Innovatives Querdenken scheint Krispijn van den Dries in die Wiege gelegt: Schon sein Großvater war Pionier mit Gemüsebau im Noordoostpolder. Vater Digni van den Dries war 1990 einer der ersten, der auf Bioanbau umstieg. Heute führt die dritte Generation im Nordwesten der Niederlande einen Demeter-Betrieb mit einer breiten Palette an bekannten und weniger bekannten Gemüsearten. Innovationen und außergewöhnliche Aktionen sind dabei immer willkommen.
"Damals war es etwas Besonderes, vom konventionellen zum ökologischen Anbau zu wechseln. In den 1980er-Jahren gab es aber viele Diskussionen um die Zukunft der Landwirtschaft in der Gesellschaft und wir waren der Meinung, dass es so nicht weitergehen konnte", berichtet Krispijn van den Dries. Zwar gab es damals noch wenige Erfahrungen mit dem Bioanbau und die Familie musste für viele Fragen selbst die Antworten finden, aber sie ließen sich von ihrem Weg nicht abbringen und verfolgten ihn konsequent. "Etwas tun, wovon andere sagen, dass es nicht möglich ist, das ist bis heute unser Ansporn“, beschreibt der junge Mann seinen Pioniergeist. "Die Silber-zwiebeln sind so ein Beispiel: Eigentlich kann man Zwiebeln nicht gut ohne chemischen Pflanzenschutz kultivieren, aber uns ist es doch gelungen. Darauf sind wir stolz!" Nebenbei erwähnt Krispijn, dass sein Vater zurzeit durch Uganda reise, um den dortigen Farmern mit dem Bioanbau zu helfen, als sei das selbstverständlich.
In dem Freilandgemüsebaubetrieb werden auf 70 ha leichtem Tonboden neben den Zwiebeln auch noch zahlreiche andere Gemüsearten biologisch-dynamisch kultiviert: Möhren in vier Farben, Bete in vier Farben, Pastinaken, Petersilienwurzeln, Chicoréewurzeln, Meerrettich, Knollensellerie, Spinat, Blumenkohl, Brokkoli, Weißkohl, Zuckermais, Kürbis, Pflanzkartoffeln in verschiedenen Farben, Luzerne und Hafer.
Auch "vergessene" Gemüsearten, wie die Regenbogen-Möhren, die ein besonderes Aroma haben und zugleich für den Anbau gut geeignet sind, stehen auf dem Feld. Bei allen Kulturen wird eine Rotation von sechs Jahren eingehalten. Der Schritt zum Demeter-Anbau wurde 2006 vollzogen. "Das passte gut zu unserem Weltbild, wir arbeiteten eh schon nach diesen Prinzipien", erzählt Krispijn.
Eine Besonderheit bei der Landbewirtschaftung ist das System fester Fahrspuren, das bereits seit 15 Jahren für das Befahren der Äcker angewandt wird. Mittels GPS fährt der Traktor mit einer Spurbreite von 3,15 Meter immer an den gleichen Stellen, sodass nur die Fahrspur verdichtet wird, die 3 Meter breiten Beete dazwischen aber seit Jahren nicht mehr befahren wurden. Dies kommt dem Boden und damit auch den Pflanzen zugute und begünstigt ein möglichst natürliches Wachstum. Auch der Boden der Fahrspuren wird immer wieder gelockert.
Um organische Substanz in den Boden zu bekommen, wird viel Kompost verwendet, der selbst produziert wird. Das Rohmaterial dafür bekommt van den Dries von einem benachbarten Naturpark kostenlos frei Hof geliefert. Es ist überwiegend Grünschnitt und Mähgut, das reich an Nährstoffen ist. Vor der Kompostierung, bei der 60 bis 70° C erreicht werden, sodass es keine Unkrautprobleme gibt, wird das Material zerkleinert und dann während der drei bis fünf Monate Umsetzung viermal umgedreht. Überdies werden dem Kompost biodynamische Präparate beigemischt, wie es bei Demeter üblich und verpflichtend ist.
Zwar habe der Kompost einen niedrigen pH-Wert, aber da die Felder im Poldergebiet als ehemaliger Meeresgrund einen hohen pH-Wert haben, passe das dann schon. Falls der Kompost zum Zeitpunkt der Ausbringung zu trocken ist, wird er mit Wasser oder mit Gülle gemischt. "Der Kompost dient dazu, den Boden zu ernähren, und die Gülle dient dazu, die Pflanzen zu ernähren. So sehe ich das“, sagt Krispijn. 20 bis 30 Tonnen Kompost pro Hektar bringt er jährlich aus.
Die Gülle bezieht der Demeter-Betrieb von einem benachbarten organisch wirtschaftenden Milchbauern, der die Luzerne abnimmt. In den Niederlanden ist bei der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise die Zusammenarbeit mit einem Tierhalter verpflichtend, eigene Tiere muss der Hof aber nicht haben. Im Winter grasen Schafe eines Berufskollegen auf dem Land des Gemüsebaubetriebes, die Unkraut fressen und düngen.
Eine weitere Besonderheit ist die Aussaat von Möhren unter Kompost. Dazu ist sehr feiner Kompost nötig, der zugekauft wird. Etwa 25 bis 30 Tonnen pro Hektar werden benötigt. Auf den 3-m-Beeten werden die Möhren in vier Reihen ausgesät. Hinter der Sämaschine läuft ein umgebauter Blumenzwiebelpflanzer, über den auf jeder Reihe ein vier Zentimeter breiter und zwei Zentimeter dicker Streifen Kompost ausgebracht wird. Dafür darf der Kompost weder zu trocken, noch zu nass sein. Der ganze Aufwand lohnt sich: Mit dieser Methode sind 50 Prozent weniger Arbeitskraftstunden für das Unkrauthacken in den Möhren nötig.
