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Ressourcenschonende Weide managen

22.03.2022

Weidemilch gewinnt in der Umwelt- und Klimabilanz. So zumindest das Ergebnis einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA), welche die Umweltwirkungen verschiedener Milchproduktionssysteme in Deutschland analysiert und deren Umweltschadenskosten berechnet hat. Auch deshalb müsste die Weide in der Praxis wieder an Bedeutung gewinnen.

Kein anderes Grundfuttermittel ist so günstig und so verlustarm geerntet wie Weidegras, wenn es ins Maul der Kuh wächst. Es verdient als Grundfuttermittel für Wiederkäuer also größtmögliche Aufmerksamkeit. Mit mittleren Energiegehalten von 6,8 MJ NEL, im Frühjahr sogar über 7 MJ NEL je kg Trockenmasse und Rohproteingehalten von 20 % und mehr lässt es gute Silage- und Heuqualitäten schnell hinter sich.

Grund dafür ist die Nutzung im frühen blattreichen Stadium; die Weidetiere fressen fast ausschließlich Blattmasse und dies bei guter Weideführung bis in den späten Herbst hinein. Neben dem Nutzungszeitpunkt nehmen im Hinblick auf die Produktivität der Weide noch andere Faktoren eine wichtige Rolle im Management ein: Witterung, Zusammensetzung des Pflanzenbestandes, Düngemanagement, Zufütterung im Stall und das Weidesystem selbst. Auch nicht minder zu werten sind positive Effekte für die Tiergesundheit und Vitalität der Herde. Ob arbeitswirtschaftliche Vorteile auch genutzt werden können, hängt sicher von der Flächenarrondierung ab. In einem effizienten Weidesystem sind die Anforderungen des Pflanzenbestandes mit den Bedürfnissen der Weidetiere bestmöglich abgestimmt.

Weidestart mit Vorweide

Mit steigenden Tages- und Bodentemperaturen im März trocknen die Mäh- und Weideflächen meist schon gut ab, so dass mit der Vorweide begonnen werden kann, auch wenn noch kein nennenswerter Futteraufwuchs erkennbar ist. Sobald die Flächen tragfähig und trocken sind, kann mit einer stundenweisen Vorweide begonnen werden. Auch wenn das Wachstum dann nochmals durch Kaltwetterphasen eingebremst wird, sollten Weidebetriebe zu diesem Zeitpunkt stets bereit sein für den Start in die neue Weidesaison. Von einer gut geplanten Vorweide profitieren sowohl die Tiere als auch der Pflanzenbestand. Der frühe Zeitpunkt im Frühjahr mit noch geringem Grasaufwuchs verhindert ein hastiges Fressen und ermöglicht eine kontinuierliche Futtergewöhnung. Zudem fördert die Überweidung eines jungen Pflanzenbestandes die Ausbreitung weideverträglicher Gräser, da diese, im Gegensatz zu den Schnittflächen, weniger Konkurrenz um das Licht erfahren und so für eine höhere Trittverträglichkeit der Grasnarbe sorgen. Es sind vor allem weidetaugliche Untergrasarten, die sich durch den mechanischen Reiz eines frühen Verbisses vermehrt bestocken.


Nebenwirkung Bestandsregulierung 

Ein weiterer Effekt der Frühjahrsweide ist das Zurückdrängen von unerwünschten Arten, wie Ampfer, Bärenklau oder auch der Hahnenfuß, da diese Arten schon im frühen Entwicklungsstadium gerne verbissen werden. Die Rosettenblättchen des Ampfers zeigen sich bereits ganz früh nach Vegetationsbeginn und werden dann schon während der Vorweide verbissen, was die Ampferpflanzen erheblich schwächt. In diesem sehr jungen Stadium fressen die Kühe den Ampfer gerne; im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium enthält er unter anderem viel Oxalsäure und wird deshalb von den Tieren verschmäht. Zudem bremst der Verbiss Gräser und Kräuter, die sich sehr früh entwickeln, wie Wiesenfuchsschwanz und Löwenzahn im Wuchs.
Auch der frühe Tritt der Weidetiere wirkt positiv auf den Pflanzenbestand. Doldenblütige Gewächse, wie Wiesenkerbel oder Wiesenbärenklau, reagieren empfindlich, die Gemeine Rispe wird zurückgedrängt. Dieses unerwünschte Gras besitzt oberirdische Ausläufertriebe, die beim Weidegang durch den Tritt zerteilt werden und die Pflanze schwächen.

Diese Effekte werden besonders in der Zeit von Vegetationsbeginn bis zum ersten Schnitt erreicht. In diesem frühen Entwicklungsstadium der Pflanzen selektieren die Weidetiere nicht und fressen alles, was sie vorfinden. Wird den unerwünschten Arten in diesem Stadium die grüne Blattmasse ständig abgefressen, vertragen sie dies nicht. Die Kombination aus Viehtritt und ständigem Abweiden der Pflanzen fördert die Bildung von Seitentrieben und ist damit hauptverantwortlich für eine dichte Grasnarbe. Besonders Wiesenrispe und Weißklee werden durch das ständige Abweiden zur Triebbildung angeregt.

