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Gülle und Gärreste ansäuern?

13.07.2023

Gülle und Gärreste anzusäuern, um Emissionen zu reduzieren, ist in Deutschland noch nicht verbreitet. Das Projekt Säure+ im Feld soll nun mit der Praxis technische Fragen klären und das Verfahren bekannter machen, wie zum Beispiel bei einer Vorführung in Korschenbroich in der vergangenen Woche.

Emissionen aus der Landwirtschaft zu senken, ist ein ambitioniertes Ziel der Bundesregierung. Und da knapp ein Drittel dieser Emissionen durch das Ausbringen von Wirtschaftsdüngern verursacht werden, zeichnet sich hier Handlungsbedarf ab, was sich bereits durch gesetzliche Einschränkungen bei der Breitverteilung und verschärfte Regelungen zur Einarbeitungszeit bemerkbar macht.

Insbesondere bei der Ausbringung in wachsenden Beständen verschiedener Kulturen und im Grünland bedarf es emissionsarmer Techniken, da eine Einarbeitung hier nicht möglich ist. Während die Emissionssenkung und die damit einhergehende Stickstoffeffizienzsteigerung durch Schleppschlauch- oder auch Schleppschuhverteiler angesichts umweltpolitischer sowie produktionstechnischer Ziele unzureichend sein könnten, weist der Einsatz von Schlitzgeräten oder Injektoren aufgrund geringer Arbeitsbreiten und hohen Zugkraftbedarfs praktische und ökonomische Nachteile auf. Eine anderorts bereits erprobte, in Deutschland jedoch wenig verbreitete Methode könnte die Ansäuerung von Wirtschaftsdüngern darstellen.

Technische Umsetzung

In Gülle und Gärresten liegen Ammoniak und Ammonium in einem temperatur- und pH-Wert-abhängigen Verhältnis zueinander vor, wobei sich dieses mit zunehmenden Temperaturen und pH-Wert hin zum Ammoniak verschiebt. Da die Lösung nur eine geringe Aufnahmekapazität für Ammoniak vorweist, verflüchtigt sich der Großteil. Demgegenüber führt eine pH-Wert-Senkung durch das Hinzufügen von Säure zu einem erhöhten Ammoniumanteil, wodurch eine größere Menge des im Wirtschaftsdüngers enthaltenen Gesamtstickstoffs den Böden und Pflanzen zugeführt wird.

Die Ansäuerung während der Ausbringung ist im Vergleich zu jener im Stall oder im Lager mit den niedrigsten Investitionen verbunden und am einfachsten umzusetzen. Aktuell steht dafür ausschließlich das SyreN-System des dänischen Unternehmens BioCover zur Verfügung, das in Deutschland von der Firma Vogelsang vertrieben und in Kombination mit einem Schleppschlauch- oder Schleppschuhgestänge verwendet wird. Das System setzt sich aus einer speziellen Fronteinheit mit Intermediate-Bulk-Container-Fassung (IBC) am Schlepper, einer säurebeständigen Leitung entlang des Fasses zum Verteil-Gestänge sowie einer dort angebrachten Mischeinheit und einem pH-Sensor zusammen. An allen Trennstellen befinden sich tropffreie Kupplungen und die Reaktion zwischen Wirtschaftsdünger und Säure findet noch vor der Verteilung auf die einzelnen Schläuche statt, sodass keine reine Säure auf oder in den Boden gelangt. Die Säuremenge kann fest eingestellt oder einem eingestellten Ziel-pH-Wert entsprechend kontinuierlich und automatisiert reguliert werden. Verwendet wird hierbei 96-prozentige Schwefelsäure, weil diese hoch reaktiv ist und als Abfallstoff in anderen Industrien anfällt.

Was muss beachtet werden?

Da Schwefelsäure als Gefahrgut gilt, muss für das Arbeiten mit dem SyreN-System nach der 1 000-Punkte-Regel ein Gefahrgutschein (ADR-Schein) erworben werden. Die Fronteinheit des Systems fasst einen IBC mit 1 000 l Volumen, aus dem die Säure über eine entsprechende Kopplung in das System geleitet wird. Wird Schwefelsäure als Stückgut in einwandigen IBC erworben, ist die Lagerung in einem zusätzlichen Auffangbecken vorgeschrieben.

Alternativ kann sie in doppelwandigen IBCs ohne weitere Maßnahmen gelagert werden. Im Optimalfall wird die Säure in ganzen Tankzügen mit etwa 22 bis 23 t bei einer Dichte von 1,84 kg/l vom Großhändler abgenommen. So kann sie zu einem möglichst niedrigen Preis von derzeit etwa 0,42 €/l erworben werden, was für die Rentabilität des Verfahrens entscheidend ist. Denn in Versuchen wie auch in der Praxis hat sich gezeigt, dass das Ansäuern auf einen pH-Wert von etwa 6 bis 6,5 erstrebenswert ist. Je nach stofflicher Zusammensetzung werden dafür bei Rinder- und Schweinegülle rund 1 bis 3 l/m3, bei Gärresten 3 bis 6 l/m3 Schwefelsäure benötigt, wobei die Pufferwirkung der Gärreste in einigen Fällen auch höhere, unwirtschaftliche Mengen an Säure erfordern kann. Im Vergleich zur Ausbringung mit dem Prallteller beläuft sich die Emissionsreduktion durch das Ansäuern in der Regel auf etwa 60 % und ist somit mit dem Potenzial der Schlitztechnik vergleichbar.

