Es ist Samstagmorgen, 7 Uhr. Langsam rollt ein PKW mit einem großen Anhänger auf das Gelände des Chicken Hostel von David Hennig und Sophia Hamacher in Mechernich-Hostel. An den Aufklebern des Anhängers ist schnell zu erkennen, worum es sich handelt: „Beimborn – Mobile Geflügelschlachterei“ und „Schlachtung ohne Tiertransport“. Thorsten Beimborn steigt aus dem Wagen. Ein Weg von rund 160 km liegt hinter ihm. Denn der Fahrer des Schlachtmobils kommt aus Herscheid im Sauerland.
Es ist nicht der erste Einsatz des Schlachtmobils von Thorsten Beimborn. Seit dem 16. Februar ist er stolzer Besitzer eines 6 x 2,5 m großen Anhängers. „An einem Tag haben wir auf unserem Betrieb einmal probiert, wie alles funktioniert und seit Ende Februar sind wir mit dem Schlachtmobil im Einsatz. Wir hatten schon mehrere Schlachteinsätze und es läuft gut“, verrät der 45-Jährige. Bei seinem Anhänger handelt es sich um ein komplett eingerichtetes, gut isoliertes mobiles „Schlachthaus“ für Geflügel - mit Betäubung, Schlachtung, Brühkessel, Rupfmaschine, Arbeitsplatz für das Ausnehmen und Zwischenlagern für die fertigen Schlachtkörper. Alle Leitungen und Rohre sind in den Wänden und im Boden verlegt. Die Einrichtung besteht größtenteils aus Edelstahl, die Wände und der Boden aus leicht zu reinigenden, glatten Oberflächen. „So können wir das Mobil gut sauber halten und auch gut desinfizieren“, erklärt Beimborn. Er kommt von einem Nebenerwerbsbetrieb und hält selber Legehennen im Mobilstall und Freiland-Masthähnchen. „Für mich war ganz klar, dass einfach Bedarf für ein Geflügelschlachtmobil besteht. Es gibt immer mehr Betriebe hier in NRW, die Legehennen oder auch Mastgeflügel in mobilen Ställen halten. Für die besteht häufig überhaupt keine Chance, diese in der Nähe an einem Schlachthof schlachten zu lassen.“ Außerdem müsse die Branche aus der Diskussion „Massentierhaltung“ raus. Da könne die mobile Schlachtung helfen, meint er. „Dies ist eine Form der Schlachtung, die bei den Kunden der Direktvermarkter sicherlich gut ankommt“, ist er überzeugt.
Vor gut einem Jahr reifte in dem Nebenerwerbslandwirt daher der Entschluss, sich ein Geflügelschlachtmobil zuzulegen. Damals besuchte er einen Betreiber eines Schlachtmobils aus dem Landkreis Rotenburg/Wümme. „Und ich war begeistert“, sagt Beimborn rückblickend. Von der Idee bis zum Kauf des Schlachtmobils verging dann einige Zeit, einschließlich Gesprächen mit dem Veterinäramt, denn es müssen zahlreiche Hygienevorschriften bei einem Schlachtmobil eingehalten werden. Und zudem musste Beimborn auch einen Sachkundenachweis zum Betäuben und Schlachten von Geflügel besitzen, den er im Dezember bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen gemacht hat. Natürlich hat er sich auch bei den einzelnen Anbietern von Geflügelschlachtmobilen informiert und seine Entscheidung fiel dann schließlich auf ein Mobil aus Südtirol, das ihn überzeugte und nach seinen Wünschen eingerichtet wurde.
Für seine Schlachtanlage hat der Sauerländer viel Geld in die Hand nehmen müssen, „einen sechsstelligen Betrag“, wie er verrät. Allerdings ist er auch in den Genuss einer Förderung gekommen. Von Ende Oktober vergangenen Jahres bis Ende Februar wurden im Rahmen eines Corona-Konjunkturpakets zur Förderung des Tierwohls bis zu 40 % des Kaufs solcher Schlachtanlagen gefördert. „Das war mein Glück“, gibt er zu.