Nachsaat während der Vorweide

Auf Flächen mit Mäuseschäden, Maulwurfshügeln und lückigen Narben passt eine gezielte Nach- oder Übersaat perfekt zur Vorweide, da die Kühe den bestehenden konkurrierenden Aufwuchs kurzhalten. Der Tritt stellt den Bodenschluss von Saatgut und Boden sicher. Die Nachsaat, idealerweise eine Qualitätsmischung nach den Empfehlungen des Verbandes der Landwirtschaftskammern (Standard GV mit oder ohne Weißklee), kann zügig keimen und sich etablieren. Bestände wandeln sich dann erstaunlich schnell in Dichte und Ertragreichtum.

Erfahrungsgemäß richten die Kühe auf noch winterfeuchten Flächen weniger Schaden an als die Pflegetechnik. Die maschinelle Frühjahrsweidepflege mit Schleppen und Walzen kann nach der Vorweide folgen. Dabei verteilt man die Kotfladen zeitnah auf den geplanten Schnittflächen wieder.


Kontinuierliche Futtergewöhnung

Die Vorweide ermöglicht eine gleitende Fütterungsumstellung der Kühe von der Winter- auf die Grasfütterung. Der Grasanteil steigert sich langsam mit zunehmendem Wachstum. Die Anpassung des Pansenmilieus dauert bis zu mehreren Wochen und kann so schonend für die Tiere erfolgen: Die Umstellung von der Winterfütterung auf die Frühjahrsweide bedeutet eine deutliche Veränderung der Futterzusammensetzung. Aktuelle Forschungsergebnisse zur Weideübergangsfütterung zeigen, dass die Vormägen der Wiederkäuer mit ihren Pansenmikroben Zeit benötigen, um sich optimal an den Rationswechsel zu gewöhnen. Der zeitige Weideaustrieb bietet den Wiederkäuern eine sanfte Futterumstellung, da Graswachstum, Weidezeiten und Weidefutteraufnahme im Laufe des Frühjahrs kontinuierlich ansteigen. Der Pansen und die darin lebenden Mikroorganismen können sich zunehmend auf den Futterwechsel einstellen. So wird mit der zeitigen Überweideung automatisch eine kontinuierliche Anpassung des Wiederkäuers und der Pansenmikroben an das hoch verdauliche energiereiche Weidefutter im Frühjahr erzielt.

Zunächst sollten die Kühe noch im Stall gesättigt auf die Stundenweide gehen, mit einer bis drei Stunden pro Tag und zwei bis drei Kühen pro ha. Später wird das Futterangebot im Stall reduziert und die Weidezeit ausgedehnt. So erfolgt die schonende Fütterungsumstellung. Wenn das Weidegrasangebot dann nach wenigen Wochen voll einsetzt, sind sowohl Wiederkäuer als auch Pansen auf die Weide umgestellt und damit kann das Weidefutter optimal verwertet und in Milchleistung umgesetzt werden. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ermöglichen die begrenzte Weidedauer und der noch spärlich vorhandene Aufwuchs einen fließenden Übergang von der meist stärkereichen Winterration mit Maissilage und Kraftfutter zur Weidefutterration mit Gräsern, Leguminosen (Weißklee) und Kräutern (Löwenzahn). Aufgrund des höheren Zuckergehalts des Grases gegenüber Silagen ist zu empfehlen, den Kraftfutteranteil, besonders den Anteil an leichtlöslichen Kohlehydraten im Getreide, zu reduzieren. Dadurch kann einer möglichen Pansenübersäuerung oder einer Pansenblähung entgegengewirkt werden. Steigt der Harnstoffgehalt in der Tankmilch, ist auch die Anpassung des Milchleistungsfutters sinnvoll.

Leistungsgruppen bilden

Bei der Vollweide wird den Tieren im Stall kein zusätzliches Grobfutter angeboten, nur eine angepasste Mineralstoffversorgung. Auf diese Weise werden die Weideaufwüchse am besten, also besonders verlustarm und ressourcenschonend, genutzt. Kühe, die wissen, dass im Stall eine hochwertige, schmackhafte Mischration auf sie wartet, werden die Weidenarbe nicht vernünftig pflegen. Spätestens nach der besonders schmackhaften Frühlingsphase auf der Weide werden die Kühe ab Juni am Weidetor warten und in den Stall zum alternativen Futter drängen.

Bei hohen Einzeltierleistungen von mehr als 25 kg Milch/Tag wird eine Kraftfutterergänzung mit Pansen schonenden Komponenten, wie Körnermais nötig. Die maximale Kraftfuttermenge ist auf 3 kg je Tier täglich zu begrenzen. Es gilt immer zu bedenken, dass jede Zufütterung im Stall kostengünstiges Weidegras verdrängt und Ressourcen verbraucht. Obwohl kurzes Weidegras höchste Energiegehalte je kg TM aufweist, ist bei Weidegang die Gesamtenergieaufnahme begrenzt, da die Futteraufnahme den limitierenden Faktor darstellt. Praxisbetriebe mit zwei Leistungsgruppen füttern aus diesem Grunde häufig die Hochleistungsgruppe mit den Frischmelkern mit entsprechendem kostenintensiven Energieaufwand im Stall aus und gewähren den tragenden Tieren dann Weidegang.