Projekt Säure+ im Feld

Während in Dänemark aufgrund strengerer Düngeregelungen nach wie vor großes Interesse an der Ansäuerungstechnik besteht und rund ein Viertel der landesweit ausgebrachten Güllemenge angesäuert wird, wir das Verfahren in Deutschland nur auf den wenigsten Acker- und Grünlandflächen angewandt. Um den Nutzen sowie die sichere Anwendung dieser Technik unter verschiedenen Anbaubedingungen in Deutschland zu prüfen, fördert das BMEL das Modell- und Demonstrationsvorhaben „Säure+ im Feld“. In Zusammenarbeit mit 39 Demobetrieben in acht Bundesländern und erfahrenen Lohunternehmen sowie solchen, die sich im Rahmen des Projekts mit der Ansäuerungstechnik vertraut machen, werden von bundesweit von verschiedenen Institutionen praxisnahe Feldversuche durchgeführt.

Das Ziel ist es, die ökologischen und ökonomischen Vorteile des Verfahrens aufzuzeigen und Erfahrungen im Umgang mit der Technik sowie der Säurelogistik zu sammeln. Im Rahmen von Feldtagen und Artikeln die Erkenntnisse geteilt und Vorbehalte bezüglich der Wirksamkeit, der Praktikabilität und der Sicherheit des Ansäuerungsverfahrens abgebaut werden, um so den Einsatz dieser Technik voran zu bringen.

Das Projekt ist von September 2022 bis August 2025 angesetzt und wird in Nordrhein-Westfalen durch die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen koordiniert. Hier wurden im Frühjahr in Zusammenarbeit mit sechs Demobetrieben und drei Lohnunternehmen die ersten Versuche in Wintergetreide, Winterraps und Ackergras angelegt.

Tim Wantulla und Linda Lurz,

Landwirtschaftskammer NRW

Weitere Informationen

Ansäuerung in Korschenbroich

Am 25. Mai fand der erste Feldtag auf dem Betrieb von Projektpartner Norbert Dyckers in Korschenbroich mit knapp 30 Besucherinnen und Besuchern statt. Lohnunternehmer Christian Schlichtmann aus Heek war mit seinem SyreN-System anwesend, mit dem er bereits seit 2019 arbeitet.

Zu Beginn der Veranstaltung erläuterte Landwirt Dyckers, dass seine Motivation, an dem Projekt teilzunehmen, unter anderem daher rührte, dass insbesondere Gärreste ein seiner Meinung nach unverdient schlechtes Image in Bezug auf ihre Düngewirkung haben. Auch vor dem Hintergrund, dass ein großer Teil seiner Flächen in rotem Gebiet liegt und es ihm deshalb insbesondere dort auf eine hohe Stickstoffausnutzung ankommt, verspricht er sich, die Nährstoffeffizienz seiner Gülle und Gärreste durch die Ansäuerung zu steigern und insbesondere den Ruf letzterer zu verbessern. Bei einer Umfrage gaben ungefähr ein Drittel der Besucherinnen und Besucher an, schon einmal von dem Ansäuerungsverfahren gehört zu haben - sich näher damit beschäftigt hatten jedoch bisher nur einzelne.

Anhand seines Schleppergespanns erläuterte Lohnunternehmer Schlichtmann den Aufbau und die Funktionsweise des Systems, woraufhin unter den Besuchern schnell Fragen insbesondere zu den Kosten, der Säurebeschaffung und der Resonanz seiner Kunden aufkamen. Er berichtete, dass die meisten Kunden nach ersten Erfahrungen mit der Ansäuerung auch im Folgejahr diese wieder in Anspruch nehmen. Als einen Grund für das zunehmende Interesse an seinem Ansäuerungsangebot nannte er die gestiegenen Preise für Mineraldünger. So wird er in diesem Jahr rund  500 ha mit angesäuerter Gülle und Gärresten düngen.

Im Anschluss an den Austausch folgte die Technikdemonstration. Auf einer Maisfläche wurde streifenweise mit Schleppschlauch- und Schleppschuhverteiler mit und ohne Ansäuerungstechnik gefahren. Mithilfe der Online-Anwendung AMMON-NRW unter www.ammon-nrw.de, die die Ammoniakverluste einer Ausbringung basierend auf einem Modell und den Eingaben des Nutzers simuliert, konnten die Besucherinnen und Besucher den emissionssenkenden Effekt näherungsweise mit verfolgen.

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