Der rechtzeitige Start in die Weidesaison bestimmt die Zusammensetzung und Entwicklung des Pflanzenbestandes. Elementar ist insbesondere die kontinuierliche Gewöhnung der Tiere an das Weidefutter während der Vorweide. Dieses Anweiden bietet eine Win-Win-Situation für Pflanzen und Tiere und legt außerdem den Grundstein für eine anschließend erfolgreiche Weidesaison.
Unter einer Vorweide versteht sich eine frühzeitige, temporäre Haltung der Tiere auf den Weideflächen. Sie dient einerseits der Entwicklung des Pflanzenbestands und andererseits dem Wohlbefinden der Tiere. Es wird die Bestockung erwünschter Weidegräser sowie die Trittfestigkeit gefördert und gleichzeitig gewöhnen sich die Wiederkäuer durch den regelmäßigen Weidegang kontinuierlich an den Weideaufwuchs.
Ausschlaggebend ist der rechtzeitige Start beim Anweiden nach dem Winter. Das Spitzen der Gräser signalisiert den Startzeitpunkt, Kräuter wie Ampfer und Bärenklau sollten sich im frühen Blattstadium befinden und die Obergräser etwa 8 bis 10 cm hoch sein. Sobald die Flächen tragfähig sind, können die Tiere langsam auf die Weiden zum Grasen getrieben werden. Je nach klimatischen Verhältnissen kann der erste Austrieb im Frühjahr bei trockenen Bodenverhältnissen schon im März erfolgen.
Hier gilt die stundenweise großflächige Weidegewöhnung! Die Tiere fressen zeitig wachsendes Unkraut und regen die Bestockung durch das Kürzen der frühen Obergräser an. Dadurch entwickelt sich anschließend eine dichte und trittfeste Grasnarbe - elementar im Weidemanagement für eine erfolgreiche Weidesaison. Mit ansteigenden Weideaufwüchsen nehmen Weidezeit und Weidefutteraufnahme der Weidetiere/Wiederkäuer zu.
Die Anzahl der Tiere pro ha ist stark von den zu beweidenden Flächen und dem Weidesystem abhängig. Es macht zudem einen Unterschied, ob sich die Tiere im Frühjahr oder im Herbst auf der Weide befinden.
Bei einem angenommenen Grünlandertrag von etwa 80 dt TM/ha gelten für eine Kurzrasenweide folgenden Richtwerte:
Weidephase | Vorweide | Frühjahrsweide | Sommerweide | Herbstweide |
Zeitraum | März-April | April-Mai-Juni | Juni-Juli-August | September-Oktober-November |
Kühe/ha | 1 bis 3 | 4 bis 6 | 3 bis 4 | 1 bis 3 |
Ziel ist eine kontinuierliche Gewöhnung der Wiederkäuer an das Weidefutter. Das bedeutet, dass die Tiere im Stall weiterhin die Winterration erhalten, so dass sich die Pansenbakterien an das wasser- und eiweißreiche Grünfutter gewöhnen können und die empfindliche Pansenflora im Gleichgewicht bleibt. Die Vorweide eignet sich hierfür perfekt: Die Tiere gewöhnen sich allmählich an das energiereiche, hoch verdauliche Weidefutter.
Die letzte Saison hinterlässt oftmals Spuren - neben lückigen Beständen können auch Maulwurfshügel die Qualität der Weideflächen negativ beeinflussen. Der Zeitpunkt der Vorweide eignet sich ideal für eine gezielte Nach- oder Übersaat. Der bestehende Weideaufwuchs wird von den Kühen kurzgehalten, so dass die Nachsaat zügig keimen und anwachsen kann. Lückige Bestände können sich so zu stabilen und ertragsreichen Weideflächen entwickeln.
Anne Verhoeven, Landwirtschaftskammer NRW
Im Rahmen der Vorweide mit einer geringen Tierbesatzstärke pro Hektar nehmen die Kühe natürlich noch keine großen Weidefuttermengen auf; sie fressen nur die ersten Spitzen und regen so die Bestockung der Gräser bestens an. Die Vorweide dient also weniger der Sättigung der Kühe als vielmehr der Bestockung der Gräser sowie der Zurücksetzung frühblühender Kräuter, wie Vogelmiere und Scharbockskraut, und Gräser, wie Wiesenfuchsschwanz und Wolliges Honiggras. Die Kühe fressen in der Regel diesen ersten Aufwuchs zusätzlich zur Stallration. Das hat einen positiven Einfluss auf die Milchleistung. Um Pansenblähungen und dünne Kotkonsistenz zu vermeiden, sollten die Kühe zu dieser Zeit nur sattgefüttert aufgetrieben werden.