Seit gut eineinhalb Jahren müssen nach der novellierten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) Schweine jederzeit Zugang zu organischem und faserreichem Beschäftigungsmaterial erhalten. Als Material zur Beschäftigung können vor allem Stroh, Heu, Sägemehl oder eine Mischung dieser dienen. Das Beschäftigungsmaterial muss untersuchbar, bewegbar, veränderbar und natürlich organisch und faserreich sein. Metall- und Futterketten sowie Kunststoffobjekte sind zwar weiterhin zulässig, dürfen jedoch nicht als alleiniges Beschäftigungsmaterial eingesetzt werden.
Um die Tiere möglichst auch vom gegenseitigen Schwanz- und Ohrenbeißen abzuhalten, braucht man innovative Spielzeuge. Es ist bekannt, dass Schwanz- und Ohrenbeißen auch in ökologisch wirtschaftenden Betrieben auftritt. So wurden durch die Universität Gießen vor einigen Jahren Untersuchungen in einem Öko-Betrieb durchgeführt. Die Sauen ferkelten dort getrennt voneinander in separaten Abferkelbuchten ab. Im Alter von 14 Tagen wurden die Ferkel zusammen mit sechs bis acht Muttersauen eines kompletten Abferkelabteils in die Gruppenaufstallung mit angrenzendem Strohauslauf verbracht. Beim Absetzen der Ferkel im Alter von rund 45 Tagen wurden die Sauen von ihnen getrennt und zur erneuten Belegung in den Besamungsstall gebracht. Die Ferkel verblieben für die weitere Aufzucht bis zu einem durchschnittlichen Gewicht von 25 bis 30 kg in den Gruppenabteilen des Betriebes. Am Ende der Aufzucht war in der Kontrollgruppe, in der dieselben Haltungsbedingungen wie bisher galten, ein Drittel bis über die Hälfte der Ferkel (27,1 bis 56,8 %) durch Schwanzbeißen verletzt. Der Unterschied zu den mit Wiesengraspellets gefütterten Ferkeln (11,1 und 13,4 %) war dabei statistisch gesichert. Die Ferkel wurden auf Stroh gehalten, und ihnen wurden verschiedene Spielgeräte, wie Ketten, Scheibenketten, Holz, Bälle, sowie ein Zugang zu einem überdachten Auslauf mit Stroheinstreu angeboten. Dennoch konnte das Schwanzbeißen mit Verletzungen der Buchtengefährten nicht verhindert werden.
Die Herausforderung besteht demzufolge darin, innovative Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu entwickeln, die für die Schweine interessant, aber zugleich auch robust, preisgünstig und wartungsarm sind. Daher wurden mehrere Spielgeräte gebaut, die den Vorgaben der TierSchNutztV entsprechen, und an der Universität Gießen unter konventionellen Haltungsbedingungen getestet. Die Untersuchungen fanden im Aufzuchtbereich der Schweinezuchtanlage Oberer Hardthof der Universität Gießen statt. Die Ferkel werden dort in einer Gruppengröße von meistens zwölf Tieren auf Kunststoffrosten gehalten und mit einer Spotmix-Fütterung versorgt. Wasser steht ad lib. über Nippeltränken zur Verfügung. Die Abteile haben eine Unterdruckbelüftung. Zur Beschäftigung sind einfache Ketten sowie Wippen mit jeweils daran befestigten Ketten und Holzstücken vorhanden. Als Vergleich wurden folgende neue Spielzeuge getestet:
Die ersten drei Spielzeuge wurden an der Uni Gießen, der Beschäftigungsautomat dagegen von Landwirt Alfons Kisfeld entwickelt. In die Untersuchungen wurden schwanzkupierte Ferkel (Vater: Pietrain, Mutter: Landrasse-, Edelschwein-Sauen oder Hybriden aus beiden Rassen) mit einen Absetzalter von 25 Tagen einbezogen. Das Verhalten der Ferkel in der Bucht mit den Spielzeugen und in Kontrollbuchten wurde anhand von Videoaufnahmen über die gesamte Aufzucht analysiert. Insgesamt gingen 156 Ferkel ein, und es wurden 372 Stunden Videos ausgewertet.
Mit den Untersuchungen konnte eine Beliebtheitsskala der attraktivsten Spielzeuge aufgestellt werden. Am wenigsten beliebt waren die routinemäßig in der Bucht vorhandenen Spielzeuge (Ketten mit Holzstück). Nur 4,2 Mal pro halbe Stunde wurden sie genutzt. Mittelgradig attraktiv waren das Spiegel-Spielzeug (7,2 Mal in 30 Minutenuten) und die Ketten in der Tränke (9,9 Mal in 30 Minutenuten). Der frei schwingende Spiegel besitzt auf beiden Seiten einen Griff, sodass die Ferkel zubeißen und mit dem Spiegelbild „kämpfen“ können. Die Ketten in der Tränke verursachen Geräusche und animieren die Ferkel, nicht nur zu trinken, sondern auch mit den Ketten zu spielen. Wenn der Spiegel einen Holzgriff hat und die Ketten am Ende Holzstücke besitzen, genügen sie auch den Vorgaben der TierSchNutztV.