Beim Absatz der Produkte ist das Unternehmen breit aufgestellt. Die Bioprodukte gehen an die Industrie, in den Export, an Biosupermärkte in den Niederlanden, über einen Webstore an Verbrauchergruppen oder an Anbieter von Kochzutaten nach Art von HelloFresh. Die Kommissionierung nach individueller Bestellung der Verbrauchergruppen sowie das Packen der Kleinsteinheiten für die Kochboxen ist natürlich mit besonderem Aufwand verbunden. Das erfordert eine ausgeklügelte innerbetriebliche Logistik und viel Handarbeit.
Und wie kam es zu dem Kontakt zu den Verbrauchern? Das hat Krispijn einer seiner Aktionen zu verdanken. Als er im Februar des Jahres 2012 noch ziemlich viele Kartoffeln am Lager hatte und in den Supermärkten Importware aus Fernost fand, startete er gemeinsam mit Slow Food eine Aktion: Er fuhr mit seinem Traktor und 6 000 kg Kartoffeln nach Amsterdam und kippte die braunen Knollen dort auf dem Prachtboulevard ab. Das brachte ihm eine enorme Medienaufmerksamkeit und eine Woche später erste Anrufe von Verbrauchern, die seine Ware direkt kaufen wollten.
So entwickelte sich der Absatz an Verbrauchergruppen hauptsächlich in Amsterdam. Inzwischen werden zehn Gruppen à 40 bis 60 Familien einmal in der Woche mit individuell zusammengestellten Mischpaletten beliefert. Jeder einzelne Kunde kann über den Webshop von BioRomeo seine Bestellung aufgeben. Die Ware geht an eine Sammelstation, von wo aus die Gruppe die Verteilung selbst organisiert. Eine andere Aktion war das Betreiben eines Pop-up-Stores in Amsterdam für zwei Wochen, in dem nur verschiedenste bunte Kartoffeln angeboten wurden. Krispijn möchte die Verbraucher erreichen: "Die Leute kaufen mit den Augen, sie sind neugierig, wenn wir unsere Wildkartoffeln anbieten. Neben der Farbe sind natürlich der Geschmack und der Geruch vor und nach dem Kochen von Bedeutung. Dies berücksichtigen wir bei unserer Sortenwahl."
Die Geschäfte mit den Verbrauchern laufen gut, inzwischen werden 40 bis 50 Prozent des Umsatzes mit den Verbrauchergruppen und den Kochboxen gemacht. Dafür wird Ware, die nicht im eigenen Anbau ist, von vertrauenswürdigen anderen Anbauern zugekauft. BioRomeo heißt das Erzeugerkollektiv, dessen Obst und Gemüse gemeinsam über den Webshop an Restaurants und Verbraucher verkauft und auf dem Hof der Familie van den Dries verpackt und kommissioniert wird. Über die Jahre gibt es Erfahrungswerte, wie viel angebaut werden muss und was nachgefragt wird. Das eigene Gemüse wird in der Regel erst sortiert und dann gewaschen. So können bestimmte Sortierungen noch ungewaschen gelagert werden.
"Die Supermärkte brauchen wir auch als Kunden, sie ändern sich gerade und schreiben den Name des Produzenten auf das Produkt", sagt der Unternehmer. Während der LEH möglichst perfekte Ware bevorzugt, finden die Kunden der Verbrauchergruppen mißgeformtes Gemüse sogar lustig. "Wir bekommen von den Konsumenten viel Rückmeldung. Transparenz und der direkte Verbraucherkontakt sind uns sehr wichtig."
Die einheimische Natur stets im Blick, sind ihr 5 Prozent der Flächen gewidmet: Weidenbäume, Nistkästen für Vögel und rund 100 Wildkräuter und Gräser, die an den Grabenkanten wachsen, dürfen und nur einmal im Jahr gemäht werden. Diese Blühstreifen an den Gräben bieten Lebensräume für Vögel, Amphibien, Insekten, Fische und Nagetiere. Im Jahr 2018 hat sich eine Gruppe von Anbauern aus der Region gegründet, die etwas für die Natur tun möchten. Mit staatlicher Förderung sät Krispijn nun auch auf seinen Luzerneflächen Blühstreifen aus.
In der Saison arbeiten hauptsächlich niederländische Schüler und Studenten mit bei der Ernte, zum Teil auch Polen. Darüber hinaus beschäftigt die Familie van den Dries auch noch körperlich und geistig behinderte Menschen, ähnlich wie in einer deutschen Werkstatt für Menschen mit Behinderung. "Unser ältester Mitarbeiter ist 72 Jahre alt und der jüngste erst 16. Bei uns findet jeder Mitarbeiter eine Arbeit, die zu seinen individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten passt. Unser Bestreben ist es, den Mitarbeitern Möglichkeiten zu geben, sich weiterzuentwickeln", erläutert der junge Betriebsleiter.
Nach dem Motto "Tue Gutes und rede darüber" wird über die Aktivitäten für die Natur und für die Gesellschaft auf den Homepages von BioRomeo und Nature & More berichtet. Die Verbraucher sollen informiert sein und beim Konsum der Produkte ein gutes Gefühl haben. "Mit Liebe für Sie kultiviert!" ist deshalb auch der Slogan von Bio-Romeo.
Quelle: LZ Rheinland, Ausgabe 8, 21. Februar 2019, Sabine Aldenhoff