Spannende Informationen und eine angeregte Diskussion rund um die Produktion von Insekten als Tierfutter gab es bei der Generalversammlung des Kreisvereins für Schweinehaltung Viersen-Krefeld Ende Februar. Vereinsvorsitzender Stefan Kochs und Tierzuchtberater Theo Lenzen hatten ins Haus der Wirtschaft Viersen eingeladen.
Aus Bergkirchen bei München angereist waren Thomas Kühn und Thomas Baumann von der Firma FarmInsect GmbH, die der Landwirtschaft ein konkretes Angebot macht, in die zukunftsträchtige Produktion von Futterprotein einzusteigen. Außerdem waren Experten von Maschinenbaufirmen, Stalleinrichtern, Veterinäramt, Hochschule und Banken anwesend, um gemeinsam mit den Landwirten über das Thema zu diskutieren und Fragen zu beantworten.
Zunächst stellte Geschäftsführer Thomas Kühn seine Firma FarmInsect vor, die er gemeinsam mit Wolfgang Westermeier vor rund fünf Jahren gegründet hat, um nichts weniger als den Klimawandel zu stoppen – also einen Beitrag dazu zu leisten. Ihre Vision ist es, Soja und Fischmehl in der EU komplett durch nachhaltige Insektenprodukte zu ersetzen. Dafür holen sie sich Landwirte ins Boot, bei denen vor Ort die Reststoffe, mit denen die Insekten gefüttert werden, vorhanden sind. Durch dezentrale regionale Insektenmast in landwirtschaftlichen Betrieben sollen die Mengen zusammenkommen, die der Markt bereits jetzt schon und in Zukunft voraussichtlich noch um ein Vielfaches mehr fordern wird. Noch liegt der Fokus des Absatzes im Heimtierbereich, aber in der Fütterung von Schweinen, Geflügel und Fischen werden Insekten künftig auch eine wichtige Rolle spielen, wenn sie preislich mit Soja und Fischmehl konkurrieren können.
Das Konzept von FarmInsect sieht so aus: Der Landwirt kauft die Mastanlage von der Firma und lässt sich die Junglarven von ihr liefern – für die Reproduktion seien viel Knowhow und Personal erforderlich, das könnte man besser Spezialisten überlassen. Der Landwirt füttert die Larven eine Woche lang mit seinen Reststoffen nach Rezeptur von FarmInsect. Dann kann er sie an seine eigenen Tiere verfüttern, an Kollegen weiterverkaufen oder an FarmInsect zurückverkaufen, die sie dann vermarkten.
Die Gründer haben sich unter den zugelassenen Insekten für die Schwarze Soldatenfliege entschieden, weil sie einige Vorteile bietet: Sie ist ein effizienter Futterverwerter mit breitem Futterspektrum, die Larven wachsen schnell und lassen sich in sieben Tagen mästen, ihr Aminosäurenprofil ist optimal für die Ernährung von Schweinen, Geflügel und Fischen, ihre Produktion birgt keine Umweltrisiken. Inzwischen gibt es allerlei Studien zur Wirkung von Insekten als Tierfutter. So reduziert die Beimischung von Insektenprotein bei Geflügel das Federpicken und bei Schweinen das Schwanzbeißen.
Thomas Kühn informierte auch über den rechtlichen Rahmen für Insekten als Nutztier und als Futtermittel. Die Schwarze Soldatenfliege zählt als landwirtschaftliches Nutztier und darf ausschließlich mit EU-rechtskonformen Futtermitteln gefüttert werden (das Insekt könnte Mist zwar prima verwerten, ist aber nicht erlaubt). „Bezüglich der Schlachtung der Insekten (Einfrieren, Erhitzen oder Zerkleinern) gibt es bisher keine speziellen Regelungen; sie fallen nicht unter das Tierschutzgesetz, da wirbellose Tiere. Das Verfahren muss mit dem örtlichen Veterinäramt abgesprochen werden. … Wenn keine Verarbeitung der Tiere stattfindet, ist eine Registrierung beim Veterinäramt und der Futtermittelüberwachung ausreichend.“ Wie Kühn fortfuhr, ist im EU Futtermittelkatalog das Verfüttern lebender und toter zugelassener Insekten sowie verarbeitetes tierisches Protein (VTP) daraus an Schweine, Geflügel und Fische erlaubt. Infolge der BSE-Krise ist die Verfütterung von tierischen Proteinen an Wiederkäuer in der EU grundsätzlich verboten. Außerdem muss für den Stallum- oder –neubau beziehungsweise die Umnutzung natürlich ein Bauantrag gestellt werden, erfahrungsgemäß seien die Behörden wohlwollend, da diese nachhaltige Produktion politisch gewollt sei.
Das Mästen von Insekten mit lokalen Reststoffen zur Fütterung von Nutztieren schließt den Kreislauf in der Landwirtschaft und trägt zur Nachhaltigkeit sowie zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und von Importen bei. Außerdem kann der Fraß (abgesiebter Kot, Futtersubstratreste und Chitin der Larven) als Düngemittel verwendet, an Erdwerke verkauft werden oder in der Biogasanlage verschwinden (1 t Insektenfraß entspricht etwa dem Biogaspotenzial von 1 t Maissilage).
