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Schweinewohl richtig managen

26.10.2020

Von Jeannette Lange, Ulrike Westenhorst, Karl Kempkens, Sabine Schütze und Ute Knierim

Wie können Schweinehalter*innen das Wohlergehen ihrer Tiere verbessern?
Forschungen legen nahe, dass es nicht ohne Beobachten, Dokumentieren und Geduld geht.
Dafür wirken sich Veränderungen oft gleich in mehreren Bereichen positiv aus.

Alle sechs Monate erhoben Betriebsleiter*innen gemeinsam mit der Beraterin Ulrike Westenhorst (Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen) im Praxisprojekt "Tierwohl und Tiergesundheit in der Bioschweinehaltung"[1] Tierwohlindikatoren im Sinne einer betrieblichen Tierschutz-Eigenkontrolle (nach Schrader et al., 2006). Die Ergebnisse wurden anhand im Projekt erarbeiteter Orientierungswerte (Lange et al., 2020) in Form eines Ampelschemas eingeordnet. So wurden betriebsindividuelle Stärken und Schwächen mit einem Blick erfassbar.

Hierfür und auch für einen aussagekräftigen Vergleich zwischen Betrieben – dem "Benchmarking" – war es wichtig, dass die Tierwohlindikatoren in allen Betrieben vergleichbar erhoben wurden. Nach einem intensiven Abstimmungsprozess zwischen den bereits erfahrenen Tierbeurteilerinnen Antje Schubbert (Friedrich-Loeffler-Institut), Jeannette Lange (Uni Kassel) und Ulrike Westenhorst, die gut bis sehr gut in ihren Beurteilungen übereinstimmten, wurden alle Landwirt*innen geschult. Die ersten Beurteilungen im eigenen Stall stimmten dann auch meist gut oder zumindest akzeptabel mit denen der parallel beurteilenden Beraterin überein.

Solche Überprüfungen der Übereinstimmung zwischen verschiedenen Beurteilenden sollten in gewissen Abständen wiederholt werden, damit sich nicht im Laufe der Zeit immer größere Abweichungen in den Beurteilungen einschleichen. Das betrifft in gleichem Maße die vom Schlachthof übermittelten Veterinärbefunde. Im Projekt wurde erneut bestätigt, dass gute Übereinstimmungen in der Beurteilung verschiedener Grade von Lungen- und Brustfellentzündungen erst nach mehrstündiger Besprechung und Abstimmung der Beurteilungskriterien erreicht wurden.

Zielgerichtet handeln

Das weitere Vorgehen soll am Beispiel vermehrt am Schlachthof festgestellter Lungenentzündungen beschrieben werden. Wie so viele Störungen der Tiergesundheit beziehungsweise des Tierwohls sind diese meist multifaktoriell bedingt. Mehrere, auch kleinere Mängel in der Haltungsumgebung, im Klima, im Herden- und Gesundheitsmanagement sowie der Fütterung und Wasserversorgung können sich addieren und die Fähigkeit der Tiere, damit zurechtzukommen, überfordern. Andersherum kann es auch sein, dass etwa ein zu kalter Liegebereich durch ein besonders gutes Hygiene- und Gesundheitsmanagement trotzdem verkraftet werden kann, sodass es nicht vermehrt zu Lungenentzündungen kommt.

Genau das macht die Ursachenfindung so schwierig und Erfolge von Verbesserungsmaßnahmen schwer vorhersagbar. Manchmal muss erst an vielen Schräubchen gedreht werden, bevor sich eine Verbesserung einstellt. Es ist deshalb durchaus sinnvoll, möglichst viele Faktoren, die zu einer guten Widerstandskraft und einem reduzierten Erregerdruck führen können, positiv zu verändern. Man sollte nicht den Fehler machen, etwa einer guten Versorgung der Schweine mit Vitaminen und Nährstoffen keine Bedeutung für die Lungengesundheit beizumessen, nur weil eine Verbesserung in diesem Bereich allein bislang zu keinem Erfolg geführt hat.

Für die Ursachenermittlung wurde daher eine ganze Liste möglicher Einflussfaktoren gemeinsam angeschaut. Basierend auf dem folgenden Beratungsgespräch entschied sodann jeder Landwirt, welche der wahrscheinlichen Ursachen er mit entsprechenden Maßnahmen sofort oder auch mittelfristig angehen wollte und konnte. Ein Betrieb erhielt zum Beispiel aus zusätzlichen Blutuntersuchungen Hinweise auf einen unzureichenden Impfschutz trotz Impfung beim Ferkelerzeuger, was sich in der bakteriologisch-virologischen Untersuchung entzündeter Lungen von seinen Schlachttieren bestätigte; er entschied sich daraufhin, eine Wiederholungsimpfung nach Aufstallung in die Vormast einzuführen.

