brachte er die alte, im Betrieb vorhandene Saatgutreinigungsanlage wieder zum Laufen und optimierte sie für die Lupinensamen. Auch die Containertrocknung mit integrierter Durchmischungstechnik und manch anderes Gerät zur Verarbeitung baute er selbst.

"Anfangs hat Michael sich mit Begeisterung jeder meiner neuen Ideen angenommen – mittlerweile beginnt er schon mit den Augen zu rollen, wenn ich wieder etwas Neues ausprobieren möchte," beobachtet Linda Kelly. Aber das Sortiment rund um die Lupinen hat auch schon eine stattliche Vielfalt erreicht. Zum Lupinenkaffee sind geschälte Lupinenkerne zum Kochen dazu gekommen, wie auch Lupinenflocken und Lupinenkerne in der Dose. Für alle bestehenden - und die vielleicht in Zukunft noch entwickelten Produkte - hat Linda Kelly den Namen "Lupinello" als Marke schützen lassen.

An den Produktionstagen duftet der ganze Hof, dass man meinen könnte, man sei in einer Kaffeerösterei gelandet. Thermomix und Bratpfanne haben wieder zu ihren ursprünglichen Küchenfunktionen zurückgefunden. Linda Kelly hat einen gebrauchten Industriebackofen erstanden, Michael Kelly hat eine zusätzliche Lüftungstechnik installiert, damit die Lupinensamen nicht nur erhitzt werden, sondern auch ihre Restfeuchte gut abgeben können. Eine Kaffeemühle mahlt die geröstetem Samen zum fertigen "Blümchenkaffee".

Die aktuelle Situation in der Corona-Zeit

"Das Anbaujahr hat für uns fast wie immer angefangen. Solange das Wetter passt und wir Saatgut beziehen können, säen wir Lupinen und Getreide wie in jedem Jahr", berichtet Linda Kelly. "Für unsere neuen Schlepper mussten wir eine Sonderregelung finden, weil die Zulassungsstellen gerade geschlossen sind. Wie sich der Absatz entwickelt, da bin ich selbst gespannt. Unsere Lupinenprodukte – zum Beispiel Kaffee, Flocken oder Dosen – sind ja eher außergewöhnlich. Vielleicht sind es in der Krise eher die Grundnahrungsmittel, die Verbraucher einkaufen; viele sind ja auch wirtschaftlich in eine schwierige Situation geraten. Andererseits: Wenn die Gastronomie dicht ist, konsumiert man vielleicht eher zu Hause mal was Besonderes. Insgesamt erlebe ich meine Situation als großes Glück im Unglück: Wir leben als Großfamilie mit drei Generationen unter einem Dach und mit viel Platz. Die Kinder können draußen spielen, als Selbständige kann ich mir den Tag so einteilen, dass ich ihnen bei den Schulaufgaben helfen kann, und durch den normalen Alltagsbetrieb sind die beiden Jungs ohnehin stark zur Selbständigkeit erzogen. Was mich in der Krise traurig stimmt, sind weniger wirtschaftliche als ganz persönliche Aspekte:  Ein sehr guter Bekannter der Familie ist gestorben, und wir konnten nicht zur Beerdigung gehen. Diesen Abschied, denn kann man ja nicht nachholen, das finde ich schlimm." (Katja Brudermann)

Lupinen zum Essen

Der erste Versuch, Lupinen gekocht zu verzehren, war für Linda Kelly und Johanna Warnke weniger überzeugend als der Kaffee. Die Schalen der Lupine sind zwar nicht giftig, aber eben auch nicht für Gourmets zu empfehlen. Um die Samen zu schälen, war wieder Michael Kelly gefragt. Ein paar Jahre arbeitete Linda Kelly mit einer grob eingestellten Steinmühle mit einem nachgeschalteten Labyrinth mit komplexem Gebläsesystem, das Kerne und Schalen zuverlässig trennte. Marke Eigenbau. Heute ist eine größere Schälmaschine im Einsatz - mit kleinen Anpassungen dank Michael Kelly, versteht sich.

Bis zur ersten Charge Lupinenkaffee spielte die Direktvermarktung auf dem Biolandhof Kelly/Warnke keine Rolle. Getreide und Rindfleisch werden über den Handel vermarket. Anfangs hat Linda Kelly Klinken geputzt bei Bioläden in der Region – durchaus mit Erfolg. Heute zählt sie rund 30 Läden und Cafés zu ihren Kunden, die sich auf die ganze Republik verteilen. Das Logo – ein handgeschriebener Schriftzug "Lupinello", umrahmt von blühenden Lupinenpflanzen, hat JohannaWarnke gezeichnet. Linda Kelly setzt bei ihren Werbemaßnahmen im Wesentlichen auf die familieninterne Kreativität. Etiketten hat sie für alle Produkte selbst gestaltet, gedruckt werden sie von einer Online-Druckerei. Homepage samt Online-Shop pflegt sie selbst, wie auch die obligatorische Präsenz bei Facebook und Instagram. Nur selten und sehr gezielt – zum Beispiel für die geplante Suchmaschinenoptimierung – kauft sie sich Know-how von Experten zu. "Ich möchte, dass die Wertschöpfung hier im Betrieb bleibt," begründet sie.

Zum aktuellen Zeitpunkt ist Linda Kelly mit Lupinello als Eine-Frau-Unternehmen mit Familienunterstützung rundum zufrieden. Knapp die Hälfte ihrer Lupinenernte verarbeitet sie selbst und vermarktet sie als Lupinello-Produkte; die restlichen Lupinen gehen – teils als Rohware und teils geschält oder gemahlen – an Betriebe, die ihrerseits Lupinenprodukte herstellen. Auch Bio-Kaninchenfutter ist unter den Endprodukten zu finden.

Die Frage schwebt freilich im Raum, ob Lupinello als Marke und Verarbeitungsbetrieb weiter wachsen möchte, ob sich die überschaubare Manufaktur zu einer Firma mit Angestellten weiterentwickeln wird. "Im Moment mag ich die Vielseitigkeit meiner Arbeit," sagt Linda Kelly. Es kann sein, dass sie morgens auf dem Traktor sitzt und mit der Maschinenhacke durch die Lupinenfelder fährt, das Mittagessen mit ihren Kindern Kieran (7) und Darren (5) genießt, nachmittags Kaffee röstet und am Abend am Computer sitzt, Neuigkeiten bei Facebook postet oder an einem neuen Flyer bastelt. Sie wägt ab: "Den Schritt zu einer Unternehmerin mit Mitarbeiterverantwortung würde ich mir schon zutrauen, aber ich forciere das Wachstum nicht. Ich lasse es auf mich zukommen."

Preisgekrönt

Nicht nur, um für ihre Produkte zu werben, tritt Linda Kelly in der Öffentlichkeit auf. Als Unternehmerin wurde sie mehrfach ausgezeichnet und immer wieder tritt sie bei regionalen Veranstaltungen auf, um ihre Geschichte zu erzählen. "Ich möchte anderen Frauen Mut machen, für ihre Ideen einzustehen, auch wenn sie auf den ersten Blick verrückt erscheinen," betont sie. Denn Lupinello ist schließlich das beste Beispiel, dass man beziehungsweise frau auch mit einer Blümchenkaffee-Idee Erfolg haben kann.

Autorin: Katja Brudermann

Quelle: LZ Rheinland, 18/2020, 30. April 2020

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