 

Holistische Systeme unter Trockenheitsbedingungen

In allen herkömmlichen Weidesystemen - Kurzrasenweide, Umtriebsweide, Portionsweide - geht es um eine Weideverlustminimierung. Anders in holistischen Systemen: Hier gelten Weidereste nicht als kostenintensive Verluste, sondern sind systembedingt erwünscht und sollen zur Förderung eines aktiven Bodenlebens beitragen. Inwieweit holistische, also ganzheitliche Weidestrategien, wie das Mob Grazing, unter Trockenheitsbedingungen funktionieren, werden aktuell an verschiedenen Standorten in Deutschland, so auch im Ökobetrieb des VBZL Haus Riswick, erprobt.

Mob Grazing ist eine Weidestrategie für zur Trockenheit neigende Standorte und deren Pflanzenbestände. Es handelt sich um eine Art optimierte, intensive Portionsweide innerhalb einer Koppel. Fünf Merkmale sind dabei wesentlich:

  1. Hohe Tierbesatzdichte
  2. Kurze Beweidungsdauer
  3. Lange Ruhe- und Erholungszeiten
  4. Hoher Aufwuchs
  5. Bildung einer Mulchschicht.

Weitere Hinweise unter www.mob-grazing.de.

 


Verluste bei der Futterkonservierung

Eine optimierte Weidehaltung kann hinsichtlich der Futtereffizienz zusätzlich punkten: Die konsequente Beweidung von kurzem Gras minimiert Weideverluste oder Weidereste. Im Vergleich dazu sind die Verluste bei Konservierung des Futters bis zum Maul des Tieres erheblich. In einem von der LfL Bayern durchgeführten Projekt zur effizienten Futterwirtschaft wurden an den Lehr-, Versuchs- und Fachzentren die Verlustquellen von der Erntemenge vom Feld bis hin zu den tatsächlich gefressenen Futtermengen ermittelt. Dabei wurden Verluste bis zu 30 % der Trockenmasse berechnet.

Trittschäden und Weideverluste

Bei unsachgemäßer Weideführung können zum Teil erhebliche Verluste durch Tritt, Verschmutzung und Überalterung der Bestände auftreten. Durch die Wahl des für den Betrieb geeigneten Weidesystems gilt es, die Weideverluste zu minimieren. Das System der Kurzrasenweide beruht auf dem Prinzip der Abstimmung zwischen täglichem Futterzuwachs und Futterverzehr auf der Weide. Das Futterangebot ist dabei knapp zu halten, damit der gesamte Aufwuchs möglichst verlustarm gefressen und über eine entsprechende Flächenzuteilung gesteuert wird. Das Beweiden von kurzem Gras im Rahmen der Kurzrasenweide oder der intensiven Umtriebsweide garantiert höchste und gleichbleibende Futterqualität während der gesamten Vegetationszeit, eine ausreichende und gleichmäßige Niederschlagsverteilung vorausgesetzt. Gleichzeitig werden die Futterverluste im Gegensatz zur Konservierung minimiert. Die Umsetzung einer Vollweidehaltung animiert die Tiere am besten zum intensiven, verlustarmen Weiden.

Weidereste minimieren

Eine effiziente Weidenutzung erfordert eine gute Ausnutzung des Graszuwachses möglichst ohne Verluste in Form von nicht abgefressenem oder niedergetretenem Weidefutter. In der Praxis spielen mehrere Faktoren zusammen, welche die Weideeffizienz maßgeblich beeinflussen können. Einerseits ist es der Graszuwachs, der in Abhängigkeit der Witterung im Jahresverlauf starken Schwankungen unterliegt. Ein effizientes Weidemanagement erfordert hier rasches Handeln in der Anpassung der Flächenzuteilung. Schwankungen des Futterzuwachses auf der Weide können aber auch durch eine abgestimmte Zufütterung im Stall ausgeglichen werden. Andererseits ist es aber genau die Ergänzungsfütterung im Stall, die einen entscheidenden Einfluss auf das Fressverhalten auf der Weide nehmen kann. Im Stall gesättigte Kühe werden weder effizient weiden, noch die Weidenarbe pflegen. Wird mehrmals am Tag Futter im Stall vorgelegt, zum Beispiel bei Melkroboterbetrieben oder bei hohen Einzeltierleitungen, brauchen Kühe einen Anreiz, um auf die Weide zu gehen - speziell im Sommer. Dieser Anreiz kann geschaffen werden, indem zum Beispiel auch auf der Weide in regelmäßigen Abständen frisches Weidefutter zugeteilt wird. Aber auch das Angebot von ausreichend frischem Wasser begünstigt den Aufenthalt auf der Weide.


Anne Verhoeven,

Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

 

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