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Klimaschutz in der Landwirtschaft

18.07.2022

Der aktuellste Bericht zu den Treibhausgasemissionen der einzelnen Sektoren für das Jahr 2021 in Deutschland wurde am 15. März 2022 veröffentlicht. Anders als in den Jahren zuvor war das mediale Interesse in diesem Jahr bislang vergleichsweise gering.

Der Anteil der Landwirtschaft an den Emissionen in Deutschland ist im Vergleich zu 2020 von knapp 10 % auf 8% gesunken während die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr gleichzeitig wieder mehr emittierten. Ursächlich ist insbesondere der Wiederanstieg der Gesamtemissionen im Vergleich zum Jahr 2020 um 4,5%. Der vergleichsweise konstante Anteil der Emissionen aus der Landwirtschaft fällt dadurch relativ geringer aus. Experten verstehen die aktuellen Zahlen für das Jahr 2021 als Fingerzeig für die weitere Entwicklung in normalen Jahren, während 2020 Corona bedingt ein Sonderjahr darstellt.

Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft

In der Landwirtschaft geht es vor allem um die Emission der Treibhausgase Methan und Lachgas, die zum Zwecke der Vergleichbarkeit anhand ihrer spezifischen Klimawirksamkeit in der Atmosphäre in sogenannte CO2 -Äquivalente umgerechnet werden. Methan hat demnach eine im Vergleich mit CO2 25-fach höhere Klimawirksamkeit, Lachgas sogar eine 298-fache.

Emissionen der Landwirtschaft rückläufig

Im Sektor Landwirtschaft konnten seitdem klimatisch wichtigen Vergleichsjahr 1990 die Emissionen um rund 25 % gesenkt werden. Diese deutlich klimapositive Einsparung entspricht 20 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Die Ziele des Klimaschutzgesetztes für das Jahr 2028 hat der Sektor Landwirtschaft bereits heute erfüllt. Dies ist vor allem auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und die erstmalige Berücksichtigung von regionalen Verhältnissen bei dem Emissionsfaktor für Lachgas zurückzuführen. Dr. Roland Fuß, der Leiter der Arbeitsgruppe Emissionsinventare am Thünen Institut schätzt die neuen Ergebnisse kritisch ein: „Dass weniger Treibhausgas-Emissionen berichtet werden bedeutet nicht, dass die Landwirtschaft weniger Anstrengungen unternehmen muss, ihren Anteil an den Gesamtemissionen zu mindern. Eine verbesserte Berechnung von Emissionen ist ja noch kein Beitrag zum Klimaschutz.“


THG-Einsparpotenzial in der Landwirtschaft begrenzt

Für den Sektor Landwirtschaft ergeben sich ab einem bestimmten Punkt erhebliche Schwierigkeiten bei der Reduktion von THG-Emissionen und der gleichzeitigen Produktion von Nahrungsmitteln. Die Landwirtschaft findet im sogenannten „offenen System“ statt, ist entsprechend stark von Umweltbedingungen abhängig und wird damit ihrerseits erheblich durch die Folgen des Klimawandels beeinflusst. Das Klimaschutzgesetz würdigt diese besonderen Umstände und Erschwernisse, wodurch die zukünftigen Einsparziele im Vergleich mit anderen Sektoren moderat erscheinen. Es gibt schlicht keine Nahrungsmittelproduktion ohne Emission von Treibhausgasen. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern rund um den Globus. Anders ist das zum Beispiel in den Sektoren Verkehr und Energie, wo durch technische Alternativen die Emissionen nahezu auf null gesenkt werden können. Für unsere Ernährung gibt es keine technische klimaneutrale Alternative. Die wesentlichen Hebel für eine klimafreundlichere Nahrungsmittelerzeugung sind dabei zum einen Effizienzsteigerungen, deren Wirksamkeit jedoch begrenzt ist, sowie ein angepasstes Konsumverhalten von idealerweise regional produzierten Nahrungsmitteln.

