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Impfstrategien und KI im Schweinestall

20.02.2024

Dr. Johannes Thole, gelernter Tierarzt und seit fünf Jahren bei Boehringer Ingelheim tätig, empfiehlt einen ganzheitlichen Ansatz bei der Tiergesundheit; dabei sollten bestehende Impfstrategien gelegentlich hinterfragt werden. Kritisch sieht er Strategien, die darauf abzielen, Impfungen möglichst zu reduzieren. Ein ausreichender Impfschutz bestehe nur, wenn der gesamte Bestand auch geimpft sei. „Das können wir von den Masern beim Menschen ableiten, wo eine 75-prozentige Abdeckung nicht ausreiche, sondern erst mindestens 95 % geimpfte Menschen sorgen dafür, dass es nicht zu Durchbrüchen kommt“, begründete Tholen seine Ansicht.

Immunität und Impfungen müssten über alle Produktionsstufen hinweg gewährleistet sein. „Es gehört zu den Basics, dass zugekaufte Jungsauen mindestens sechs, besser acht Wochen in Quarantäne müssen“, erklärte Tholen. Nach etwa zwei Wochen könne man Kontaktiere zustallen oder auch Kaustricke nutzen, damit die Jungsauen Kontakt mit den betrieblichen Keimen bekommen und beginnen, die Immunität aufzubauen. Da Jungsauen häufig bald nach der Einstallung geimpft werden, könne man Kontakttiere nicht zu früh dabei lassen, da die Immunität durch Impfstoffe erst nach zwei bis drei Wochen aufgebaut sei. „Durch weitere Impfungen braucht der Immunitätsaufbau in Summe mindestens sechs Wochen“, so der Veterinär.

Risiken für Jungsauen

Auch bei der bei ökologischer Haltung häufig praktizierten eigenen Jungsauenremontierung können Risiken bestehen. „Werden Jungsauen an anderer Stelle aufgezogen, verlieren sie über die Zeit den Kontakt zum Erregermilieu der Altsauen“, warnte Tholen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Jungsauen ihrerseits Keime „hochzüchten“ und bei unkontrollierter Eingliederung das Immunsystem der Altsauen überfordern. Auch müssen Jungsauen in die Bestands-Parvoimpfung einbezogen werden.

Beim Mischen verschiedener Herkünfte ist es wichtig, den Immunitätsstatus zu kennen. „Wenn eine Jungsau zu einem PRRS-positiven Bestand zugestallt wird, ist es erwartbar, dass die Jungsau erkrankt. Infolge der Erkrankung kommt es zu einer starken Erregervermehrung bei der Jungsau und die ausgeschiedenen Viren können nun auch die Immunität eines PRRS-positiven, aber stabilen Bestand überfordern, so dass sich in der Folge ein instabiler Betrieb ergeben kann“, meinte Dr. Thole. „Mit der Impfung der Sauen können wir drei Ziele verfolgen: Wir schützen die Sauen und die Föten und darüber hinaus kann sich der Schutz auch auf die Saugferkel erstrecken“, so Thole. Mit der Übertragung über das Kolostrum können die Saugferkel beispielsweise für die ersten Lebenswochen gegen Durchfallerreger geschützt werden.

Viele Erreger sind leicht übertragbar, auch über weite Strecken hinweg, und können lange überleben. „Alle Kontakte sind daher auf das absolute Mindestmaß zu beschränken“, riet Thole und das gelte auch innerhalb des Bestandes. So solle auch der Wurfausgleich möglichst in den ersten Stunden erfolgen.

Verschiedene Strategien

Bei der Strategie kann man zwischen einer Bestandsimpfung im Dreimonats-Rhythmus und einer reproduktionsorientierten Vorgehensweise unterscheiden. Die Mutterschutzimpfung sollte rund drei bis sechs Wochen vor der Abferkelung erfolgen. „Das A und O ist die Kolostrumversorgung“, hob Thole hervor und ergänzte: „Wenn die Saugferkel gesund sind, können sie sich auf das Wichtigste, nämlich das Fressen, konzentrieren.“ Die Saugferkel werden geimpft, um die Herausforderung in der Aufzucht und in der Mast zu bestehen. Gängig und weit verbreitet ist eine Impfung gegen PRRS, PCV2, Mykoplasmen und Ileistis/PIA. „Die Impfung gegen Circo ist schon deshalb ein Muss, weil der Erreger einen massiven Angriff auf das Immunsystem starten und damit Wegbereiter für ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen sein kann. Die Mykoplasmen selbst verursachen eine Infektion, bei der die Flimmerhärchen der Lunge befallen werden, so dass deren Selbstreinigung nicht mehr möglich ist und so andere Erreger eindringen können“, warnte er. Neben den genannten Keimen kann optional gegen Influenza, APP und Shigatoxin geimpft werden. Der letztgenannte Erreger ist ein Virustyp von Escherichia coli und für die Ödemkrankheit verantwortlich. Der Beginn der Impfung der Saugferkel richtet sich nach der Stabilität der Sauenherde. In stabilen Herden reicht in der Regel eine Impfung der Saugferkel ab dem 14. Lebenstag aus.

