Große Niederschlagsdefizite sowie hohe Temperaturen und Verdunstungsraten stellten insbesondere während der Dürrejahre 2018 bis 2020 tierhaltende Betriebe vor große Herausforderungen. Die hierzulande für die Milchviehhaltung üblichen intensiven Weidesysteme stoßen an ihre Grenzen - zulasten der Winterfuttervorräte und der Futterkosten. Bietet Mob Grazing dazu eine praktikable Alternative?
Der Ökobetrieb der Landwirtschaftskammer NRW auf Haus Riswick forscht angesichts der wiederkehrenden Dürreperioden nach alternativen Weidestrategien, um dem von der Wissenschaft prognostizierten Klimawandel zu begegnen und während zunehmender Trockenperioden stabile Grünlanderträge zu gewährleisten. Es geht um die Resilienz, also Anpassungsfähigkeit zukünftiger Weidestrategien an den Klimawandel.
Mob Grazing mit holistischem, ganzheitlichem Ansatz gilt als regenerative Weidestrategie, welche die Wasserspeicherkapazität und Bodenfruchtbarkeit zu verbessern, vermehrt CO2 im Boden zu binden und weitere Ökosystemleistungen, wie die Förderung von Biodiversität, zu leisten vermag. Im April 2021 wurde nach einer kurzen Vorweidezeit auf den Weideflächen des Ökobetriebs mit dieser Art der Rotationsweide begonnen. Der Arbeitsschwerpunkt in diesem ersten Weideversuchsjahr bestand in der praktischen Umsetzung dieser neuen Strategie sowie in der Ermittlung des Weide- und Tierleistungspotenzials. Dazu wurden im Rahmen einer Bachelorarbeit die erhobenen Daten ausgewertet, analysiert, interpretiert und mit Leistungsdaten aus den Vorjahren der Kurzrasenweide verglichen.
Mob Grazing ist vom natürlichen Fressverhalten der Wiederkäuer inspiriert: Bisonherden legten auf Grasland in den Trockengebieten der Erde zur Futteraufnahme weite Distanzen zurück und zogen, eng vereint, dem Futterangebot hinterher. Begrenzte Areale wurden kurz und intensiv mit hoher Besatzdichte beweidet, anschließend folgte eine lange Ruhe- oder Erholungsphase. In der landwirtschaftlichen Praxis wird das Weideverhalten der Tiere mit Hilfe mobiler Zäune gesteuert. Der begrenzte Verbiss im aufgewachsenen Weidebestand und die lange Regenerationszeit ermöglichen es der Pflanzengesellschaft, überwiegend aus Gräsern bestehend, über die verbliebene Blattmasse nach der Beweidung unmittelbar wieder Photosynthese zu betreiben. Die gewonnene Energie wird direkt in vegetatives Wachstum investiert, statt Energie aus der Wurzelmasse mobilisieren zu müssen. So bildet sich mehr Wurzelmasse, wodurch die Bodenstruktur verbessert und vermehrt CO2 im Boden gebunden werden kann - so die Hypothese. Die Weidereste in Form des verbliebenen Aufwuchses und des niedergetrampelten Pflanzenmaterials bilden eine Mulchschicht, die ein begünstigendes Mikroklima erzeugt, welches die Verdunstung reduziert und den Boden vor Austrocknung und Erosion bei Starkregenereignissen schützen kann.
Die Tierbesatzdichte ist eines der Schlüsselmerkmale des Mob Grazing. Angestrebt werden 100 t Lebendgewicht/ha. Eine zu niedrige Besatzdichte führt zu Futterselektion, wodurch schmackhafte Pflanzen einem höheren Weidedruck unterliegen und allmählich verdrängt werden. Währenddessen werden weniger bevorzugte Pflanzen weniger verbissen und können sich zunehmend vermehren. Dieser Effekt verstärkt sich mit fortschreitender Vegetationsperiode, da Nährstoffgehalt und Verdaulichkeit der Pflanzen sinken. Hohe Besatzdichten verstärken den Futterneid und können so selektives Fressen und Verunkrautung reduzieren. Außerdem wird über hohe Besatzdichten eine gleichmäßige organische Düngung über Kot und Harn erzielt, während auf Kurzrasenweiden punktuelle Überdüngung in hochfrequentierten Bereichen, wie Tränken oder Ruheplätzen, stattfindet. Eine hohe Besatzdichte sorgt weiterhin dafür, dass die bei dieser Weidestrategie erwünschten Weidereste niedergetreten und teilweise durch die Klauen in den Boden eingearbeitet werden. Die organische Substanz dient so als Futter für das Bodenleben und bildet eine Mulchschicht, die gleichermaßen vor Erosion und Verdunstung schützt. So kann Oberboden aufgebaut und die Wasserspeicherkapazität erhöht werden.
