Aktueller Inhalt:

Ökomilchviehtagung: Grünland optimal nutzen

04.12.2023

Schnittnutzung oder Beweidung? Die Ausschöpfung der Potenziale von Weide, Futterbau und Konservierung stand bei der 14. Öko-Milchviehtagung Ende November am ersten Veranstaltungstag im Fokus. Online oder in Präsenz in Haus Riswick in Kleve verfolgten die Teilnehmer die Tipps der Fachreferenten und Praktiker und nutzten die Gelegenheit zum Fragenstellen.

Den Einstieg in den Vortragsreigen machte Hubert Kivelitz, Referent für Grünland, Futterbau und Zwischenfrüchte der Landwirtschaftskammer NRW, mit Hinweisen, wie sich von Grünlandflächen möglichst hohe Proteinerträge holen lassen. „Es gibt im Grünland große Potenziale zur Steigerung von Proteinkonzentration und -ertrag. Vor allem in kleearmen Beständen lässt sich die Proteinkonzentration am stärksten über Schnittzeitpunkt und Schnitthäufigkeit beeinflussen; optimal ist beim ersten Aufwuchs ein Kompromiss aus Ertrag und Qualität, sprich Rohproteingehalt, bei 50 % des Maximalertrags“, so der Referent. Über die Etablierung von Weiß- oder Rotklee ins Dauergrünland lassen sich Proteinerträge und Schmackhaftigkeit des Futters verbessern und zugleich Stickstoff einsparen. Für eine erfolgreiche Nachsaat von Leguminosen im Grünland sollten allerdings vorab die Standortbedingungen geprüft sowie die Düngung angepasst und auf einen pH-Wert >5,5 geachtet werden. „Eine Beweidung fördert den Weißklee“, empfahl Hubert Kivelitz.

Erfolgreich Silieren

Kurze Feldliegezeiten sowie ein sorgfältiges und schnelles Arbeiten bei der Silageerstellung empfahl auch Dr. Christine Kalzendorf, Beraterin für Grünland und Futterkonservierung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, in ihrem Vortrag zum Thema „Grünfutter mit hohen Protein- und Energiegehalten konservieren: Erfolgreiche Futterkonservierung nicht ohne Siliermittel?!“. „Siliertechnische Maßnahmen für beste Silagequalitäten beginnen bereits auf dem Feld mit Schnitthöhen von 7 bis 8 cm, maximal 24 Stunden Liegezeit und einer weitgehend schmutzfreien Bergung. Bei der Einlagerung im Silo kommt es auf die gleichmäßige und ausreichende Verdichtung sowie anschließend eine rasche und wirklich dichte Abdeckung an. Siliermittel haben unterschiedliche Wirkungsrichtungen“, fasste Dr. Kalzendorf einige wesentlichen Punkte zusammen. Daher sollte man sich bei der Auswahl fragen, um welche Futterzusammensetzung es sich handelt und welche Ziele verfolgt werden: Gärverlauf, aerobe Stabilität oder Futterwert. Selbstverständlich sollten Siliermittel homogen im Futterstock verteilt werden - „denn sie können nur dort wirken, wo sie hinkommen“, betonte die Referentin.


Praktiker zu Futterwerbung und -konservierung

Carsten Weber, Bio-Milcherzeuger aus Warstein, erläuterte offen und anschaulich, wie er sein Grünland bewirtschaftet und merkte einleitend an: „Eigentlich setzen wir nur die gängige Beratung um.“ Seine Flächen beobachtet er sehr genau, macht regelmäßige Bodenproben und Kontrollen der Grasnarbe beispielsweise beim Güllefahren. Dabei müssten nicht jedes Jahr auf allen Flächen alle Maßnahmen - Striegeln, Schleppen, Anwalzen, Mulchen - durchgeführt werden. Oft müsse der pH-Wert angehoben werden. „Die Kalkung von Grünland ist inzwischen bei uns Standard, auch um die Bodenstruktur zu verbessern und Bakterien und Regenwürmer zu fördern“, meinte der Betriebsleiter. Nachsaat erfolge bevorzugt im Herbst und nur auf lückigen Flächen mit den empfohlenen Standardmischungen. Wichtig sei, anschließend den Saatgutaufgang zu beobachten. „Zu allen Maßnahmen mache ich mir Notizen und To-do-Listen in meinem Smartphone. Sobald die Bedingungen passen, weiß ich dann direkt, auf welchen Flächen was noch zu tun ist.“

Über die Grasbergung und das Einsilieren auf seinem Bio-Milchviehbetrieb im westlichen Münsterland berichtete Jan-Hendrik Barenbrügge sehr anschaulich. Da die Ackerbohnen nicht immer zuverlässige Erträge lieferten, wird aus Kostengründen versucht, so viel Protein wie möglich im Grundfutter zu haben. Zielwerte bei der Grasbergung sind daher die 24-Stunden-Silage, ein möglichst später Schnitt am Ende eines sonnigen Tages für einen hohen Zuckeranteil, eine Schnitthöhe von 8 cm und jedes Jahr neue Messer sowie das Drehen der Messer nach dem zweiten Schnitt. „Bei Flächen mit hohem Klee- oder Luzerneanteil kommen Walzen-Aufbereiter-Mähwerke zum Einsatz, die die Liegezeit für den optimalen Anwelkgrad verkürzen, sodass Bröckelverluste durch zu trockenes Erntegut vermieden werden“, erklärte er weiter. Im ersten Schnitt wird direkt nach dem Mähen gewendet, bei den Folgeschnitten gar nicht.

Beim Schwaden werde die Flächen-Reihenfolge immer individuell abhängig von Aufwuchs und Bestand entschieden. „Dafür ist eine gute Kommunikation zwischen den Fahrern und dem Betriebsleiter bedeutend, ebenso wie beim Häckseln und Einsilieren“, weiß Barenbrügge aus Erfahrung. Die theoretische Häcksellänge soll zwischen 20 und 40 mm liegen. „Diese muss kommuniziert, mit einer Schüttelbox kontrolliert und die Werte notiert werden!“

Für das Verdichten im Silo habe sich ein Radlader für Gras als geeigneter erwiesen, da er schneller ist sowie besser schiebt und verteilt als ein Traktor, so Barenbrügge. Zur Qualitätssicherung wird im ersten Schnitt das Siliermittel BonSilage B Fit G eingesetzt, das über einen Feindosierer am Häcksler verteilt wird. Auch im zweiten und dritten Schnitt wird mit Siliermittel gearbeitet. Direkt nach dem Einlagern wird das Silo dicht abgedeckt und mit einer Doppelreihe Sandsäcke gesichert. Bei der Entnahme wird die Anschnittfläche glatt und geschützt gehalten, um Nacherwärmung und Sauerstoff im Silo zu vermeiden.


Beweidung in Zeiten des Klimawandels

Erfahrungen aus der Versuchstätigkeit im Ökobetrieb Haus Riswick zu intensiv genutzten Kurzrasenweiden teilte Anne Verhoeven, Landwirtschaftskammer NRW, mit. Die Kurzrasenweide ist eine intensive Standweide mit Wuchshöhen von 5 bis 7 cm, die durch die Besatzdichte und gegebenenfalls Zufütterung im Stall gesteuert werden. Ziel ist, die maximale Milchleistung aus der Weide zu ziehen bei minimalen Weideverlusten. Im Ergebnis waren bei der Ganztagsbeweidung die Tierleistungen geringer als bei Halbtagsbeweidung mit Zufütterung im Stall. „Während der drei sehr trockenen Weidejahre am Niederrhein von 2018 bis 2020 ist das System der Kurzrasenweide allerdings deutlich an seine Grenzen gekommen“, betonte die Referentin. Daher habe man in den folgenden Jahren von 2021 bis 2023 mit der holistischen Weidestrategie Mob Grazing experimentiert. Dabei wird das Weideland in kleine Parzellen aufgeteilt, die jeweils nur einen Tag oder zwei Tage intensiv mit vielen Tieren auf kleinstem Raum beweidet werden und sich dann lange, rund 20 bis 60 Tage, erholen können.

Davon verspricht man sich eine bessere Trockenheitsresistenz des Grünlands durch erhöhte Wasserhaltekapazität, weniger Humusverluste durch eine sich bildende Mulchschicht, eine höhere Bodenfruchtbarkeit und eine Steigerung der Biodiversität. „Im Versuchsbetrieb konnte beobachtet werden, dass die Kuhherde - anders als bei der Kurzrasenweide, die offenbar nur im Frühjahr attraktiv ist - die gesamte Saison über bis in den Spätherbst hinein begeistert auf den täglich neu zugeteilten regenerierten Weideparzellen graste. Weitere Versuchsjahre müssen jetzt zeigen, ob die oben genannten Vorteile tatsächlich eintreffen und welche Flächen- und Tierleistungen durch dieses System erzielt werden können“, so Verhoeven. Gegebenenfalls müsse die Idee des Mob Grazings als klimaresiliente Weidestrategie auf die Verhältnisse am Niederrhein angepasst werden.


Rinder ernten komplett selbst?

Maarten Sillekens, Pure Graze Deutschland, gab den Tagungsteilnehmern einige Denkanstöße mit der Vorstellung des Weidekonzepts „Grazing 4 economy“ – Weiden für Wertschöpfung. Dabei beruft man sich auf die funktionierenden Ökosysteme in der Natur, in denen alles ganzheitlich miteinander verbunden ist. Nach dem Verständnis arbeitet der Landwirt mit „Solargeld“, denn das vom Grashalm eingefangene Sonnenlicht, das dieser in Wachstum umsetzt, dient der Produktion von etwas Verkaufbarem, wie Milch, Fleisch oder Nachzuchttieren. Hinzu kommen eventuell noch Ökosystem-Dienstleistungen, wie Landschaftspflege. (Nähere Informationen unter www.landregeneration.de).

Sillekens stellte infrage, ob zwischen dem optimalen Pflanzenwachstum und dem Maul der Tiere tatsächlich so viele vom Menschen erdachte Schritte sein müssen. Dabei betonte er, dass stets die individuelle Situation im Betrieb Ausgangspunkt für Veränderungen sein sollte. „Kosten für Stall, Technik und Arbeiten für die Futterbeschaffung und Mistverwertung lassen sich sparen, wenn Tiere wieder ganzjährig im Freien weiden. Beispiele dafür gibt es in Ostdeutschland. Wo Beweidung nicht möglich ist, kann vielleicht zumindest das Gras frisch geschnitten verfüttert werden, sodass Silierverluste und Lagerungskosten entfallen“, meinte er. Sillekens betonte, dass ihm bewusst sei, dass solche Systeme nicht überall möglich sind, aber er wollte anregen, in Kreisläufen zu denken und besser mit der Natur zusammenzuarbeiten.


Sabine Aldenhoff/LZ Rheinland

Weitere Informationen

Abonnieren Sie den Ökolandbau NRW-Newsletter





Die obenstehende Einwilligungserklärung kann jederzeit formlos gegenüber dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Stadttor 1, 40219 Düsseldorf, (E-Mail: Poststelle@mlv.nrw.de) widerrufen werden: Die von Ihnen auf dieser Seite angegebenen personenbezogenen Daten (zum Beispiel Name, E-Mail-Adresse, Anschrift usw.) werden vertraulich und nur zur Versendung der von Ihnen abonnierten Newsletter des Ministeriums per E-Mail verwendet. Ihre Daten werden ausschließlich auf dem Server des Landesbetriebs Information und Technik NRW gespeichert. Das Abonnement kann von Ihnen auf dieser Seite jederzeit mit sofortiger Wirkung beendet werden. Ihre Daten werden dann unverzüglich gelöscht.