Worauf es bei der ökologischen Geflügelhaltung in der Praxis ankommt, erfuhren umstellungsinteressierte Landwirtinnen und Landwirte Ende Mai auf dem Biobetrieb der Familie Schulze-Edinghausen in Bönen. Zu der Veranstaltung hatte das Öko-Team der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen eingeladen.
Im Jahr 2020 übernahmen die Geschwister Stefan und Beate Schulze-Edinghausen das landwirtschaftliche Unternehmen in Bönen von ihrem Vater. Gleichzeitig mit dem Generationswechsel erfolgte die Umstellung von der konventionellen hin zur ökologischen Wirtschaftsweise. Auch Senior Harald Schulze-Edinghausen ist von diesem Systemwechsel überzeugt und beschäftigt sich gerade intensiv mit der ökologischen Anpassung des Ackerbaus. Mit der Umstellung ihres Unternehmens und dem Anschluss an den Öko-Verband Naturland hat die Familie in die Bio-Hähnchenmast als neuen Betriebszweig investiert. Für die Kükenaufzucht baute sie den ehemaligen Bullenstall um. Mit 4 800 Eintagsküken startet dort nun jeder Durchgang. Denn eine Tierzahl von 4 800 Hähnchen oder 2 500 Puten je Stall dürfe in der ökologischen Geflügelhaltung nicht überschritten werden, erläuterte Axel Hilckmann, Berater beim Öko-Team der Landwirtschaftskammer NRW.
Dass Altgebäude, wie bei Familie Schulze-Edinghausen, meist sehr gut genutzt werden können, sei ein großer Pluspunkt bei der Biogeflügelhaltung. Auch der gut kalkulierbare Arbeitszeitbedarf sowie die Möglichkeit, den Absatz des Biogeflügels vertraglich abzusichern, spreche für diesen Betriebszweig. Eine Kombination von Ackerbau und Geflügelhaltung, wie im Betrieb Schulze-Edinghausen, fördere zudem die Kreislaufwirtschaft im Sinne des ökologischen Landbaus, ergänzte der Berater. Nach einer Aufzuchtphase von rund 28 Tagen wechseln die Mastküken mit einem Gewicht von rund 1 000 g in den Maststall, einem Neubau mit Wintergarten und Auslauf. Managementhilfen, wie beispielsweise eine automatische Waage im Stall, unterstützen die Betriebsleiter bei der Tierkontrolle. Zur Förderung des Tierwohls wurde außerdem in eine Sprühwasserkühlung investiert. Als Einstreumaterial werden Dinkelspelzenpellets ausgebracht. Durch die Trennung von Aufzucht und Mast gelingen dem Bio-Geflügelhof Schulze-Edinghausen zehn Durchgänge pro Jahr. Ohne eine getrennte Voraufzucht seien rund 4,7 Durchgängen pro Jahr realistisch, ergänzte Hilckmann. Mit der Bewirtschaftung von zwei Produktionseinheiten mit je 4 800 Biohähnchen lasse sich ein Arbeitseinkommen von 50 000 bis 60 000 € erzielen, schätzte der Biogeflügel-Experte.
Quelle: Axel Hilckmann, Landwirtschaftskammer NRW
Beim Absatz ihrer schlachtreifen Hähnchen hat sich Familie Schulze-Edinghausen für fünf Jahre vertraglich an das Unternehmen Biofino mit Sitz in Emstek gebunden. Damit ist der neue Bio-Hähnchenmaststall Teil von Biofinos integrierter Produktionkette. Zur Integration gehören auch eine eigene Biofino-Bio-Brüterei und der Biofuttermittelbezug von der GS Agri in Emstek. Biofino ist ebenso wie die zuliefernden Bio-Hähnchenmäster Mitglied des Öko-Verbands Naturland. Die Hähnchenfleischproduktion erfolgt mit Tieren der Genetik ISA-JA-757.
Mit diesen langsam wachsenden Masthühnern arbeiten auch Beate und Stefan Schulze-Edinghausen. Wie Biofino-Geschäftsführer Dr. Jürgen Tölke erläuterte, verarbeitet und vermarktet sein Unternehmen rund 4 Mio. Hähnchen und etwa
800 000 Puten pro Jahr und erzielte 2021 einen Umsatz von rund 63 Mio. €. Der Absatz von Frischfleisch an den Lebensmitteleinzelhandel ist das Kerngeschäft von Biofino. Darüber hinaus produziert das Lebensmittelunternehmen am Standort Bad Zwischenahn Bio-Convenience-Produkte, um die geschlachteten Tiere möglichst vollständig verwerten zu können. Trotz der aktuell herrschenden Verunsicherung auf den Märkten sieht Geschäftsführer Dr. Tölke weiteres Potenzial für den Absatz von Bio-Geflügelfleisch. „Wir glauben an den Markt, auch wenn ich derzeit nicht vorhersehen kann, wie es im nächsten Jahr konkret aussehen wird. Deshalb macht es nach wie vor Sinn, frühzeitig das Gespräch mit uns zu suchen, wenn in die Bio-Geflügelerzeugung investiert werden soll“, riet er den teilnehmenden Praktikern.
In der Regel vergingen von den ersten Investitionsüberlegungen und Gesprächen zwei Jahre „bis es zum Schwur“ käme und die Abnahmevereinbarung zwischen Biofino und dem Bio-Hähnchenmastbetrieb unterzeichnet würde. Wie der Geschäftsführer weiter mitteilte, werde der Auszahlungspreis an die Hähnchenmäster immer wieder an die sich ändernden Futtermittelpreise angepasst. Für die Kalkulation einer geplanten Investition in die Bio-Hähnchenmast mit einer Vermarktung über Biofino könnten die Betriebsleiter einen Rohertrag von 2 € je Masthähnchen unterstellen, so der Hinweis von Tölkes.
Annegret Keulen/
LZ Rheinland 26/2022
Axel Hilckmann
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Quelle: Axel Hilckmann, Landwirtschaftskammer NRW