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Fütterung im Klimawandel

26.07.2023

Das Thema ist brisant und in aller Munde: Futter und Fütterung im Klimawandel. Was kann die Landwirtschaft tun, um Emissionen und Nährstoffeinträge zu minimieren und so zum Klimaschutz beitragen? Wie das Symposium des Bonner Förderkreises Tierernährung Mitte Mai im Institut für Tierwissenschaften in Bonn zeigte, gibt es in der Tierernährung eine Vielzahl von theoretischen und praktischen Ansatzpunkten.

Wie diese aussehen, wo Potenziale und Grenzen für den Klimaschutz und eine gesicherte Futterversorgung bestehen, wurde den aus Wissenschaft, Forschung und der Futtermittelindustrie stammenden Teilnehmenden in verschiedenen Referaten erläutert. Zweierlei wurde in allen Vorträgen deutlich: Ohne Tierhaltung, speziell ohne Wiederkäuer, ist Klimaschutz nicht möglich. Gras wird für den Menschen aufgrund seines Verdauungssystems auch in Zukunft kein Nahrungsmittel werden – das bleibt den Tieren und damit landwirtschaftlich gesehen schwerpunktmäßig der Kuhhaltung mit Milcherzeugung vorbehalten. Und zum Zweiten gibt es keine allgemeingültigen Patentrezepte, die auf alle Betriebe passen.

Ökologischer Fußabdruck

Als wissenschaftliches Modell gesehen wird sich die Landwirtschaft, so die Meinung der Referentinnen und Referenten, tendenziell zu mehr Milchvieh- und weniger Schweinehaltung entwickeln. Gründe dafür sind einerseits das erklärte Ziel der Bundesregierung, bis 2045 klimaneutral zu werden und andererseits die veränderten Ernährungstrends sowie der Wunsch der Bevölkerung nach einer noch klimaschonenderen Landwirtschaft.

Ebenso zeigten alle Vorträge deutlich, dass Klimaschutz mehr ist als nur das Vermindern des Co2-Ausstoßes. Der ökologische Fußabdruck mit den Treibhausgasen Kohlendioxid (CO2), Methan (CH₄) und Lachgas (N₂O) wird häufig in Beziehung zur Biodiversität, zum Schutz der Gewässer und zum Tierwohl gesehen.

Was kommt auf die Nutztierhaltung zu?

Was in puncto Futterwirtschaft auf die Landwirtinnen und Landwirte zukommen könnte, skizzierte Dr. Annette Freibauer, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Freising, anhand eines Modells, bei dem Deutschland als autarkes Land ohne Außenhandel betrachtet wurde. „Klimaneutralität heißt nicht outsourcing von Treibhausgasen, wir brauchen heimische Futtermittel“ postulierte die Referentin. Wenn die jetzigen Emissionen halbiert würden, sei die Landwirtschaft klimaneutral. Von diesen 50 % ließen sich 20 bis 25 % mithilfe technischer Maßnahmen erreichen. Da fruchtbare Ackerböden weltweit die knappste Ressource seien, müsse sich die Futterproduktion auf das Grünland verlagern. Auf Ackerflächen seien Pflanzen anzubauen, die der menschlichen Ernährung dienten und deren nicht verwertbare Teile dann im Trog landen könnten. „Ein geschlossener Nährstoffkreis-lauf ist nur mit Tierhaltung möglich. Wir brauchen nicht unbedingt weniger Tiere, wohl aber die richtigen Tiere und die richtigen Systeme“, so Freibauer. Richtige Tiere bedeute robuste Zweinutzungsrassen, die hauptsächlich auf dem Grünland satt würden und an die Reststofffütterung mit bei der Nahrungsmittelproduktion anfallenden Nebenprodukten angepasst seien. Das müssten nicht unbedingt nur Kühe sein, denkbar seien mit Blick auf unerwünschtes Methan auch beispielsweise Pferde.