SoundTalks fürs Monitoring

Herbert Heger ist im Außendienst in der Beratung für Tierärzte, Futtermittel- und Beratungsunternehmen für Boehringer Ingelheim tätig sowie Ansprechpartner für die landwirtschaftlichen Betriebe. Er stellte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Monitoring-System SoundTalks vor. „Mithilfe von Mikrofonen und Monitoren sowie der Temperatur- und Luftfeuchteerfassung ist es möglich, sehr frühzeitig, bis zu fünf Tage vorher, Atemwegserkrankungen der Schweine festzustellen, bevor die Tierbetreuer dies trotz intensiver Beobachtung bemerken würden“, fasste er den Nutzen knapp zusammen.

Heger machte dies an einem Beispiel deutlich: Ein Landwirt hatte das System in seinem Stall installiert und erhielt am 8. April eine Warnmeldung für eine einzelne Bucht. Die Leuchte zeigte in Form des Ampelsystems gelb und rot und auf dem Handy erfolgte eine Mitteilung. Der Landwirt fand jedoch keine Hinweise auf Husten oder andere Symptome, die auf Atemwegserkrankungen hindeuteten. Zwei Tage später verstarben zwei Schweine. Bei einem späteren Anschauen der Videoaufzeichnungen zeigte sich eine vermehrte Aktivität der Schweine. Auch über Speichelproben der Tiere waren Atemwegserreger nachweisbar. „Die Reaktion des Landwirts ist verständlich, aber gerade da setzt das System auch an“, betonte Heger. „Die Schweine husten nicht gleichmäßig über den Tag verteilt und zeigen bei Besuchern auch oftmals abweichendes Verhalten“, erklärte Heger. „Auch husten die Tiere mehr als nachts als tagsüber.“ Hinzu komme, dass Schweine „schlechte Signalgeber für die Atemwegsgesundheit“ seien und man als Mensch daher vieles übersehe. Die Futteraufnahme eigne sich beispielsweise nicht als Parameter, weil die heutigen Genetiken diese bei Erkrankungen zumindest zu Beginn nicht reduzieren würden.

Simple Handhabung

Die Installation ist nach Angaben von Heger einfach: Über die Mitte der einzelnen Abteile werden Überwachungsmonitore installiert, die nur einen Stromanschluss benötigen. Zusammen mit einem Router (Gateway), der kabelgebunden angeschlossen werden muss, bilden die Monitore ein Netzwerk. Das Gateway sendet die Daten in eine Cloud und werden mittels eines intelligenten Algorithmus, der Umgebungsgeräusche und das Grunzen der Schweine herausfiltert. Im Bedarfsfall werden Push-Nachrichten auf das Smartphone versendet, wobei problemlos mehrere Mitarbeitende eines Hofes an ein System gleichzeitig angeschlossen werden können.

„Die frühe Erkennung von Atemwegserkrankungen ist wichtig, weil wir den Viren auf die Spur kommen wollen“, begründete Heger die Vorgehensweise. Bei sehr früher Kenntnisnahme reichen in der Regel Schmerz- und Entzündungsmittel, um die Krankheit in Schach zu halten. Geschieht dies nicht, folgen nach einigen Tagen sehr häufig bakterielle Zweitinfektionen, die nicht selten eine antibiotische Behandlung der Tiere notwendig machen. Damit könne eine häufig mehrwöchige Durchseuchung mit bakteriellen Erregern verhindert werden.Einen großen Vorteil sieht Heger bei dem Verfahren auch in einer höheren Akzeptanz der Bevölkerung für die Tierhaltung. „Behandlungen könnten reduziert und das Tierwohl verbessert werden und alle Daten werden genau dokumentiert“, erklärte Heger zum Abschluss.


Christian Wucherpfennig,

Landwirtschaftskammer NRW

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