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Dama dama aus der Fleuthniederung

22.12.2023

Im Jahr 1436 wird der Pauenhof erstmals urkundlich erwähnt. Dem Sprachgebrauch der jeweiligen Herrscherhäuser folgend, schrieb er sich mal mit „w“ - unter den Kurkölner Erzbischöfen hieß er Pauwen Gut -, mal ohne „w“ - Preußen und Franzosen waren für Pauen Gut. Eine Feder des Pfaus als namensgebendem Symboltier findet man seit 500 Jahren unverändert im Familienwappen. Auf dem Hof jedoch sucht man den Vogel vergebens. Dort ist seit einigen Jahrzehnten eine andere Tierart sesshaft….

„Etwas von allem“ hat es schon immer gegeben auf dem Pauenhof. „Die Landwirtschaft in der Fleuthniederung bei Issum war und ist vielseitig. Auf den sandigen Böden gedeihen Sonderkulturen, wie Spargel oder Erdbeeren. Auf den angeschwemmten Lössböden lässt sich bester Ackerbau mit Rüben und Getreide betreiben. Und Grünland fürs Milchvieh gibt es am Niederrhein ja ohnehin in großer Ausdehnung“, fasst Gutsherrin Elke Pauwen - mit „w“ - die Gegebenheiten zusammen, unter denen ihre Familie über die Jahrhunderte gewirtschaftet hat.

Im Laufe dieser langen Zeit hat der Hof zahlreiche Änderungen erfahren. Die einschneidendste sei wohl die Entscheidung ihres Vaters gewesen, nicht, wie alle Väter und Väter-Väter zuvor, Landwirt zu werden. „Mein Vater hat in der Landwirtschaft seine Zukunft nicht gesehen und daher Medizin studiert. Er ist Gynäkologe geworden. Die Landwirtschaft gab es auf unserem Hof ab den 1960er-Jahren also fortan nur noch im Nebenerwerb“, so Elke Pauwen. 

Mit dieser Entscheidung reduzierten sich auch die Flächenausstattung und der Tierbestand: Hatte es bis 1972 noch Milchvieh, Hühner, Schafe und Ponys auf dem Pauenhof gegeben, wurden die Tiere bis auf ein paar Schafe und wenige Ponys abgeschafft. Auch der Ackerbau, der bis dahin mit der klassischen Rheinischen Fruchtfolge recht ertragreich war, wurde eingestellt. „Mein Vater hätte Fläche dazupachten und sich spezialisieren müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Stattdessen hat er das Ackerland verpachtet und einige der Gebäude verkauft. Wir wollten uns im Rahmen des Machbaren auf das Grünland in den Auen rund um unseren Hof konzentrieren“, berichtet Elke Pauwen weiter.


Pauenhof statt Palmen

Doch so ganz konnte sich die Familie nicht von der Landwirtschaft trennen. Vor allem nicht von der Tierhaltung. „Mein Vater meinte damals, dass wir unbedingt weiter Tiere halten müssten. Daran hing, bei aller Liebe zu seinem Arztberuf, sein Herz. Sein Verstand wiederum wusste, dass es Tiere sein sollten, deren Produkte sich zu vermarkten lohnen“, erinnert sich die heutige Bewirtschafterin des Pauenhofs. So erschloss Elke Pauen gemeinsam mit ihrem Vater Anfang der 1980er-Jahre ein Hirschgehege - hatte sie doch selber hatte großes Interesse daran, die Landwirtschaft auf dem Hof nicht gänzlich aufzugeben.

Wenig später tat sie es jedoch zunächst ihrem Vater gleich, ging an die Uni und studierte Landschaftsarchitektur. Zudem zog es sie für einige Jahre in die USA, wo sie in Kalifornien in ihrem Beruf arbeitete und eine eigene Familie gründete. Doch was ist Kalifornien gegen den Niederrhein!? „Im Jahr 2000 zogen mein Mann und ich mit unseren beiden Kindern zurück nach Issum auf den Pauenhof, um dort unseren Lebensmittelpunkt zu gründen.“ Dazu gehörte auch, die Ställe und Weiden mit einer interessanten Tierart zu beleben.