Die Einteilung der Weide in viele einzelne Parzellen ermöglicht kurze Bestoßzeiten von acht bis 24 Stunden je Weideparzelle. So kann sich der Pflanzenbestand nach intensiver Nutzung regenerieren. Außerdem werden Trittschäden vermieden und der Parasitendruck reguliert.
Der Weideversuch in Riswick wurde im Rahmen der Halbtagsweide mit einer angepassten Zufütterung, einer Mischration, bestehend aus Kleegrassilage, Maissilage, Ackerbohnen und Weizen sowie tierindividuelles leistungsabhängiges Kraftfutterangebot, im Stall durchgeführt. Der Weidestart erfolgte im zeitigen Frühjahr mit der Vorweide im März und April. Nach einer Frühjahrsphase mit ausgeprägten Nachtfrösten setzte erst ungewöhnlich spät mit ansteigenden Temperaturen Anfang Mai die Bodenerwärmung und damit das explosionsartige Frühjahrswachstum ein. Die insgesamt 10,7 ha großen Weiden wurden mit einer mobilen Zaunspinne in je 0,5 ha große, tortenförmige Parzellen unterteilt. 46 Milchkühen starteten zunächst im Rahmen der Halbtagsweide mit einer Weidezeit von acht Stunden tagsüber. So betrug die durchschnittliche Besatzdichte zunächst 55 t/ha.
Während der Sommermonate mit entsprechenden Tageslängen zwischen Juni und September weideten die Kühe der Rasse Deutsche Holstein zwölf Stunden über Nacht (Nachtweide), um Hitzestress zu vermeiden. Aufgrund des hohen Futterangebots während dieser wüchsigen Zeit weidete die Herde zwei Nächte auf jeder Parzelle, so dass die Besatzdichte über 100 t/ha während der Sommermonate betrug. Im Herbst, wiederum bei Tagweide, wurden die Besatzdichten des Frühjahrs erreicht. Jede Parzelle wurde pro Rotation nur einmal bestoßen. Während der Vegetationsperiode wurden insgesamt sechs Weidedurchgänge mit je nach Witterung und Zuwachsvermögen zwischen 25 und 46 Ruhetagen Regenerationszeit erzielt.
Die durchschnittlichen komprimierten Weidebestandshöhenverläufe auf den Mob Grazing-Weiden (MG-Weiden) „Lenzen“ und „Renzkath“, mit dem Herbometer gemessen, starteten im Frühjahr unter Vorweidebedingungen mit 5 bis 6 cm und stiegen dann unter explosionsartigen Wachstumsbedingungen von April bis Juni auf über 16 cm an bis sie dann während der zweiten Vegetationshälfte bis November wieder kontinuierlich bis 6 cm abnahmen, während die mittleren Wuchshöhen auf der „Pappelweide“ als Kurzrasenweide sich zwischen 5 und 7 bis 8 cm bewegten. Die maximale komprimierte Aufwuchshöhe auf den MG-Weiden vor und nach der Beweidung der Weideparzellen wurde während des wüchsigen Frühsommers mit 18,4 cm und 12,5 cm Ende Juni erreicht. Die daraus resultierenden geschätzten Weidereste rangierten von Mai bis Oktober zwischen 30 und 60 %, mit den Höchstwerten im Sommer (Juni/Juli) und einem Durchschnittswert von knapp 40 %.