Erfolge kontrollieren

Oft ist zu erwarten, dass sich Verbesserungen gleichzeitig in mehreren Bereichen auswirken. Wird beispielsweise die Immunabwehr durch eine verbesserte Fütterung, Stressreduzierung oder bessere Stallklimabedingungen gestärkt, ist eine Auswirkung nicht nur auf die Lungengesundheit zu erwarten, sondern auch auf die Tierverluste und die Therapiehäufigkeit. Selbst das Risiko für Schwanzbeißen, das mit Entzündungsvorgängen im Körper ansteigt, kann dadurch reduziert werden.

In zwei Betrieben ergab die pathologischanatomische Untersuchung der entzündeten Lungen von Schlachttieren Hinweise auf ein allergisches oder durch Parasiten verursachtes Geschehen. Ein Zusammenhang zwischen Lungen- und Leberbefunden ist schon deshalb naheliegend, weil der Weg der leberschädigenden Spulwürmer (Ascaris suum) während ihrer Entwicklung auch durch die Lunge führt. Von Maßnahmen zur Reduzierung des Wurmbefalls kann hier also auch eine Verbesserung der Lungenbefunde erwartet werden.

Einige Betriebe ergriffen daher zunächst Maßnahmen, wie eine Verbesserung der Buchten- und Fütterungshygiene, kein "Rückstallen" älterer und nicht frisch entwurmter Tiere in jüngere Gruppen sowie die Terminierung einer Entwurmung auf wenige Tage vor Umstallung von Vormast- in gründlich gereinigte Endmastbuchten. Insbesondere durch Einbindung der Ferkelerzeuger wurde das Prinzip "saubere Tiere in saubere Ställe" schon bei der Einstallung beim Mäster beachtet.

Je nach Dringlichkeit des Problems wurden auch Maßnahmen, die mit größerem Aufwand verbunden sind, erwogen. Ein Betrieb mit besonders hohen Leberverwürfen nahm ein schon länger geplantes Bauprojekt in Angriff, um durch strikte räumliche Trennung von Vor- und Endmast die Gefahr der Erregerverschleppung und Re-Infektionen nach Entwurmung und Umstallung noch weiter zu reduzieren. Auf diesem Betrieb sanken nach Abschluss der Baumaßnahme die Leberverwürfe in den folgenden drei Quartalen um die Hälfte gegenüber dem Vorjahr ab. Allerdings stiegen die Leberverwürfe im vierten Quartal wieder etwas an, was sich nach Angaben des Betriebsleiters mit nachlassender Konsequenz bei den Reinigungsarbeiten begründen ließ.

Letztlich wurden während der Projektlaufzeit in allen Betrieben Erfolge der Maßnahmen bezüglich der Leberbefunde sichtbar, hinsichtlich der Lungenbefunde sind in den meisten Betrieben allerdings noch weitere Anstrengungen nötig, um in den Zielbereich zu gelangen. Von Rückschlägen oder Misserfolgen sollte man sich nicht entmutigen lassen. Meist brauchen deutliche Verbesserungen ihre Zeit. Ein standardisiertes Monitoring und der Vergleich konkreter Zahlen über längere Zeit und im Zusammenhang mit anderen Veränderungen im Betrieb machen auch kleine Erfolge sichtbar.


Literatur

» Schrader, L., I. Czycholl, J. Krieter, C. Leeb, R. Zapf, M. Ziron (2016): Tierschutzindikatoren: Leitfaden für die Praxis – Schwein. KTBL (Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V.), Darmstadt
» Lange, J., U. Westenhorst, , K. Kempkens, S. Schütze, U. Knierim (2020): Tierwohl in der Schweinehaltung – Erfahrungen aus einem Praxisprojekt in NRW. Biotopp 3, S. 30–33


Jeannette Lange (jlange@uni-kassel.de) und Ute Knierim, Universität Kassel,
Ulrike Westenhorst (ulrike.westenhorst@lwk.nrw.de), Karl Kempkens und Sabine Schütze, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen


Quelle: ÖKOLOGIE & LANDBAU 04 | 2020, www.soel.de

Weitere Informationen


[1] Projekt der Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP), gefördert durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländliche Raums und das Land Nordrhein-Westfalen. Neben den Autor*innen gehörten neun ökologisch wirtschaftende Mast- und fünf Ferkelerzeugerbetriebe sowie deren Vermarkter Biofleisch NRW e.G. zum Projektteam.


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