Der Säuren-Basen-Haushalt von Milchkühen wird maßgeblich von den Mineralstoffen Natrium, Kalium, Chlor und Schwefel bestimmt. Es ist bekannt, dass die Gehalte dieser relevanten Mineralstoffe großen Schwankungen unterliegen. Die großen Differenzen zwischen Futtermitteln und auch innerhalb der Futtermittel können bei einer Vernachlässigung bei der Rationsberechnung zu erheblichen gesundheitlichen Folgen bei trockenstehenden und laktierenden Milchkühen führen.
Über den Säuren-Basen-Haushalt wird der pH-Wert in den Körperflüssigkeiten der Milchkühe geregelt. Bei einer metabolischen Acidose überwiegen die Säuren, bei einer Alkalose dominieren die Basen. Acidosen und Alkalosen können über die Messung des Harn-pH-Wertes bestimmt werden. Zusätzliche Informationen über den Säure-Basen-Haushalt lassen sich aus der Messung der Netto-Säuren-Basen- Ausscheidung (NSBA) mit dem Harn gewinnen. Nach Staufenbiel (2007) sind für laktierende Kühe folgende Referenzbereiche anzustreben:
Niedrige NSBA-Werte bedeuten eine metabolische Acidose, bei der vermehrt Calcium aus dem Knochen freigesetzt und zum Teil vermehrt aus dem Magendarmtrakt absorbiert wird. Gleichzeitig wird mehr Calcium mit dem Harn ausgeschieden, so dass langfristige Acidosen zu Knochenentkalkungen führen können. Alle Futtermittel enthalten natürlicherweise eine Reihe verschiedener Salze, die Einfluss auf den Säuren-Basen-Haushalt nehmen. Für die Bestimmung des Effekts auf den Säuren-Basen-Haushalt eines Futtermittels dient die DCAB (Dietary Cation Anion Balance). Als besonders bedeutsame Kationen mit Einfluss auf den pH-Wert gelten Kalium und Natrium. Beide wirken in Richtung einer Alkalose. Als wichtige Anionen mit Wirkung in Richtung einer metabolischen Acidose gelten Chlor und Schwefel.
Aufgrund dieser Erkenntnisse wird die DCAB eines Futtermittels in aller Regel mit der folgenden Gleichung bestimmt:
DCAB (meq/kg TM) = (43,5 x Na + 25,6 x K) – (28,2 x CL + 62,3 x S)
Die Konzentrationsangaben der Mineralien wird hierbei in g/kg TM vorgenommen. Positive DCAB-Werte sprechen für eine alkalisch wirkende Ration. Negative Werte geben einen Überhang an starken Anionen wider, der mit einer Verschiebung des Säuren-Basen-Haushalts in die acidotische Richtung verbunden ist. Wegen der hohen Kaliumgehalte, insbesondere in den Grasprodukten, bewegt sich die DCAB in Milchkuhrationen häufig zwischen 200 und 600 meq/kg TM.
Im Rahmen der Milchfieberprophylaxe findet das DCAB-Konzept schon seit längerem bei der Formulierung von Rationen für Trockensteher Anwendung. Ziel hierbei ist es, durch niedrige DCAB-Werte in der Ration (0 bis bis 100 meq/kg TM) eine leichte metabolische Acidose zu provozieren, um hierdurch die Mechanismen zur Mobilisierung von Calcium aus dem Skelett zu fördern. Diese niedrigen DCAB-Werte werden durch die Zugabe saurer Salze, wie zum Beispiel Magnesiumsulfat, Calciumsulfat, Magnesiumchlorid oder Calciumchlorid, erreicht. Die Einsatzdauer der sauren Salze sollte mindestens 14 Tage betragen. Sie werden bis zum Abkalben gefüttert und sind mit der Kalbung unbedingt abzusetzen. Aufgrund der gesteigerten Calciumverluste über den Harn ist der Calciumgehalt in diesen Rationen auf mindestens 10 g/kg TM anzuheben, was häufig die Zugabe von Futterkalk erforderlich macht. Aus Sicht der Pansenmikroben sollte der Schwefelgehalt von Milchkuhrationen bei mindestens 2 g/kg TM liegen.
Andererseits haben hohe Schwefelgehalte toxische Effekte bis hin zu Tierverlusten. Mit maximal 4 g/kg TM werden diese negativen Auswirkungen sicher vermieden (DLG, 2010). Bezüglich der optimalen DCAB-Werte in Rationen für laktierende Kühe gibt es in der Literatur verschiedene Angaben, die sich aber nicht grundsätzlich unterscheiden. Nach Staufenbiel et al. (2007) sind Werte von 200 bis 350 meq/kg TM anzustreben. Werte großer als 500 meq/kg TM führen zu einer leichten Alkalose mit negativen Auswirkungen auf Futteraufnahme und Milchleistung. Niedrige Werte um 0 meq/kg TM bedingen acidotische Zustände mit negativen Folgen für Stoffwechselaktivität und Klauengesundheit, so dass unverzüglich gegengesteuert werden muss. Die oben beschriebenen Empfehlungen bezüglich der Schwefelversorgung gelten in gleicher Weise auch für laktierende Kühe.
Stroh dient aufgrund seines geringen Energiegehaltes und der hohen Strukturwirkung zur Pansenfüllung. Es ist optimal für den Einsatz in Rationen trockenstehender Kühe geeignet und findet dementsprechend häufig Verwendung. Die Schwankungen der Mineralstoffgehalte, insbesondere von Kalium, bei Grassilagen sind bekannt, so dass diese Parameter häufig zur Standardanalyse gehören. Die Schwankungsbreite der Mineralstoffgehalte und damit auch der DCAB im Stroh wird hingegen häufig unterschätzt. Jedoch wird Futterstroh häufig in hohen Mengen in der Trockensteherfütterung eingesetzt. Aus diesem Grund wurden im Sommer 2020 insgesamt 30 Futterstroh-Proben unterschiedlicher Getreidesorten aus ganz NRW gezogen und bei der LUFA NRW, Münster, auf die für die Berechnung der DCAB auf die relevanten Mineralstoffe analysiert. Bei den einzelnen Proben handelt es sich jeweils um Sammelproben aus mindestens drei Strohballen.