In diesem Vergleich war mit signifikantem Abstand am attraktivsten jedoch der Pelletfeeder. Die Erlangung von Futter und Wasser ist die stärkste Motivation für Schweine, sich mit dem Futter- oder Wasserspender zu beschäftigen. Beim Pelletfeeder werden erst ab einer bestimmten seitlichen Stellung der Trommel einzelne Pellets ausdosiert. Die Ferkel lernen schnell, das Gerät zu bedienen. Sie müssen allerdings dafür arbeiten, um kleine Mengen an Pellets zu erhalten.
Der Beschäftigungsautomat wurde mit einer anderen Methode geprüft. Es wurde in zwei Durchgängen alle fünf Minuten (an einem Tag pro Woche von 7 bis 19 Uhr) gezählt, wie viele Ferkel sich am Beschäftigungsautomaten, wie viele sich am Standardspielzeug in der Bucht (zwei Ketten mit Holzstücken) aufhielten und wie viele Ferkel sich in Summe gleichzeitig beschäftigten. In der Kontrollbucht gab es nur das Standardspielzeug. Beide Haltungsdurchgänge wurden zusammengefasst. In der Summe beider Durchgänge waren in der Automaten-Bucht in 30,5 % aller fünf-Minuten-Werte ein bis vier Tiere am Beschäftigungsautomaten anzutreffen. In derselben Bucht waren in 6,1 % aller Zeitpunkte ein bis vier Tiere gleichzeitig mit dem Standardspielzeug beschäftigt. Beim gleichzeitigen Angebot von Automat und Spielzeug wurde der Automat also etwa 5-mal so häufig wie das Standardspielzeug genutzt.
Wird die Beschäftigung an Automat und Standardspielzeug zusammengefasst (Untersuchungsbucht) und der Beschäftigung nur mit dem Standardspielzeug (Kontrollbucht) gegenübergestellt, ergeben sich ähnlich große Unterschiede:
Auch bei diesem Vergleich war die Beschäftigungsintensität also in der Bucht mit dem Automaten etwa fünfmal höher als in der Bucht mit dem Standardspielzeug.
Die Attraktivität der Spielzeuge wurde mit zunehmender Haltungsdauer geringer. Besonders beliebt waren Pelletfeeder und Spiegelspielzeug zu Beginn der Aufzucht. Die Ferkel beschäftigten sich sehr häufig (26,5- und 14,4 Mal in 30 Minuten) in der ersten Woche nach dem Absetzen mit diesem Angebot. Bei allen vier Spielzeugen - und damit auch bei den in der Bucht vorhandenen Ketten - sank in der zweiten Haltungswoche die Nutzungshäufigkeit, ohne dass ein Grund dafür erkennbar gewesen wäre. Nach einem leichten Anstieg in der dritten Woche verminderte sich zum Ende der Aufzucht hin die Häufigkeit der Beschäftigung mit den ausgewählten Spielzeugen. Der Pelletfeeder wurde dabei jeweils mehr als doppelt so häufig wie die Ketten in der Bucht zur Beschäftigung genutzt. Die Motivation, für die Belohnung Futter am Pelletfeeder zu arbeiten, wird deutlich.
Beim Beschäftigungsautomaten ging die Häufigkeit der Nutzung des Automaten über die Haltungsdauer viel weniger stark zurück als die Nutzung des Standardspielzeuges. In der fünften Woche erreichte die Beschäftigungsintensität am Automaten fast die Werte der ersten Woche. Alle Differenzen sind statistisch gesichert. Der Beschäftigungsautomat ist demzufolge über die Haltungsdauer attraktiv für die Ferkel.
Ein Sack Beschäftigungsfutter - 25 kg rohfaserreiches Ergänzungsfuttermittel - reichte (knapp) für zwei Durchgänge. Es gab keinerlei Funktionsstörungen. Das Stallpersonal war mit dem Automaten wegen der leichten Bedienung sehr zufrieden. Der Pelletfeeder schnitt ähnlich gut bei der Beurteilung durch die Mitarbeiter des Oberen Hardthofes ab. Der geringste Betreuungsaufwand ist beim Spiegelspielzeug und bei den Ketten in der Tränke zu erwarten. Von Zeit zu Zeit muss das Holz am Griff oder an den Ketten gewechselt werden. Allerdings werden die beiden Spielzeuge weniger als die Futterspender, also Pelletfeeder und Beschäftigungsautomat, durch die Ferkel genutzt.
Prof. Steffen Hoy, Universität Gießen