Beimborn ist der Erste, der in NRW mit einem Geflügelschlachtmobil unterwegs ist und die Schlachtung als Dienstleistung für Betriebe anbietet. Er kommt mit seinem Mobil auf den Betrieb und führt die Schlachtung der Tiere vor Ort durch. „Der Transport bleibt so den Tieren und damit auch den Geflügelhaltern erspart“, so Beimborn, der sich vorgenommen hat, in ganz NRW mit seiner mobilen Schlachterei unterwegs zu sein. „Die Entfernung spielt keine Rolle“, meint er. Für die Anfahrt berechnet er eine Pauschale von 1 € pro km. Legehennenhalter, aber auch Halter von Masthähnchen, Enten, Puten und selbst Gänsen können ihn und sein Schlachtmobil buchen. „Für Gänse ist eine Nachrupfmaschine vorhanden“, erklärt Beimborn. Pro Stunde schlachtet er in seinem Mobil etwa 40 bis 50 Legehennen. Außerdem kalkuliert er eine Stunde für den Aufbau und den Abbau des Schlachtmobils ein.
Große Vorbereitungen für den Einsatz des Schlachtmobils müssen auf den Betrieben nicht getroffen werden. „Wir brauchen lediglich eine 16-Ampere-Steckdose und einen Trinkwasseranschluss. Alles andere bringen wir mit“, erklärt er. Wir, das sind Beimborn und sein Mitarbeiter Robert Kubica, ebenfalls aus Herscheid und gelernter Metzger. Es ist heute zwar erst ihr fünfter Einsatz, wie sie verraten, aber die beiden sind schon ein eingespieltes Team. Und sie haben eine feste Arbeitseinteilung. Beimborn kümmert sich um die Betäubung und die Schlachtung der Tiere im hinteren Bereich des Anhängers, dem „schwarzen“ Bereich. Durch eine Durchreiche geht es in den vorderen „weißen“ Bereich des Anhängers, wo Kubica arbeitet.
David Hennig bringt in großen Geflügeltransportkisten die ersten Hühner und es geht los. Jedes Huhn wird elektrisch betäubt, das dauert ungefähr 15 Sekunden. Dann geht es weiter in das Rondell mit Vorrichtungen zum Entbluten, wo Beimborn einen Y-Schnitt durchführt. Nach dem vollständigen Ausbluten des Schlachtkörpers kommt das geschlachtete Huhn in den Brühkessel. Hier wird der gesamte Schlachtkörper erwärmt, damit sich die Federn gut lösen. Weiter geht es in die Rupfmaschine, wo das Federkleid komplett automatisch abgelöst wird. Danach geht es in den „weißen“ Bereich zu Kubica, der die Schlachtkörper ausnimmt, kontrolliert und zum Abkühlen in das Chill–Becken gibt. „Nach diesem Vorgang werden die vorgekühlten Schlachtkörper bei meinem Mobil hinten wieder dem Geflügelhalter übergeben und der ist dann für die vollständige Kühlung, Verpackung und Vermarktung zuständig“, erklärt Beimborn.
David Hennig vom Chicken Hostel in Mechernich-Hostel hat über die Facebook-Gruppe der mobilen Geflügelhalter von der Existenz des Schlachtmobils erfahren und sich dann mit Beimborn in Verbindung gesetzt. Er findet das Ganze eine gute Sache und für seinen Betrieb sei der Einsatz der mobilen Schlachterei ideal. „Wir halten unsere Hühner mobil und lassen sie mobil schlachten, das passt doch, oder?“, meint Hennig. Er und seine Partnerin haben vor gut einem Jahr ihr Chicken Hostel gestartet, damals mit einem mobilen Stall, inzwischen sind es zwei. „Die Nachfrage nach unseren Eiern ging einfach durch die Decke. Daher haben wir noch ein weiteres Hühnermobil angeschafft“, erzählt der 31-Jährige. Derzeit halten er und seine Partnerin 900 Legehennen und freuen sich über einen guten Absatz ihrer Eier, die alle direkt ab Hof vermarktet werden. Auch die 200 Hühner, die Beimborn heute geschlachtet hat, gehen direkt an ihre Kunden. Hennig hat einen Kühlanhänger gemietet, in dem die Schlachtkörper 24 Stunden abtropfen können, dann werden sie vakuumiert und an dem Tag noch von den Kunden abgeholt.
Und was sagt Hennig zu dem ersten Einsatz des Schlachtmobils auf seinem Betrieb? Ist er zufrieden? „Ja, in jedem Fall bin ich zufrieden. Alles hat sehr gut geklappt.“ Auch Beimborn ist zufrieden mit dem Ablauf des Tages bei dem Geflügelhalter im Rheinland. Gut sechs Stunden hat der Einsatz gedauert und er darf mit seinem Schlachtmobil wiederkommen, hat er schon erfahren. Hennig wird beim nächsten Mal erneut das Schlachtmobil anfordern. Und das können auch alle anderen Geflügelhalter im Rheinland. Man braucht sich dazu nur telefonisch mit Beimborn unter 0157/30 68 02 25 in Verbindung setzen. „Aber ich brauche einen gewissen Vorlauf bei den Einsätzen“, sagt der Besitzer des Schlachtmobils. Vier bis sechs Wochen sollten sich die Geflügelhalter vor dem geplanten Termin bei ihm melden und für die Hauptsaison im November und Dezember nach Möglichkeit drei Monate vorher. Und in jedem Fall sollten die Geflügelhalter ihren Veterinär über die Schlachtung informieren, sagt Beimborn.
