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Sind Feldroboter reif für die Praxis?

03.02.2022

Dr. Stefan Paulus vom Institut für Zuckerrübenforschung in Göttingen stellte die beiden derzeit gängigen Systeme für eine robotergestützte Unkrautbekämpfung vor. Das eine System arbeitet mit einer GPS gestützten Präzisionsdrille, bei der die Ablageposition der Saatpille gespeichert wird. Der Feldroboter hackt anschließend nur einen frei definierbaren Bereich um diese Position, sodass die Kulturpflanze nicht beschädigt wird.

Die Nachteile dieser Technik sind vor allem mögliche Probleme bei ungenauer Saatgutablage und eine geringe Arbeitsgeschwindigkeit von 0,5 km/h. Laut Paulus funktioniert das System in der Praxis aber gut und ermöglicht eine gute Unkrautkontrolle. Die geringe Geschwindigkeit ließe sich ausgleichen durch einen theoretisch unbegrenzten Arbeitseinsatz, auch bei Dunkelheit. Das alternative System arbeitet mit einer Kamera, die den Bereich vor dem Roboter laufend scannt und in der Lage ist, die Umrisse von Unkräutern von denen der Kulturpflanze zu unterscheiden. Anschließend entfernt der Roboter automatisch die Unkräuter, zum Beispiel mit einem Stempel. Das System müsse aber trainiert werden, um die Umrisse der Problemunkräuter in allen Entwicklungsphasen sicher zu erkennen.

Paulus sieht zurzeit einen großen Schub an Innovationen im Bereich der landwirtschaftlichen Robotik, technisch, aber auch konzeptionell. So seien viele kleinere Einheiten oder wenige große möglich, die zum Beispiel durch Feldaufnahmen von Drohnen unterstützt werden können. Deshalb ist sich Paulus sicher, dass sich digitale Werkzeuge durchsetzen und die Landwirtschaft grundsätzlich verändern werden.

 


Rechtlichen Hemmnissen vorbeugen

Einen viel breiteren Blick auf die Nutzung von Robotertechnik in der Landwirtschaft forderte Prof. Arno Ruckelshausen, Informatiker an der Hochschule Osnabrück. „Ein funktionierender Hackroboter ist nur die Basis“, sagte Ruckelshausen. „Wir müssen aber schon jetzt die vielen Herausforderungen drumherum lösen und bei der Entwicklung mitdenken. Dafür sollten wir uns von eingeübten Denkmustern lösen.“ Als Beispiel nannte er eine häufig angestrebte hohe Arbeitsgeschwindigkeit, die aber nichts über die Wirtschaftlichkeit einer Technik aussage. Man müsse sich stattdessen grundlegende Fragen stellen, um die Robotik erfolgreich in der Praxis zu etablieren: Wie lässt sich ein System wirtschaftlich einsetzen? Braucht man eine große Maschine oder einen Schwarm aus kleinen Geräten? Wie lässt sich ein Robotersysteme in bestehende Abläufe auf Betrieben einfügen? Wie verändert sich die Arbeit des Landwirts und wie muss man die Arbeitsprozesse anpassen? Besonders wichtig sei zudem, rechtliche Hemmnisse frühzeitig zu erkennen.

Der Informatiker plädierte dafür, diese Fragen bei der Entwicklung mitzudenken und dafür die Praxis frühzeitig mit Forschern und Fachleuten aus anderen Bereichen zusammenzuführen. Zudem müsse man Landwirten ehrlich sagen, was funktioniert und was nicht. Dafür seien zum Beispiel die bundesweit 14 Experimentierfelder für Digitaltechnik sinnvoll, die vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert werden. Hier könne die Praxistauglichkeit eines neuen Systems geprüft werden. Laut Ruckelshausen gibt es aber bereits Anwendungen für leistungsfähige Rechner, mit denen man neu entwickelte Systeme am Computer auf ihre Tauglichkeit testen kann. „Mit diesen sogenannten digitalen Zwillingen sind wir zum Teil schon so weit, dass wir sagen können: Funktioniert es am Rechner, dann geht es auch draußen“, sagte Ruckelshausen.