Der Gesamtertrag der MG-Weiden lag bei 113,5 dt TM/ha, während der Ertrag auf der Kurzrasenweide (Vergleichsfläche) mit 105,7 dt TM/ha etwas geringer ausfiel, wie aus Grafik 1 ersichtlich. Auffällig war, dass der Ertrag auf den Mob Grazing-Flächen, auf fünf Schnitte verteilt, stabiler war, während der Ertrag auf der Vergleichsfläche stärker schwankte. Auch die Energiegehalte waren mit 69 000 zu 67 000 MJ NEL/ha auf den Mob Grazing-Flächen etwas höher und stabiler. Im Vergleich zu den Dürrejahren 2018 bis 2020 lag der Gesamtertrag bis zu 43 dt TM/ha höher. Die Grafik 2 verdeutlicht den negativen Einfluss der langen Ruhe-Regenerationszeiten auf den im Vergleich zur Kurzrasenweide reduzierten Weißkleeanteil, der seinerseits die intensive Dauerbeweidung liebt.
Die Milchleistung konnte während der Weideperiode 2021 mit durchschnittlich 28,3 kg ECM pro Kuh und Tag mit 4,14 % Fett und 3,18 % Eiweiß sowie 192 ppm Harnstoff beziffert werden. Bei einem mittleren Kraftfuttereinsatz von 4 kg/Kuh/Tag ergab sich eine Kraftfuttereffizienz von 142 g KF je kg Milch. Bezüglich der Körperkonditionsgrößen Lebendgewicht und Body-Condition-Score (BCS-Bonitur) sowie der Eutergesundheit und weiterer tiergesundheitsrelevanten Parameter waren zunächst noch keine signifikanten Veränderungen erkennbar, die auf den Weidestrategiewechsel zurückzuführen wären.
Die Milchleistung aus der Weide betrug im Jahr 2021 10 347 kg ECM pro ha und 2 406 kg pro Kuh. Damit lag insbesondere die Milchproduktion pro ha deutlich höher als in den vorherigen drei extremen Dürrejahren. Zum Vergleich: Das Tief zwischen 2015 und 2021 war 2019 mit 8 050 kg ECM/ha und 1 789 kg ECM/Kuh erreicht, während 2016 die Höchstwerte in diesem Zeitraum mit fast 14 000 kg ECM/ha und 2 633 kg ECM/Kuh produziert wurden. Im überaus wüchsigen Weidejahr 2016 wurde mit 126,2 dt TM/ha auch der größte Weidefutterertrag in diesem Zeitraum geerntet.
Die täglich neue Parzellenzuteilung mit Weidespinnen sowie die Wasserfassbereitstellung erfordert einen gewissen Arbeitsaufwand. Ebenso bestehen Planungs- und Managementanforderungen, um die Strategie erfolgreich zu implementieren. Andererseits gilt Mob Grazing als „Low-Input-Verfahren“, da keine Weidepflege- und Düngungsmaßnahmen anfallen.
Die zugeteilte Parzellenform entscheidet über das Weideverhalten der Tiere. So führen längliche Parzellenzuteilungen zu mehr Weideresten; quadratische Weideareale sorgen hingegen für homogeneren Verbiss und eine geringere Futterselektion. Die Relation der Länge zur Breite einer Parzelle sollte unter 4:1 liegen. Tendenziell gilt, dass Rotationsweidesysteme eher geringere tierindividuelle Leistungen, jedoch höhere Flächenleistungen als Kurzrasenweiden aufweisen.
Während der Zeit der Frühjahrsweide werden keine Akzeptanzunterschiede zwischen beiden Weidesystemen festgestellt. Die junge Frühjahrsweide ist konkurrenzlos schmackhaft, energiereich und hoch verdaulich und wird von den Kühen stets präferiert. Ab Frühsommer (Juni) gewinnt unter Halbtagsweidebedingungen das Futterangebot im Stall an Bedeutung und die Kühe weiden weniger effizient auf der Kurzrasenweide. Anders auf der Mob Grazing-Weide: Die Kuhherde weidet begeistert während der ganzen Vegetation bis in den Spätherbst hinein auf den täglich neu zugeteilten regenerierten Weideparzellen.