Dr. Elisabeth Legge,
LZ Rheinland
Die Nachfrage nach regionalen Eiern und Geflügelfleisch ist groß und viele Landwirte besetzen erfolgreich diese Nische in der Direktvermarktung. Auch die ökologische Erzeugung von Geflügel erfreut sich einer hohen Nachfrage und die Verbraucher sind bereit, für besonders tiergerechte Produkte einen entsprechenden Preis zu bezahlen. Problematisch war bisher die fehlende Schlachtung für diese kleineren Mengen.
Für den einzelnen Betrieb ist der Aufwand für Schlachthaus, Einrichtung, Veterinärauflagen oft zu aufwendig. Man benötigt einen Sachkundenachweis zum Betäuben und Schlachten von Geflügel, Hygieneschulung, Belehrung nach dem Infektionsgesetz und zahlreiche Auflagen für die Einrichtung des eigenen Schlachthauses. Das Fehlen von ländlichen kleineren Geflügelschlachtereien ist ein Grund, warum die Geflügelhaltung in NRW stark zurückgegangen ist und der Prozess der Erzeugung und Schlachtung sowie die betriebswirtschaftlich interessante Vermarktung sich immer mehr entkoppelt haben. Die mobile Geflügelschlachtung bietet genau diesen Betrieben, die in der Direktvermarktung punkten wollen, die Möglichkeit, ihre Tiere nach den strengen Tierschutz- und Lebensmittelgesetzen zu schlachten, zu verarbeiten und anschließend an die wertschätzenden Kunden zu verkaufen.
Dazu kommt der größere Nutzen für die Tiere, die keinen Transportstress bei oftmals hunderten von Kilometern mehr haben. Daraus ergibt sich eine sehr gute Fleischqualität, die auch bei Geflügel sehr stark von einem schonenden Schlachtprozess abhängt.
Die Schlachtung von kleineren Mengen bis zu 10 000 Stück Geflügel im Jahr auf dem landwirtschaftlichen Betrieb ist möglich unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen. Eine EU-Zulassung nach Verordnung (VO)(EG)Nr. 853/2004 ist hierbei nicht nötig. Um diese kleineren Mengen Geflügel schlachten und vermarkten zu dürfen, schließt der Tierhalter mit der mobilen Geflügelschlachtung einen Dienstleistungsvertrag über die ordnungsgemäße Schlachtung der Tiere und einen Mietvertrag für die Inanspruchnahme des Schlachtmobils.
Der Tierhalter, der diese Schlachtung auf seinem Betrieb durchführen will, muss als Lebensmittelunternehmer bei seinem zuständigen Veterinäramt registriert sein. Sollte er zum Beispiel für Eier bereits registriert sein, muss die Registrierung auf Geflügelfleisch ausgeweitet werden.
Neben der Direktvermarktung ab Hof ist auch die Abgabe von Geflügelfleisch an den örtlichen Einzelhandel (bis 100 km Umkreis, nach § 2 Abs. 2 Verordnung über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch), der das Fleisch direkt an den Endverbraucher abgibt, möglich. Auch eine direkte Abgabe an den Kunden über Marktstände ist erlaubt.
Über ganz Deutschland verteilt gibt es mittlerweile sechs Geflügelschlachtmobile. Betriebe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz können sich bei Interesse melden bei:
Die mobile Geflügelschlachterei Vulkankreis schlachtet neben Legehennen, Masthähnchen und Bruderhähnen auch Puten und Wassergeflügel. Eine rechtzeitige Terminabsprache ist nötig, um die Vorkehrungen auf den Betrieben zu treffen. Geschlachtet werden können mit zwei Personen etwa 60 Suppenhennen oder Hähnchen in der Stunde. Der Tierhalter reicht die Tiere an und nimmt die fertig ausgenommenen Schlachtkörper wieder entgegen und führt diese unmittelbar einer geeigneten Kühlung zu.
Axel Hilckmann,
Landwirtschaftskammer NRW