Hacken in der Reihe

Dass die Robotertechnik bereits in der Praxis eingesetzt wird, berichteten Vertreter verschiedener Landtechnikhersteller. So bietet die Firma K.U.L.T. Kress ein Gerät für das Hacken in der Reihe in Pflanzkulturen wie Salat oder Kohl an. Das selektive Hacksystem erkennt die Kulturpflanzen über eine Kamera und entfernt Unkräuter im definierbaren Abstand zur Kultur mit hydraulischen Werkzeugen. Die Arbeitsbreite liegt bei bis zu 8 m.

Auch Sebastian Heinrichmann, Berater für Smart Farming bei der Agravis Raiffeisen AG, sagte, dass die Feldrobotik in der Praxis angekommen ist. Heinrichmann: „Vor einem Jahr dachte ich, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern wird, bis bei der Feldrobotik etwas passiert. Heute denke ich darüber komplett anders.“ Er stellte ein Sprühgerät mit 6 m Arbeitsbreite und 156 Düsen vor, das unterschiedliche Pflanzen per Kamera erkennt und sie hochpräzise, einzeln mit einem gezielten Sprühstoß behandelt. Grundsätzlich ist damit die Ausbringung von Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden möglich. Auch für den Ökobereich sind zukünftig Anwendungen geplant. Je nach Anwendung, kann entweder nur die Kulturpflanze oder das Unkraut behandelt werden. Durch die exakte Einzelpflanzenbehandlung lassen sich laut Heinrichmann bis zu 95 % der Wirkstoffmenge einsparen gegenüber einer ganzflächigen Ausbringung. Durch seitliche Lamellen, die bis zum Boden reichen, gibt es keine Abdrift durch Wind. Da die Kulturpflanze bei Herbizidbehandlungen nicht dem Wirkstoff ausgesetzt ist, werden Wachstumsdepressionen weitestgehend vermieden. Heinrichmann könnte sich vorstellen, dass zukünftig bestimmte Wirkstoffe nur noch eine Zulassung für diese Ausbringungstechnik erhalten.

Den ersten marktreifen Roboter, der die Aussaat und das Hacken vollautomatisch erledigen kann, stellte Kevin Mischke von der dänischen Firma FarmDroid ApS vor. Die Maschine ist für den Anbau von Ackerkulturen wie Zuckerrüben oder Zwiebeln geeignet. Bisher sind laut Mischke etwa 30 Maschinen im praktischen Einsatz und haben hier insgesamt 24 600 ha Betriebsstunden geleistet. Das System arbeitet ohne Kameras oder Sensoren. Stattdessen wird über ein hochpräzises Navigationssignal per GPS der genaue Standort der Saatgutablage errechnet. Das ermöglicht das Jäten der Kultur bereits vor dem Auflaufen. Allerdings erfordert die genaue Ablage eine sehr geringe Fahrgeschwindigkeit. So sind bei Zuckerrüben nur 730 Meter pro Stunde möglich, bei Zwiebeln sogar nur 430 m pro Stunde.

Thilo Hahnkemeyer, Ökorübenberater bei Nordzucker, sagte in der abschließenden Diskussion, dass er bei der Unkrautrobotik sehr gute Ansätze und eine schnelle Entwicklung sieht. Dennoch lautet sein Fazit zur derzeit verfügbaren Technik: Es klappt noch nicht ohne Handarbeit. Deshalb rechnet er für die Zukunft noch mit ganz anderen Lösungen, die abstrakter sind als die heute gängigen Systeme.

Beim Vergleich der Förderung von landwirtschaftlicher Robotik in Frankreich und Deutschland sieht Cornelius Donath vom französischen Hersteller Najo klare Vorteile auf französischer Seite. „In Frankreich steht die Robotik ganz oben auf der Tagesordnung. Es gibt viele Förderprogramme für Hersteller, aber auch für Anwender“, sagte Donath. In Deutschland sei es dagegen sehr schwierig, Fördermittel zu erhalten. Das bestätigte auch Prof. Ruckelshausen von der Hochschule Osnabrück. So zeichne sich zwar in Bayern und Baden-Württemberg eine zaghafte Förderung ab, aber auf Bundesebene gebe es bisher keine konkrete Unterstützung. Ruckelshausen: „Deshalb befürchte ich, dass etwa die dänischen und französischen Hersteller links und rechts an uns vorbeiziehen werden, sobald die Zulassungsfragen geklärt sind.“

Jürgen Beckhoff

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