Die Situation in NRW

Für NRW ist der Sektor Landwirtschaft mit 3,2 % an den Gesamtemissionen im Jahr 2020 einer der weniger bedeutsameren Sektoren. Durch den Braunkohlenabbau und deren Verstromung, die große Bevölkerung, den dazugehöriger Verkehr und den großen Gebäudesektor sind ebendiese Sektoren in wesentlich größerem Umfang am Ausstoß von THG beteiligt. Bei dem geplanten Braunkohlenausstieg würden die Gesamtemissionen für NRW jedoch schlagartig sinken und damit steigen dann relativ der Anteile der verbleibenden Sektoren, darunter auch der der Landwirtschaft. Die Bedeutung der Landwirtschaft im Kontext zum Klimaschutz in NRW wird zukünftig – gemessen am Beitrag zu den Gesamtemissionen - unvermeidlicher Weise steigen. Der Blick auf die Anteile ist demnach aber immer nur ein Teil der Wahrheit. Wichtig sind außerdem stets auch die absoluten Emissionen in Tonnen CO2-Äquivalenten, deren Entwicklung und die tatsächlichen Einsparpotenziale.



Landwirtschaft aus Sicht des Klimaschutzes

Die angestrebten Ziele sind durch die Steigerung der Effizienz innerhalb der landwirtschaftlichen Produktion im Hinblick auf Stickstoffdüngung, optimierten Proteineinsatz und Verbesserungen im Wirtschaftsdüngermanagement zu erreichen. Durch Landbewirtschaftung, organische oder mineralische Düngung, Bodenbearbeitung und weitere landwirtschaftliche Tätigkeiten entstehen immer und vor allem überall auf der Welt zwangsläufig Treibhausgase. Experten warnen diesbezüglich bereits seit einiger Zeit, vor dem sogenannten Leakage-Effekt, zu Deutsch: Verlagerungseffekt. Ein Leakage-Effekt wäre dann gegeben, wenn zum Zwecke der Reduzierung der Emissionen in Deutschland die Produktion von Nahrungsmitteln ins europäische oder außereuropäische Ausland verlagert würde. Die Emissionen müssten dann lediglich in einem anderen Land bilanziert werden, entstünden aber natürlich dennoch und möglicherweise sogar in größerem Umfang, weil zum Beispiel die Transportwege länger werden. Bei solchen Verlagerungen besteht weiterhin das Risiko, dass die Produktion unter insgesamt schlechteren Bedingungen erfolgt, z.B. in durch Wasserknappheit geprägten Gebieten, oder klimatisch extrem ungünstigen Landnutzungsänderungen Vorschub leistet, z.B. der Abholzung von Regenwäldern. Eine rein nationale Betrachtung der Treibhaugasemissionen hilft dem globalen Klimaschutz jedenfalls in keiner Weise.

Humus heißt, CO2 im Boden zu speichern

Die Landwirtschaft weist eine wichtige Besonderheit auf. Neben der Reduzierung von Emissionen ist darüber hinaus auch die Speicherung von CO2 in Form von Humus im Boden möglich und damit ein Entzug von CO2 aus der Atmosphäre. Experten sprechen in diesem Fall von Kohlenstoffsequenzierung. Das im Boden als Humus gespeicherte CO2 ist nicht nur klimatisch unschädlich, sondern hat darüber hinaus zahlreiche positive Eigenschaften. Eine gute Humusversorgung ist die zentrale Stellschraube der Bodenfruchtbarkeit und hat positiven Einfluss auf Wasserspeicherung, Nährstoffnachlieferung, Bodengefüge und Erosionsanfälligkeit. Die sogenannte Carbon-Farming Strategie der EU möchte genau hier ansetzen und Anreize für die Landwirte schaffen, mehr CO2 im Boden zu speichern. Unter Fachleuten ist der Carbon-Farming-Ansatz, der ein wichtiges Werkzeug der geplanten EU-Bodenstrategie ist, durchaus umstritten. Mit Blick auf die Emissionsberichterstattung ist festzuhalten, dass etwaige Humussteigerungen unter landwirtschaftlichen Flächen derzeit nicht dem Sektor Landwirtschaft, sondern dem sogenannten LULUCF-Sektor zugerechnet werden (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forst).