Die Mittelwerte, Minimum und Maximum der DCAB und der relevanten Mineralstoffe der Gesamtheit der Proben sowie des unteren und oberen Probenviertels sind in Tabelle 1 dargestellt. Auffällig ist hier die große Spannweite der DCAB-Gehalte von 34,6 meq/kg TM bis 406,3 meq/kg TM. Die große Spannweite der DCAB wird maßgeblich durch die Kaliumgehalte des Futterstrohs beeinflusst. Sechs der 30 Proben stammen von Stroh aus ökologischer Wirtschaftsweise. Diese Proben weisen mit durchschnittlich 96,6 meq/kg TM eine geringere DCAB auf, als die 24 konventionellen Strohproben mit 161,6 meq/kg TM, siehe Tabelle 2.
Bei den meisten Proben handelte es sich um Gerstenstroh (n = 10), es lagen neun Proben von Weizenstroh vor. Des Weiteren gab es zwei Triticale-Stroh-Proben und jeweils eine Probe von Dinkel-, Roggen- und Hafer/Gersten-Stroh. In Tabelle 3 sind die Analysebefunde der Proben von Gersten- und Weizenstroh aus konventioneller Wirtschaftsweise dargestellt. Auffällig ist, dass die Gerstenstrohproben im Mittel eine knapp 110 meq/kg TM höhere DCAB aufweisen als die Weizenstrohproben.
Um die Auswirkungen der unterschiedlichen DCAB-Gehalte im Stroh auf die Rationsgestaltung zu verdeutlichen, ist in Tabelle 4 eine Beispielration für trockenstehende Kühe dargestellt. Die Ration setzt sich aus einer Grassilage des zweiten Schnitts, Maissilage, Gerstenstroh, Rapsextraktionsschrot und einem Mineralfutter für trockenstehende Kühe zusammen. Es sind die Frischmasse- und Trockenmasseanteile der einzelnen Komponenten sowie die jeweiligen DCAB-Gehalte in meq/kg TM aufgeführt.
Um den Einfluss unterschiedlicher DCAB-Gehalte des Futterstrohs auf den DCAB-Gehalt der Gesamtration darzustellen, wurden zwei Rationen berechnet. Bei der Ration „Stroh DCAB-gering“ wurden die Mineralstoffgehalte und die DCAB der Strohprobe mit der geringsten DCAB verwendet. In der Ration „Stroh DCAB-hoch“ wurden die Mineralstoffgehalte und die DCAB der Strohprobe mit dem höchsten DCAB-Gehalt verwendet. Dementsprechend wies das Gerstenstroh in der Ration „Stroh DCAB-gering“ einen DCAB-Gehalt von 35 meq/kg TM auf. In der Ration „Stroh DCAB-hoch“ wurde Gerstenstroh mit einer DCAB von 406 meq/kg TM eingesetzt. Für die übrigen Futtermittel wurden Tabellenwerte genutzt.
Die Energie- und Nährstoffgehalte der Beispielrationen für eine einphasige Trockensteherfütterung sind in Tabelle 5 dargestellt. Für beide Rationen ist ein Energiegehalt von 5,9 MJ NEL/kg TM und ein Rohproteingehalt von 134 g/kg TM eingestellt. Auch in den weiteren Nährstoffgehalten sind die Rationen identisch, sie unterscheiden sich lediglich in den Mineralstoffgehalten und dementsprechend der DCAB.
Der Einsatz von 2,8 kg Stroh (Frischmasse) mit einer vergleichsweise geringen DCAB von 35 meq/kg TM führt in der dargestellten Beispielration zu einem Gesamt-DCAB-Gehalt von 185 meq/kg TM. In derselben Ration bewirkt der Einsatz eines Strohs mit einer hohen DCAB von 406 meq/kg TM einen gesamten DCAB-Gehalt von 258 meq/kg TM. Das entspricht einem Unterschied von rund 80 meq/kg TM in der gesamten Ration. In der Ration „Stroh DCAB-hoch“ werden die Empfehlungen von maximal 15 g/kg TM mit einem Kaliumgehalt von 17,6 g/kg TM überschritten, dies kann in der Folge zu erheblichen Problemen mit Gebärparese führen. Bei dieser Betrachtung ist zu beachten, dass auch die anderen Futtermittel großen Schwankungen hinsichtlich der Kalium- und DCAB-Gehalte unterliegen. Im ungünstigen Fall kann somit die DCAB noch weiter erhöht werden.
Die Kalium- und DCAB-Gehalte von Futterstroh unterliegen großen Schwankungen. Anhand der berechneten Beispielrationen wird deutlich, dass die großen Schwankungsbreiten der DCAB-Gehalte von Stroh, eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf den Gesamt-DCAB-Gehalt einer Ration haben können. Aus diesem Grund sollte auch das Futterstroh regelmäßig beprobt und analysiert werden. Neben der Bestimmung der Rohnährstoffgehalte sollten, ebenso wie bei allen anderen betriebseigenen Grobfuttern, die Mineralstoffgehalte bestimmt werden. Bei Betrieben mit häufig auftretenden Gebärparesen könnte die Untersuchung des Futterstrohs auf die DCAB einen Aspekt der Ursachenforschung darstellen.
Dr. Jana Denißen, Janna Feldkamp,
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen