Der Landesbetrieb Information und Technik führte zum Stichtag 3. Mai dieses Jahres eine Auswertung der HIT-Rinderdatenbank durch. Hierbei handelt es sich um eine Totalerhebung, bei der alle Betriebsstätten und Tierzahlen in Nordrhein-Westfalen gezählt wurden.
Seit der Frühjahrszählung 2016 ist ein kontinuierlich rückläufiger Rinderbestand auf 1,26 Mio. Tiere zu beobachten. Ein mit der letzten Maizählung errechnetes Minus von 13 400 Rindern innerhalb eines Jahres flachte im Vergleich zu den vorhergehenden Entwicklungen etwas ab. Dennoch sank die Zahl der gehaltenen Rinder im fünfjährigen Schnitt um jährlich 31 890 Tiere. Im Mittelwert der letzten zehn Jahre stiegen jährlich 350 Betriebsstätten aus der Rinderhaltung aus. Diese Ausstiegswelle verlangsamte sich mit Blick auf die letzten fünf Jahre auf jährlich 270 Höfe. Die Zahl der ausscheidenden Halter nahm innerhalb des letzten Jahres auf 135 Betriebe ab, vergleichbar mit der rückläufigen Trendentwicklung bei den Rinderzahlen. Auffällig war eine Zunahme der Betriebsstätten im November 2021. Dieser Aufwärtstrend erwies sich jedoch als Strohfeuer, denn der Strukturwandel ist mit zuletzt 256 ausscheidenden rindviehhaltenden Betrieben im Vergleich zur letzten Herbstzählung deutlich erkennbar.
Rund 381 570 Milchkühe wurden Anfang Mai in 4 860 Beständen gehalten. Seit dem Frühjahr 2019 errechnete sich eine deutlichere Abnahme der Kuhzahlen mit durchschnittlich 8 466 Milchkühen je Jahr. Im letzten Jahr sank die Zahl der Milchkühe um „unterdurchschnittliche“ 6 288 Tiere. Dieser etwas gemäßigte Abwärtstrend ging im gleichen Zeitraum mit etwas weniger als 200 ausscheidenden Betrieben einher und führte zu einem Durchschnittsbestand von 78,5 Milchkühen. Die Zahl der Rindvieh- und Milchviehhalter sank seit Beginn der Viehzählung mittels der HIT Rinderdatenbank. Ausgehend von der ersten Frühjahrszählung 2008 bis zur letzten Maizählung 2022 errechnen sich im Schnitt jedes Jahr 325 weniger Betriebsstätten. Innerhalb der letzten fünf Jahre mäßigte sich die jährliche Anzahl der Aussteiger auf 218 Einheiten.
Im Rheinland melken 39 % aller Milcherzeuger 46 % des gesamten Kuhbestandes in NRW. Dort versorgt jeder Milcherzeuger im Schnitt rund 93, in Westfalen etwa 70 Milchkühe. Etwas mehr als ein Viertel des nordrhein-westfälischen Milchviehs wurde in der Region Düsseldorf gezählt, mit im Schnitt 110 gehaltenen Kühen. Die zu Düsseldorf gehörigen Kreise Kleve mit einem Durchschnittsbestand von 128 Kühen und Viersen mit einem Durchschnittsbestand von 123 Kühen verzeichnen im Schnitt die größten rheinischen Bestände. Bezeichnend ist, dass 21 % aller Milchkühe in NRW in Kleve und Wesel gemolken werden. Jeweils ein Viertel aller landesweiten Milchviehbetriebe und gehaltenen Kühe ist im westfälischen Münsterland zu finden. Die meisten Kühe werden dort im Kreis Borken gehalten, während Recklinghausen mit im Schnitt 104 Kühen je Betrieb über die größte westfälische Herdengröße verfügt. Die Zahlen verdeutlichen den rheinischen Schwerpunkt der Milcherzeugung, die in Westfalen in etwas kleineren Einheiten zu finden ist. Ergänzend zur Milcherzeugung nimmt die vorwiegend im Münsterland angesiedelte Rindermast einen hohen Stellenwert in der westfälischen Rindviehhaltung ein.
Im Rheinland machen die Milchkühe 43 % des gesamten Rinderbestands aus, während der Milchkuhanteil in Westfalen mit etwas weniger als ein Viertel deutlich niedriger ist. Entsprechend ist dort die wirtschaftliche Bedeutung der übrigen Rinder, sprich männliche Tiere oder sonstige Kühe höher. Nach der aktuellen Zählung wurden 87 % der männlichen Rinder in NRW mit einem Alter von mehr als einem Jahr in Westfalen-Lippe gezählt. Schwerpunkte der Haltung von Mastbullen dieser Altersklasse bildeten die westfälischen Kreise Steinfurt mit rund 38 800 Tieren, Borken mit 33 140 Tieren, Warendorf mit 17 900 und Coesfeld mit rund 12 600 Tieren. In diesen vier Münsterlandkreisen wurde im Vergleich zum Rheinland mehr als das Vierfache an Bullen versorgt.
Während der letzten Frühjahrszählung waren verbesserte Milch- und Rindfleischpreise zu verzeichnen. Denen standen jedoch auch extrem hohe Produktionskosten gegenüber, die auch weiterhin die Landwirtschaft sehr stark belasten. Rindviehbetriebe mit einem hohen Anteil an eigenem Futter haben möglicherweise angesichts einer etwas besseren Liquidität den geplanten Ausstieg aus der Rindviehhaltung noch nicht vollzogen. Bemerkenswert ist, dass immerhin noch 44 % aller Milchkuhhalter in Beständen mit weniger als 50 Kühen wirtschafteten, jedoch nur 10 % aller Kühe versorgten. Dagegen verfügten etwa 30 % der Milcherzeuger über Bestände von 100 und mehr Kühen, in denen sich annähernd zwei Drittel aller Milchkühe in NRW befanden. Im Hinblick auf die Strukturzahlen bleibt zu erwarten, dass auch weiterhin Rindviehhalter kleinerer Bestände und Betriebe ohne Hofnachfolger aus der Rindviehhaltung aussteigen.
Jürgen Boerman und Ute Bodin,
Landwirtschaftskammer NRW