Komplexe Wechselwirkungen

Bei der Suche nach geeigneten Klimaschutzmaßnahmen und der Kalkulation weiterer Emissionseinsparpotenziale dürfen Wechselwirkungen keinesfalls außer Acht gelassen werden. Neben dem Klima gilt es auch die Ressourcen Wasser, Boden und Umwelt zu schützen, die Erfüllung des landwirtschaftlichen Kernauftrags der Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen und gleichzeitig das Tierwohl und die Biodiversität der Landschaft heute und zukünftig zu fördern.

Flächenknappheit und Klimawandel

Um die Komplexität zu verdeutlichen eignet sich der Vergleich zwischen Acker und Dauergrünland. Klimatisch ist Dauergrünland vordergründig positiv, weil der Humusgehalt im Boden deutlich höher liegt. Wie aber kann Grünland genutzt werden? Eine Nicht-Nutzung kommt keinesfalls infrage, da landwirtschaftliche Fläche weltweit eine knappe Ressource darstellt. Nicht nur aus Sicht der FAO ist Flächenknappheit eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Für die unmittelbare menschliche Ernährung eignet sich Grünland bzw. Gras nicht. Es wird erst dann zu einem Lebensmittel, wenn es als Futter im Pansen von Kühen, Schafen oder Ziegen mit mikrobieller Unterstützung in Milch und Fleisch umgewandelt wird. Ebendiese Wiederkäuer und insbesondere die Kühe stehen jedoch häufig wegen ihres verdauungsbedingten Methanaustoßes im Zentrum der Kritik von Klimaschützern. Die Frage, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Klimaschutz gegenüber anderen wichtigen Ressourcen Vorrang haben sollte, lässt häufig nur schwer beantworten. Mit Blick auf die Flächennutzung in Deutschland bleibt jedenfalls festzuhalten, dass ackerfähige Standorte auch dementsprechend genutzt werden sollten, jedoch insbesondere dort, wo keine Ackernutzung möglich ist, die Grünlandnutzung einen wertvollen und unverzichtbaren Beitrag zur Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln beiträgt.

Fazit

Klimaschutz bleibt ein fraglos zentraler Bestandteil der Agrarwende. Klimaschutz sollte aber nicht unter Ausblendung anderer Ressourcen zur einzigen Leitlinie werden und pauschal über alle anderen Belange gestellt werden. Der verantwortungsvolle Umgang mit allen natürlichen Ressourcen - von der Produktion bis zum Konsum - ist vermutlich die herausforderndste und zugleich wirksamste Klimaschutzmaßnahme in der Landwirtschaft und darüber hinaus.

Tobias Heggemann, Carolin Labonte,

Landwirtschaftskammer NRW

Weitere Informationen

Klimaschutzgesetz

In Deutschland ist 2019 das Klimaschutzgesetz in Kraft getreten und schreibt für jeden Sektor verbindliche Emissionsziele vor, die sich im Wesentlichen an der Umsetzbarkeit und dem Vorhandensein technischer Alternativen orientieren. Die Ziele für den Sektor Landwirtschaft konnten seit der Einführung des Klimaschutzgesetzes ausnahmslos eingehalten werden. Die Sektoren Energie und Verkehr haben per Klimaschutzgesetz die größten Einsparziele bis zum Jahr 2030 auf die Fahne geschrieben bekommen. Was bislang fehlt sind konkrete Ziele für die einzelnen Sektoren nach dem Jahr 2030, obwohl dies vom Bundesverfassungsgericht in einem Urteil aus dem vergangenen Jahr unter Verweis auf die Generationengerechtigkeit kritisiert wurde. Mit konkreten Zielformulierungen für den Zeitraum nach 2030 für die Einzelsektoren ist erst in den kommenden Jahren zu rechnen. Bislang wurden lediglich Ziele für die Gesamtemissionen ohne die Verteilung auf die einzelnen Sektoren von der Bundesregierung formuliert. Zentrales Ziel der Klimaschutzgesetzgebung bleibt die Klimaneutralität, die bis 2045 erreicht sein soll.

Auffällig bei der Betrachtung der Entwicklung der Emissionen ist das Jahr 2020, das wegen des Corona-Lockdowns deutlich niedrigere Werte aufweist. Im Jahr 2021, das unter Experten weitgehend als Normaljahr gilt, sind die Emissionen bereits wieder deutlich gestiegen.

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