Dama dama herzlich willkommen

„Kühe geben Milch, Lamas haben feine Wolle, Hühner legen Eier. Und Damhirsche liefern bestes Fleisch und pflegen die Wiesen. Das war es, was meinen Vater und mich damals von dieser für uns neuen Tierart überzeugte!“, so die heute 77-jährige rückblickend. Immerhin besaß die Familie nach wie vor 34 ha Forst und 6,5 ha Land, das es zu nutzen und pflegen galt. So kaufte Familie Pauwen zehn Tiere aus der Damhirschherde eines benachbarten Tierhalters sowie weitere Tiere aus dem Bestand von Haus Riswick dazu und gründete so die erste kleine eigene Herde. „Das Damwild, Dama dama, ist eine Hirschart, die die Römer in diesen Gefilden eingeführt hat. Damhirsche sind deutlich kleiner als Rotwild und daher gut im Gehege zu halten“, so Elke Pauwen, die sich über diverse Kurse und Sachkundeschulungen auf Haus Riswick für diese Art der Tierhaltung aus- und weitergebildet hat. „Dass die Frau vom Damhirsch nicht etwa Reh heißt, sondern Hirschkuh, wusste ich allerdings schon vorher“, lacht sie.

Die Herde ist in den letzten Jahrzehnten auf rund 100 Tiere angewachsen. „Wir haben Fläche und Futter für 80 bis 100 Damhirsche“, so die Nebenerwerbslandwirtin, die tatkräftige Unterstützung von ihrem Sohn erfährt. Auf 1,6 ha betreiben die beiden Futterbau, der Rest sind (Mäh)Weiden. Die Hirsche weiden auf den 5,78 ha arrondierter Fläche am Hof. „Sie stehen ganzjährig draußen; vor dem Winter fressen sie sich eine dicke Fettschicht an, mit der sie sehr genügsam durch die kalte Jahreszeit kommen. Den Tieren füttern wir täglich etwa 8 kg Pellets, die für Schafe und Ziegen geeignet und mit Mais gemischt sind, zu. Außerdem fressen die Tiere das Obst unserer Streuobstbäume sowie die Früchte von den rund 30 Eichenbäumen im Gehege, finden jede Menge Gehölzschnitt, den sie abnagen, und haben zusätzlich Lecksteine, sodass auch die Mineralstoffversorgung gewährleistet ist“, nennt Elke Pauwen das Fütterungskonzept. Ab Oktober stehen, je nach Ernte, rund 30 Ballen Kleegrassilage zur Verfügung.

Stachlige Futterpflanze

Ein Leckerbissen der ungewöhnlichen Art findet sich im Sommerhalbjahr auf dem Speiseplan der Damhirsche: angewelkte, matschige Disteln. „Auf unseren Wiesen und Weiden gibt es jede Menge Disteln, vor allem in den Auen. Die waren früher der größte Feind des Grünlands. Die Hirsche haben zwar die Knospen abgefressen, die Restpflanze blieb aber stets auf der Fläche. Ein Berufskollege hat uns verraten, dass er seine Flächen abschleppt, das verträgt dieses Kraut gar nicht. Durch das Schleppen werden die Disteln matschig - und damit zur Futterpflanze. Die Damtiere sind ganz wild auf Disteln!“, freut sich Elke Pauwen nach wie vor über diesen Geniestreich. Vor Disteln fürchtet sie sich nicht mehr.

Das ist umso nützlicher, als der Pauenhof seit 2004 zum Bioland-Verband gehört. „In den Jahren, die wir in den USA gelebt haben, habe ich die Ökobewegung mitbekommen, auch in den Naturkostläden. Das hat mich damals überzeugt. Unser Pauenhof war nie weit weg von der Biolandwirtschaft, nach der Verkleinerung und mit der extensiven Damhirschhaltung sogar noch näher dran. So mussten wir den Betrieb nicht grundsätzlich umkrempeln und die Umstellung war unkompliziert“, erinnert sich die Nebenerwerbslandwirtin. Chemischer Pflanzenschutz auf Futterbauflächen und Grünland ist tabu, Schleppen und Mulchen wirksame Maßnahmen gegen Unkräuter. Das Düngen übernehmen die Damtiere ganz von selber; der Stallmist wird auf die Flächen gefahren.