In der anschließenden regen Diskussion dominierte die Frage, ob denn eine Ernährung der Bevölkerung in Deutschland mit dem vorgestellten geschlossenen System überhaupt zu sichern sei und wie es um den Export von landwirtschaftlichen Produkten stehe. Auch wurde das Schwein, das im vorgestellten System höchstens als Resteverwerter eine Daseinsberechtigung habe, aus seinem Schattendasein geholt. „Das Schwein und auch Geflügel sind vielfältig einsetzbar, wenn es darum geht, klimagerecht Lebensmittel zu produzieren“, brach Prof. Hubert Spiekers, LfL Grub, als Diskussionsleiter diesen Tierarten eine Lanze.


Einzelbetrieb – wie ist die Wirkung aufs Klima?

Wie schwierig es ist, die Klimawirkung, sprich das Entstehen und den Fluss von Emissionen innerhalb des Betriebs mengenmäßig zu erfassen, erläuterte Dr. Monika Zehetmeier, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), München. „Es bestehen große methodische Unterschiede bei der Erfassung von Emissionen wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas, die einen ebenso großen Einfluss auf das Ergebnis haben. Zum Beispiel wird nicht in allen Betrieben die gleiche Systemgrenze „Hof bis Tor“ verwendet.“ Ebenso unterschiedlich ist die Bewertung der organischen Dünger, und in welchem Grad Koppelprodukte, beispielsweise bei der Milchkuh das Fleisch, mit in die Berechnung einfließen.

Emissionen entstehen nicht nur direkt auf dem Betrieb im Pflanzenbau und in der Tierhaltung, auch Vorprodukte wie der Zukauf von Futter- oder Düngemitteln bringen Emissionen mit sich, ebenso entstehen diese bei der weiteren Verarbeitung der erzeugten Produkte. Um hier Klarheit zu schaffen, hat die Lfl eine eigene App entwickelt, die Landwirten helfen soll, die Stoffflüsse und damit die Emissionen im eigenen Betrieb besser erfassen zu können. Zehetmeier animierte die Zuhörer, diese App zu testen und ein Feedback zu geben und ging dann praxisbezogen auf Möglichkeiten zur Reduzierung von Treibhausgasen im Futterbau ein: Grobfutterqualität steigern, Technik optimal einsetzen, heimische Eiweißquellen verwenden und Nebenprodukte einsetzen, bedarfsgerechte Düngung und Vermeiden von Verlusten bei der Futterbergung bis hin zum Trog. Dabei bezifferte sie das Einsparpotenzial auf durchschnittlich 20 % je Betrieb. Speziell Methan aus der Rinderhaltung lasse sich über Langlebigkeit, das Erstkalbealter, die Rationsgestaltung und über die Milchleistung reduzieren.

Bei 6 000 kg ist Schluss

Für Diskussionsstoff sorgten die von der Wissenschaftlerin vorgelegten Zahlen zum CO2-Ausstoß bei einer Leistung jenseits von 6 000 kg/Kuh/Jahr. „Während sich der CO2-Ausstoß je Liter ermolkener Milch bis zu dieser Milchleistung reduziert, bleibt der CO2-Wert ab 6 000 kg Leistung konstant. Es erfolgt kein weiteres Absinken.“ Dafür nannte Zehetmeier mehrere Gründe: Erstens werde je Kilo Milch weniger Fleisch als Koppelprodukt erzeugt, speziell wenn es sich um Schwarzbunte Hochleistungskühe handele. Zweitens würden Betriebe mit einer niedrigeren Milchleistung oft Reststoffe und weniger Zukauffuttermittel in der Ration einsetzen. Ihr Fazit: „Emissionsminderung funktioniert nicht nur mit CO2-Reduzierung – erforderlich ist eine betriebsspezifische Situationsanalyse mit den korrekten Daten. Was nutzt uns die dritte Stelle hinter dem Komma, wenn bei der Datenerfassung keine methodischen Unterschiede berücksichtigt werden?“

Die Klima-Check-App

Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft hat ein frei über das Internet verfügbares Tool zur Quantifizierung und Bewertung der Klimawirkung landwirtschaftlicher Tätigkeit auf Ebene einzelner Produktionsverfahren sowie des Betriebs entwickelt. Dieser Klima-Check soll es Landwirten und Beratern ermöglichen, landwirtschaftliche Praktiken im Hinblick auf ihre Klimawirkung zu bewerten.