Erste Erfahrungen und Erkenntnisse zeigen, dass Mob Grazing als resiliente Weidestrategie zunächst Potenzial hat, stabile Erträge und Milchproduktion und -leistung aus der Weide zu erzielen. Im Ökobetrieb Haus Riswick wird der Fokus zukünftig darauf liegen, das Weidemanagement weiter klimaresilient anzupassen und zu optimieren. Die wissenschaftliche Untersuchung weiterer Parameter, die Ökosystemdienstleistungen, wie Biodiversität, Erosionsschutz oder Wasserspeicherkapazität, betreffen, wird in den nächsten Jahren Aufschluss darüber geben, welchen Mehrwert diese Weidestrategie Mob Grazing erbringen kann. Interessant wird sein, wie solche Leistungen zukünftig monetär bewertet und honoriert werden.
Diesbezüglich ist die zuvor erwähnte, potenziell höhere Kohlenstoffsequestrierung bei Betrachtung des zunehmend aufkommenden Themas Carbon Farming durchaus zu nennen. Beim Carbon Farming geht es darum, über regenerative Bewirtschaftungsformen, wie Mob Grazing, anthropogenen Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden zu speichern, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Der finanzielle Anreiz für Landwirte basiert auf dem Handel mit sogenannten CO2-Zertifikaten und kann sehr lukrativ sein. Die Forderungen des Deutschen Grünlandverbandes hinsichtlich einer Anpassung der Eco-Schemes zugunsten der Bewirtschaftung von Dauergrünland ab 2024 können ein weiterer Schritt in diese Richtung sein. Landwirten und Landwirtinnen, die Interesse daran haben, Mob Grazing auf ihren Betrieben zu implementieren, muss klar sein, dass es sich keineswegs um ein starres Konstrukt handelt, dessen Parameter strikt eingehalten werden müssen, sondern um eine Strategie, die in jedem Betrieb individuell umgesetzt werden kann.
Ferdinand Oesterwind, Hochschule Rhein-Waal,
Anne Verhoeven, Landwirtschaftskammer NRW
Um die Produktivität der Weidestrategie Mob Grazing zu erfassen, wurde eine Reihe von Parametern erfasst, darunter die Weidedauer je Tag, die beweidete Parzelle und auf Basis dessen die Regenerationszeit der Parzellen. Außerdem die Besatzdichte (in t/ha), die mit dem Herbometer ermittelte komprimierte Wuchs- oder Bestandeshöhe vor und nach Beweidung sowie die geschätzten Weidereste nach Beweidung. Zur Ermittlung der Weideleistung wurden die Erträge hinsichtlich ihrer Quantität (dt TM/ha), Qualität (MJ NEL/ha) und der Ertagsanteile (Gräser, Klee, Kräuter) analysiert. Die tierischen Leistungsdaten wurden über tägliche tierindividuelle Milchleistungsmessungen sowie über wöchentliche Milchleistungskontrollen nach der MLP-Routine durchgeführt. Monatlich wurden die tierindividuellen Körperkonditionen mit Hilfe des Body-Condition-Score (BCS) und des Lebendgewichts ermittelt.
Um die Milchleistung aus der Weide zu berechnen, wurden die gefressenen Mischrationsmengen mit ihren Einzelkomponenten als Herdenmittel täglich erfasst und analysiert, ebenso der tierindividuelle Kraftfutter-/Milchleistungsfutter-Einsatz. Die Weideleistung wurde dabei nach Anteilsmethode, bei der sich Weideleistung sowie Erhaltungsbedarf aus der anteiligen Energiebedarfsdeckung aller Futterkomponenten ergibt, berechnet. Die Berechnung der Milchleistung aus der Weide ermöglicht eine interdisziplinäre Interpretation des Flächenleistungs- und Milchleistungspotenzials der Weidestrategie Mob Grazing. Da die Weideflächen ausschließlich geweidet und nicht gemäht wurden, beschreibt die Milchleistung aus Weide gleichzeitig auch die Produktivität der Weide als solche.