„Diese Arbeiten, wie Pflege und auch Grünlandernte, übernimmt übrigens ein Lohnunternehmer oder verschiedene Berufskollegen; große Maschinen stehen nicht auf unserem Hof - noch nicht einmal ein Trekker für meinen Mann!“, lacht Elke Pauwen.


Bewusster essen, bewusster verkaufen

Und auch das Schießen, Schlachten und Verarbeiten der Tiere ist ausgelagert. „Früher war das Schießen der Hirsche auf der Weide noch eine jagdliche Angelegenheit und ich habe selber zum Gewehr gegriffen. Das lasse ich persönlich heute aus Respekt vor den Tieren bleiben.“ Seit Familie Pauwen aber einen Verkaufsraum hat, in dem sie Teilstücke der Hirsche anbietet, engagiert sie einen Jäger, der die ausgewählten ein- bis zweijährigen Tiere aus der Herde schießt, 20 Stück pro Jahr. Diese werden dann - mit Genehmigung und unter den wachsamen Augen des Veterinäramtes - in ein kleines, biozertifiziertes Schlachthaus gefahren; dort zerteilen und portionieren der Metzger und Elke Pauwen die Schlachtkörper gemeinsam. Das Vakuumieren übernimmt die Biolandwirtin dann persönlich.

„Wir haben kein eigenes Schlachthaus. Da wir nur Frischfleisch vermarkten, liegen die vakuumierten Teilstücke in der Truhe in unserem Verkaufsraum. Hälften oder Viertel bieten wir nicht mehr an; damit haben wir uns an die Essgewohnheiten und Wünsche der Kunden angepasst“, erklärt Elke Pauwen den Direktvermarktungsweg, den sie auf ihrem Hof eingeschlagen haben. Das schöne, dunkelrote, kurzfaserige Fleisch geht ausschließlich an Privatkunden. Die Gastronomie wird nicht beliefert. „Auch wenn mein Sohn mit in die Damtierhaltung eingestiegen ist, würden wir es nicht schaffen, eine größere Herde zu halten und die Mengen an die Gastronomie zu liefern, die diese kontinuierlich und garantiert abnehmen möchte“, weiß Elke Pauwen. „Es ist alles so konzipiert, dass es für uns im Nebenerwerb machbar ist.“

Weihnachtszeit ist Wildfleischzeit

Der Hauptverkauf findet ab Oktober bis Weihnachten statt. „Jedes Jahr im Spätherbst laden wir die Menschen zu unserem Hoffest ein, das gleichzeitig die Eröffnung der Hirschsaison ist. Und dann geht es bis Weihnachten rund!“, freut sie sich über diesen Zuspruch. Dass die Preise aufgrund der regionalen Bioqualität etwas höher liegen, scheint kein Verkaufshindernis zu sein. Ein Teil der Kundschaft besteht mittlerweile aus den Mitgliedern des benachbarten Issumer Golfclubs. „Ich orientiere mich bei den Preisen an denen, die die Jäger für ihr Wildfleisch verlangen, und passe sie leicht nach oben an.“ Dabei verkaufe sie einige Teile etwas preisgünstiger. So hat Elke Pauwen zum Beispiel Hirschgulaschsuppe in ihrem Ladenangebot. Bis Weihnachten trudeln bei Familie Pauwen noch Bestellungen für Gulasch und Keule ein. Dann wird es auch auf dem Bioland-Hof langsam wieder ruhiger.

Übrigens: Nicht mehr nur der „Pauw“ respektive dessen schöne Feder ziert das Familienwappen; seit einigen Jahren findet sich auch das Geweih eines stolzen Hirsches darin.

 


Meike Siebel,

Landwirtschaftskammer NRW

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