Der Klima-Check ist unter www.stmelf.bayern.de/idb/thgbetriebstart.html abrufbar. Die Anwendung wird Schritt für Schritt erklärt. Mitentwicklerin Dr. Monika Zehetmeier freut sich über Rückmeldungen und konstruktive Kritik unter der E-Mail klima.check@LfL.bayern.de.

Kreislaufwirtschaft mit Kühen

Ebenfalls auf die Kuh als Klimaschützer hat Prof. Dr. Friedhelm Taube, Christian-Albrechts-Universität Kiel, und Leiter des Versuchsguts Lindhof, gesetzt und den Betrieb um 95 Jersey-Milchkühe erweitert. Sein Ziel: Emissionen und Fixkosten in der Milchviehhaltung verringern, indem Dauergrünland als Futtergrundlage für das Milchvieh genutzt und den Tieren Weidegang ermöglicht wird. Ackerfutterbausysteme hält er nur unter der Prämisse für sinnvoll, dass diese dem Ackerbau zugutekommen. Der biologisch wirtschaftende Lindhof arbeitet mit zweijährigem Kleegras und Mähweidesystem. Flächenmäßig ist dies möglich, da auf Silomaisanbau verzichtet wird. Daneben hob der Referent die hervorragende Vorfruchtwirkung des zweijährigen Kleegrases mit mehr als 120 kg N/Jahr hervor. „Denkbar sind vor diesem Hintergrund Kooperationen mit Ackerbaubetrieben zu virtuellen Gemeinschaftsbetrieben“, schlug Taube vor.

Taube und sein Team entschieden sich für Jerseys, „weil die Kühe im Verhältnis zu ihrer Größe eine hohe Milchleistung haben und Weidegras besonders gut verwerten, um satt zu werden. Das ist energetisch bei einer 12 000-kg-Kuh auf der Weide nicht möglich.“ Wert wird auf einen geringen Kraftfutteranteil in der Ration gelegt, denn low input bedeutet auch einen geringen Ausstoß an Emissionen. Als Weidesystem wählte man die intensive Portionsweise mit neun bis zwölf Nutzungen pro Jahr. Die Kleegras-Untersaaten werden ab der dritten Jahreshälfte als Winterweide genutzt und im Frühjahr vor der Hafereinsaat umgebrochen. Bereits im Februar beginnt auf dem Lindhof der Weideaustrieb, gefolgt vom Blockabkalben im Frühjahr. Nach jedem Melken erhalten die Tiere gezielten Zugang zur Portionsweide, wobei wöchentlich die Höhe des Grases gemessen wird, um den optimalen Beweidungszeitpunkt zu treffen.

„Bei einer Milchleistung von knapp 7 000 kg Milch mit dem für Jerseys typischen hohen Fettgehalt von 5,4 % Fett und 3,9 % Eiweiß haben wir eine Grundfutterleistung von etwa 4 700 kg Milch. Vergleichbare Betriebe liegen im Schnitt bei 3 900 kg“, stellte der Wissenschaftler aktuelle Ergebnisse vor. Auch seien die Verlagerungseffekte, die durch den Zukauf von Futtermitteln entstehen, sehr gering. Da Dauergrünland ein hervorragender CO2-Speicher ist, lägen die Emissionen je kg Milch bei lediglich 5 g CO2.

Die Frage, ob mehr Öko-Landbau betrieben werden solle, beantwortete Taube mit einem klaren Nein. „Im Öko-Landbau sind die Erträge rund 50 % geringer. Bei der knappen Ressource Fläche ist das nicht zu verantworten, es sei denn, es ist ausreichend Grünland vorhanden.“ Er plädierte vielmehr zur Hybrid-Landwirtschaft, die die Vorteile der konventionellen Landwirtschaft mit dem Öko-Landbau verbindet - „Das Beste aus zwei Welten“.


Was bei der Fütterung tun?