Landwirte, die mit dem Einstieg in die Insektenproduktion liebäugeln, sollten sich drei Fragen stellen, betonte Kühn: „Habe ich passende Gebäude (Deckenhöhe) oder muss ich dafür neu bauen? Habe ich bereits regenerative Energien (Wärmequelle) auf dem Hof? Welche Reststoffe habe ich?“ Für ein gutes Mastergebnis müssen in der Klimakammer gleichmäßige Bedingungen herrschen, was mit Luftaustausch, Ventilatoren und Heizung erreicht wird. Gleichzeitig produzieren die wachsenden Larven auch Wärme, die mit Hilfe eines Wärmetauschers zurückgewonnen und genutzt werden kann. Am Tag der „Ernte“ müssen jede Menge Kisten bewegt, ausgeschüttet und wieder neu befüllt werden. Dafür hat FarmInsect einen Roboter entwickelt, der diese schwere Arbeit vollautomatisch übernimmt.
Die Investitionen für eine durchschnittliche Anlage mit vier Kammern inklusive Roboter für 600 t jährliche Larvenproduktion liegen im hohen sechsstelligen Bereich. Je nachdem, wie die Larven genutzt werden - Fütterung an eigenes Geflügel, an eigene Schweine oder Verkauf an die Heimtierfutter-Industrie -, amortisiert sich die Investition laut Berechnungen von FarmInsect nach sechs bis acht Jahren. Betriebskosten für Futter, Energie, Junglarven und Lohn liegen bei gut 300 000 € jährlich. „Voraussichtlich hält so eine Anlage mindestens 15 Jahre“, so Kühn auf Nachfrage.
In der anschließenden Diskussionsrunde hatten die Landwirte viele Fragen zu dem möglichen neuen Wirtschaftszweig. Dabei ging es unter anderem um zuständige Behörden, gesellschaftliche Akzeptanz, Risiken, Wirtschaftlichkeit und Möglichkeit weiterer Automatisierung.
Krankheiten der Schwarzen Soldatenfliege seien bisher nicht bekannt, so Kühn, also auch kein Einschleppen von Erregern in die Geflügel- oder Schweinebestände. In der gesellschaftlichen Diskussion gebe es bisher überwiegend positive Reaktionen, weil Insekten nachhaltiger sind als Soja und Fischmehl. Was die Schweinfütterung betrifft, so könnten die Larven der Schwarzen Soldatenfliege 5 – 15 % der Futtermischung ausmachen. Weniger gebe keine Effekte, mehr sei zu kostspielig.
Gefragt wurde auch nach der Handhabung der Larven nach der Mast: Lebend können die Larven ein paar Tage lang verfüttert werden, gekühlt sind sie bis zu 14 Tage haltbar. Damit sie ohne Futter ihren Energiegehalt behalten, sollten sie dann aber bei 5 °C gekühlt werden, wenn sie nicht am Tag der Ernte verfüttert werden. Zur längerfristigen Lagerung werden die Larven eingefroren. Sollten einzelne lebend verfütterte Larven „entkommen“, so entwickeln sie sich nicht besorgniserregend weiter, zumal die Population viel zu klein wäre zum Überleben.
Üblicherweise sei es auf einem landwirtschaftlichen Betrieb kein Problem, die Larven rund ums Jahr mit Futter zu versorgen. Am häufigsten würde Weizenkleie eingesetzt, die gut lagerbar sei. Und auch silierte Futtermittel könnten genutzt werden. Da die Larven in ihrem Futter auch leben, sollte es eine gewisse Struktur haben. „Reines Mehl ist ungeeignet.“
Auf die Perspektiven angesprochen, prophezeite Thomas Kühn angesichts eines global wachsenden Fleisch- und Fischkonsums bei gleichzeitig begrenztem Angebot an Soja (Anbauflächen) und Fischmehl (Überfischung) steigende Preise für diese Produkte und damit auch gute Chancen für das Ersatzprodukt Insekten. Aktuell sei die Nachfrage nach Insekten seitens der Heimtierfutterhersteller größer als das Angebot. Diese Nachfrage werde auch noch mindestens die nächsten zehn Jahre so bleiben beziehungsweise weiter deutlich ansteigen. Er fokussiere vorerst auf den Heimtier- und den Nutztierfuttermarkt. Wenn die Schwarze Soldatenfliege in Deutschland auch für die Lebensmittelproduktion zugelassen sein wird, stehe seine Firma parat, aber aktuell sei dieser Markt noch vergleichsweise klein.
Die regionale dezentrale Larvenmast auf landwirtschaftlichen Betrieben habe die Vorteile, kostengünstiger an Futtermittel und an die benötigte Wärme zu kommen. Zwar gebe es beispielsweise in den Niederlanden schon große industrielle Insektenproduktionsstätten, aber die hätten höhere Kosten. Daher könnten beide Systeme nebeneinander bestehen, meint der Firmengründer.
In Abwesenheit der Referenten von der Firma FarmInsect wurde das Thema in der Runde weiter diskutiert. Es sei schon verständlich, dass Futtermittelhersteller und Stalleinrichter auf Insekten abfahren, weil denen durch den Rückgang in der Schweineproduktion auch Märkte wegfallen und sie das Knowhow für Gebäudebau und Klimatisierung haben. Man müsse der Realität ins Auge sehen, dass zumindest in Deutschland der Fleischkonsum zurückgeht und man sich als Landwirt nach Alternativen umsehen muss. Global gesehen würden Proteine aus Insekten immer mehr gefragt – ob zur Tierfütterung oder zum direkten menschlichen Verzehr. Ein weiteres Geschäftsfeld seien Öle aus Insekten, entweder als Lebensmittel oder als Kraft- oder Brennstoff. Der Fraß könne nicht nur zu Düngepellets gepresst werden, sondern auch zu Stangen, die Holzstangen ersetzen können. Der Markt bietet offenbar viele Möglichkeiten.
Sabine Aldenhoff