Dr. Christian Koch, Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung, Neumühle, verwies auf das enorme Einsparpotenzial durch N- und P-Absenkung im Futter, die in der Schweine-und Geflügelhaltung schon seit Jahren etabliert ist. Dazu nannte er Zahlen: „Wird der Rohproteingehalt im Futter um 10 g gesenkt, verringern sich die Ammoniakemissionen um 17 %.“ Denkbar seien Einsparpotenziale von 13 % N und 18 % P in der Rinderfütterung, vorausgesetzt, die Grundfutterqualität sowie die Rationsgestaltung stimmten. Das Optimieren der mikrobiellen Proteinsynthese sei eine der wesentlichen Stellschrauben für eine wiederkäuer- und klimagerechte Fütterung. Dr. Christian Koch und Dr. Jana Denißen, Agravis Münster, verwiesen in diesem Zusammenhang auch auf den Einsatz von Futterzusatzstoffen.

Fazit

Mit in ihr Schlusswort nahmen Dr. Antje Holthausen als Vorsitzende des BFT und Prof. Karl-Heinz Südekum, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, zwei wesentliche Impulse: Zum einen hat die Tagung gezeigt, wie weit die Landwirtschaft bereits auf dem Weg ist, um hochwertige Lebensmittel unter noch stärker umweltschützenden Bedingungen zu produzieren. Wissenschaft und Forschung entwickeln zahlreiche neue Ansätze und Modelle für die Zukunft. Zum anderen hat der alte Lehrsatz „Was man nicht misst, kann man nicht steuern“ gerade mit Blick auf den Klimaschutz nichts von seiner Aktualität verloren.


Maria Forstreuter-Wick,

Landwirtschaftskammer NRW

Weitere Informationen

 

Futterengpässe vermeiden: Das können Sie tun

Konkrete Möglichkeiten, um Futterengpässe zu vermeiden und das Klima zu schützen, nannte Prof. Johannes Isselstein, Georg-August-Universität Göttingen. Dabei richtete er sein Augenmerk auf die Leistungsverbesserung des Grünlands durch das Einsetzen neuer Arten und neuer Kombinationen von Gräsern. „Es gilt, die Nutzungselastizität noch stärker in den Vordergrund zu rücken, das heißt, wir müssen untersuchen, wie lange die einzelnen Gräser eine hohe Futterqualität liefern“, nannte der Referent einen Forschungsschwerpunkt. Eventuell könnten hier sekundäre Grasarten wie Rotschwingel und Wolliges Honiggras eine neue Bedeutung erlangen. Daneben propagierte er Weidelgras-Weißklee-Gemische mit Kräutern. „Diese Gemische bringen eine gute Leistung und die Bestände werden durch den Anbau mehrere Arten robuster.“ Auch Forschung hinsichtlich der Verringerung der bei höheren Temperaturen ansteigenden Zellwandbestandteile des Grases sowie die Möglichkeit, mit virtuellen Zäunen ein Weidemanagement zu betreiben, das die Herde jeweils partiell zu den optimal entwickelten Teilgrasflächen führe, seien denkbar, um Futterknappheit zu vermeiden. Theoretisch sei es auch sinnvoller, Teilflächen nach Reifegrad zu silieren statt alle Flächen gleichzeitig, wobei dies aber in der Praxis allein aufgrund der dafür notwendigen Eigenmechanisierung wohl kaum zu realisieren sei.

Welche Möglichkeiten die Futterkonservierung bietet, um Verluste auf ein Minimum zu reduzieren, skizzierte Dr. Klaus Hünting, Landwirtschaftskammer NRW, praxisnah am Beispiel des Versuchs- und Bildungszentrums Haus Riswick. Seine Hinweise, was im Einzelnen getan werden kann, sind in LZ 17 nachzulesen, daher hier nur zwei interessante Aspekte: Liegen die Verluste beim Silieren bei 5 %, so entstehen 5,3 % CO2/dt Futter, bei Verlusten von 25 % steigen die CO2-Verluste auf 33,3 %. Zum anderen verwies Hünting auf die anstehende Aufnahme paraffinischer Kraftstoffe in die 10. Bundes-Immisions-Schutz-Verordnung. Dann sei aufbereitetes Pflanzenöl als Kraftstoff einsetzbar. „In Haus Riswick würde der Einsatz dieser Pflanzenöle den CO2-Ausstoß um 70 % reduzieren“, errechnete der Referent.

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